Stay Forever

Transkript

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Chris: Hallo liebe Hörerinnen und Hörer, zur Vorbereitung unserer Stay Forever Folge

Chris: 150 über Gothic hatten wir ein Interview mit Mike Hoge und Tom Putzke geführt,

Chris: das ihr jetzt hören werdet.

Chris: Die beiden waren zwei der vier Gründer von Piranha Bytes, dem Entwickler von Gothic.

Chris: Mike war maßgeblich verantwortlich für das Spieldesign, Tom vor allem für Pressearbeit,

Chris: Marketing und Außenkontakte, aber zum Beispiel auch für den Auftritt von In

Chris: Extremo im Spiel, wie wir gleich hören werden.

Chris: Wir starten mitten rein ins Gespräch und wünschen euch viel Spaß dabei.

Chris: Ich würde einfach mal damit anfangen, euch beide zu fragen, Mike,

Chris: Tom, wie seid ihr denn eigentlich in die Spielebranche gekommen?

Mike Hoge: Ja, das ist bei mir ein Anruf gewesen von einem Freund, der in Dortmund in einer

Mike Hoge: kleinen Spiele-Schmiede gearbeitet hat.

Mike Hoge: Das war so eine 3-4-Mann-Bude und die war auch ein Grafiker.

Mike Hoge: Damals gab es noch Deluxe Paint, 320 mal 200er Auflösung, 640 mal 400,

Mike Hoge: wenn es richtig groß war.

Mike Hoge: Das war wie Mosaik setzen und nicht wie malen. Ich habe mir das damals selber beigebracht.

Mike Hoge: Und der Kollege hat gesagt, ich weiß, dass du das kannst. Die brauchen jemanden, komm da vorbei.

Mike Hoge: Und ich habe gesagt, ja, ja, klingt ganz interessant, ich schau mal.

Mike Hoge: Und habe mich dann wieder in meinem Lotterleben hingegeben. Daraufhin hat er

Mike Hoge: mich noch mal angerufen, eine Woche später, und hat gesagt, du bist immer noch

Mike Hoge: nicht da gewesen, was ist mit dir nicht in Ordnung, du kommst jetzt hier hin

Mike Hoge: oder ich komme zu dir und trete dir in den Arsch.

Mike Hoge: Dann habe ich gesagt, naja gut, okay, dann gehe ich mal. Und dann bin ich nach

Mike Hoge: Dortmund gegangen und ich hatte ja keine Qualifikation, ich habe das als Hobby

Mike Hoge: gemacht und habe zu dem damaligen Chef gesagt, ich arbeite umsonst für dich,

Mike Hoge: bis du meinst, dass ich Geld verdiene.

Mike Hoge: Wie findest du das? Und dann hat er gesagt, ja gut, klar, machen wir so.

Mike Hoge: Und nach einer Woche, glaube ich, oder anderthalb Wochen, kam er dann an einem

Mike Hoge: Tag mir irgendwie 3000 geboten.

Mike Hoge: Was für mich eine Menge Geld war damals. Und da habe ich gedacht,

Mike Hoge: hey, super, machen wir. Und so bin ich reingekommen. Das war der Anfang.

Chris: Was war denn das für eine Firma oder ein Team? Weißt du den Namen noch?

Mike Hoge: GDG hieß die German Design Group.

Chris: Die haben diese Strategiespiele gemacht, kann das sein?

Mike Hoge: Ja, genau, richtig.

Chris: Und was war der erste Titel, an dem du da gearbeitet hast?

Mike Hoge: Der erste Titel ist Sterne wie Staub, glaube ich.

Mike Hoge: Andreas war der Grafiker da, der sich meiner angenommen hat und mir innerhalb

Mike Hoge: von kürzester Zeit beigebracht hat, wie ich zehnmal so schnell arbeite mit dem

Mike Hoge: Tool, was ich schon seit Ewigkeiten benutze.

Mike Hoge: Das war sehr hilfreich.

Mike Hoge: Das waren die Anfänge.

Chris: Tom, wie war es bei dir?

Tom Putzki: Naja, ich habe damals eine Weiterbildung zum Mediendesigner gemacht.

Tom Putzki: Mediendesigner hieß in der damaligen Logik und Erklärung, Sie können danach

Tom Putzki: mit dieser Ausbildung einen Quelle- oder Otto- oder Neckermann-Katalog auf CD-ROM umsetzen.

Tom Putzki: Und ich habe am Wochenende immer an mir noch was verdient dazu.

Tom Putzki: Einmal habe ich Anfänger-Computerkurse gegeben. Und zum Zweiten war ich jedes

Tom Putzki: Wochenende in Bochum in verschiedenen Clubs an der Tür.

Tom Putzki: Und als ich diese Weiterbildung, die insgesamt zwölf Monate umfasste,

Tom Putzki: langsam dem Ende näherte, musste ich mir einen Praktikumsplatz besorgen.

Tom Putzki: Und per Zufall habe ich an der Tür der Zeche Bochum.

Tom Putzki: Das ist eine nicht ganz unbekannte, auch heute noch existierende Lokalität.

Mike Hoge: Den Schurken gibt es noch?

Tom Putzki: Ja, den gibt es noch. Den gibt es noch. und da habe ich drei Leute,

Tom Putzki: die bei mir durchgekommen sind, sich unterhalten hören und die waren alle aus

Tom Putzki: einem Spiele- Unternehmen aus Bochum und die habe ich einfach ganz blöd angequatscht.

Tom Putzki: Und naja, lange Rede, kurzer Sinn. Ich habe da eine Karte gekriegt,

Tom Putzki: habe mich gemeldet und konnte ein zweimonatiges Praktikum bei den Jungs in der Firma absolvieren.

Tom Putzki: Und das war Greenwood Entertainment.

Chris: Genau, wollte gerade sagen, da habt ihr euch dann doch kennengelernt bei Greenwood.

Mike Hoge: Ja, genau, genau. Das war nämlich, wo ich gerade gesagt habe,

Mike Hoge: wo ich angefangen bin, da habe ich ein Jahr ungefähr, hatte ein bisschen Geld angespart.

Mike Hoge: Und ab und zu hatten die so File-Programmierer oder so für die paar Monate im

Mike Hoge: Sommer oder so vielleicht, die für die gearbeitet hatten.

Mike Hoge: Da kam ein Jörg, den mochte ich eigentlich direkt von Anfang an.

Mike Hoge: Ich kannte den noch nicht.

Mike Hoge: Der hat gesagt, ich wollte mal in die USA fahren, aber ich habe keinen Bock allein.

Mike Hoge: Da habe ich gesagt, USA hört sich super an, machen wir. sind wir da einen Monat

Mike Hoge: durch die USA gegurkt mit einem Mietwagen und ich habe ein ganzes Geld auf den

Mike Hoge: Kopf gehauen, mein Konto überzogen und hatte eine Menge Spaß,

Mike Hoge: komme wieder und mein Chef sagt mir, sorry, aber die Firma ist pleite.

Mike Hoge: Da habe ich gedacht, oh na super, gut. Kleine grobe Konto überzogen, was machst du?

Mike Hoge: Geguckt, was gibt es hier noch für Entwickler in der Gegend?

Mike Hoge: Das nächste, örtlich gesehen, war tatsächlich Greenwood.

Mike Hoge: Und dann bin ich da hin, kurzerhand, nächste Woche,

Mike Hoge: Bin da hingefahren, habe meine Diskettenbox mitgehabt. Ich hatte ja den Job

Mike Hoge: jetzt schon ein Jahr gemacht, da habe ich ein bisschen Referenzmaterial.

Mike Hoge: Bin dazu der Empfangsdame, das war ein bisschen größerer Laden schon.

Mike Hoge: Ich weiß nicht, wie viele Leute da waren, 20 bis 40, so Größenordnung, circa.

Tom Putzki: Nee, als ich dazu gekommen bin, waren es 15.

Mike Hoge: Ja, habe ich falsch in Erinnerung. 20er Größenordnung habe ich im Kopf drin.

Mike Hoge: Okay, egal, wurscht. Jedenfalls, ich komme da hin. Wir hatten unten eine Empfangsdame.

Mike Hoge: Wenn ich da hingegangen habe, habe ich gesagt, ich bin hier für ein Vorstellungsgespräch.

Mike Hoge: Und sie sagte, ich habe hier gar nichts im Kalender. Was machen wir denn da?

Mike Hoge: Da rufe ich mal den Frank. Und dann kam ein Typ runter und hat gesagt,

Mike Hoge: wie Vorstellungsgespräche, haben wir keinen Termin.

Mike Hoge: Ich habe gesagt, ja, ich bin einfach so vorbeigekommen.

Mike Hoge: Und habe gesagt, na gut, wo du jetzt schon mal da bist, kommst du mit,

Mike Hoge: setzt mich an den Tisch, fragt mich nach meinen Bewerbungsunterlagen.

Mike Hoge: Da habe ich ihm die Diskettenbox über den Tisch rüber geschlittert.

Mike Hoge: Und der guckte mich kurz an, hat aber dann das genommen, hat sich das angeguckt,

Mike Hoge: hat gesagt, nicht schlecht, wir melden uns. Jetzt habe ich gedacht,

Mike Hoge: naja gut, was will man erwarten.

Mike Hoge: Aber zwei Wochen später haben sie sich tatsächlich gemeldet.

Mike Hoge: Michael Bohne war dann der Kontakt.

Mike Hoge: Beim Frank hatte ich das Vorstellungsgespräch.

Mike Hoge: Und er hat gesagt, komm mal vorbei, die hat einen richtigen Scheißjob für mich.

Mike Hoge: Die Arbeit für jemanden, der seine Mutter erschlagen hat. Die haben damals der

Mike Hoge: Planer gemacht und haben die Videoaufnahmen vermurkst.

Mike Hoge: Und die Menschen, die sie aufgezeichnet hatten, hatten alle so eine blaue Aura.

Mike Hoge: Und sie wollten sie vorne in den Hintergrund packen. Und es störte,

Mike Hoge: also musste die blaue Aura weg. Und ich wollte die in jedem Frame auspixeln.

Chris: Wow.

Mike Hoge: Und ich habe aber dann Automatismus erfunden gehabt, mit zwei Programmen nacheinander

Mike Hoge: drüber laufen lassen, wie ich das Ding fast selbstständig sozusagen bereinigen kann.

Mike Hoge: Und da hat das irgendwie nach sechs Wochen durch. Das waren diverse Videos.

Mike Hoge: Und da war ich für drei Monate angeheuert. Nach sechs Wochen bin ich dann irgendwie

Mike Hoge: zu Markus gegangen, der damals der Geschäftsführer war, und habe zu dem gesagt, du, ich bin fertig.

Mike Hoge: Ich gehe jetzt noch sechs Wochen

Mike Hoge: die Eier schaukeln oder du sagst mir was anderes, was ich machen kann.

Mike Hoge: Und dann guckte der mich an und sagte, eigentlich haben wir von oben Einstellungen

Mike Hoge: gestoppt, aber für dich finden wir noch irgendwie ein Plätzchen.

Mike Hoge: Und dann bin ich da reingerutscht.

Mike Hoge: Tom ist, glaube ich, kurze Zeit später dazu gekommen, oder warst du vorher schon

Mike Hoge: da? Ich erinnere mich nicht mehr.

Tom Putzki: Ich weiß es auch nicht, aber ich meine, du hast schon drüben gesessen,

Tom Putzki: als ich da das erste Mal reinschneite.

Mike Hoge: Ja, ich meine auch, du wirst kurz nach mir gekommen. Apropos,

Mike Hoge: steuert es euch, wenn ich rauche?

Tom Putzki: Ja, weil ich will auch rauchen.

Chris: Alles gut.

Gunnar: Ihr habt ja beide da mit diesem Antrieb gehabt, in die Branche zu kommen und

Gunnar: dann halt eine Gelegenheit gefunden, zufällig in der Nähe, was ja ein seltenes

Gunnar: Privileg ist, glaube ich, in Deutschland.

Gunnar: Ja, es ist ja nicht so, dass hier die Entwickler auf den Bäumen wachsen.

Gunnar: Was hat euch denn so angetrieben? Also habt ihr C64-Spiele gespielt zu der Zeit? Wie irre?

Gunnar: Habt ihr einen Freundeskreis gehabt, in dem das schon irgendwie hoch herging?

Gunnar: Wart ihr die einzigen Nerds auf dem Schulhof, die Programme getauscht haben?

Tom Putzki: Ich glaube, in der Schule schon, ja, es war wirklich auf dem Gymnasium,

Tom Putzki: da war ich schon in der Informatik-AG.

Tom Putzki: Nicht, dass mir das jemals irgendwas gebracht hat, weil da wurde auf simpelste

Tom Putzki: Weise programmiert und gecodet und ich bezeichne mich bis heute noch als Militanten, nicht Programmierer.

Tom Putzki: Irgendwann später kam ich dann dazu, selber mir Sachen beizubringen,

Tom Putzki: zu unterrichten und ja, C64 gespielt und jede Menge, also Elite,

Tom Putzki: Kaiser, Hanse und all sowas.

Tom Putzki: Und meinen ersten Rechner, ich weiß gar nicht mehr, wann ich den hatte.

Tom Putzki: Es war schon wirklich viele Jahre früher, bevor ich in diese Games-Branche gekommen bin.

Tom Putzki: Naja, ich habe halt immer Spiele gespielt und habe mich damit sehr intensiv auseinandergesetzt.

Tom Putzki: Aber ich hatte auch eine wahnsinnige Affinität zu Brettspielen und Rollenspielen, Pen & Papers.

Tom Putzki: Und last but not least bin ich auch in Gewandung mit dem Latex-Schwert durch

Tom Putzki: den Wald gelaufen und habe Orks verprügelt.

Tom Putzki: Also bei Lab-Aktionen, Live-Adventure-Road-Playing-Game.

Mike Hoge: Mit eurer Klicke, ne? Deiner Vierer-Klicke, deine Wilde.

Tom Putzki: Ja.

Mike Hoge: Das war ein geiles Team. Da war auch ein Chirurg dabei, der hat,

Mike Hoge: glaube ich, immer Neid und Faden dabei, falls mal irgendwie Not am Mann war.

Tom Putzki: Absolut.

Gunnar: Maik, wie war es bei dir? Hast du schon früher selber kleine Sachen gemacht

Gunnar: oder nur gespielt bis zu der Anstellung da?

Mike Hoge: Also gespielt habe ich meistens bei Freunden am Anfang in der Kindheit,

Mike Hoge: weil meine Eltern nicht wollten, dass ich einen Rechner bekomme.

Mike Hoge: Mir ist nicht hundertprozentig genau klar, warum. Es war auf jeden Fall eine

Mike Hoge: schlechte Sache. Computer waren damals böse.

Mike Hoge: Wenn man Computer hatte, dann war man blasspicklig, saß im Keller und hat keine Nachkommen gezeugt.

Mike Hoge: Und der Familiennamen ist ausgestorben. Irgendwie sowas um den Dreh.

Mike Hoge: Also habe ich keinen Computer gekriegt. Und mein Onkel, der Bruder meines Vaters,

Mike Hoge: der meinte wohl, der Junge braucht einen Computer und kam irgendwann und hat mir einen geschenkt.

Mike Hoge: Also ein Spektra Video, japanisches Modell, glaube ich, ZX80 Prozessor.

Mike Hoge: Es gab auf dem deutschen Markt sagenhafte drei Spiele. Als ich sie durchgespielt

Mike Hoge: hatte, gab es halt keine Spiele mehr auf dem Computer. Das fand ich blöd.

Mike Hoge: Aber er hatte mir in Weisheit Voraussicht ein Buch geschenkt, wie man programmiert.

Mike Hoge: Und dann habe ich mir das geschnappt mit zwölf. Und dann habe ich angefangen,

Mike Hoge: meine ersten Programme zu schreiben. Und dann habe ich angefangen,

Mike Hoge: tatsächlich mein erstes Spiel zu programmieren und hatte das Spiel so weit,

Mike Hoge: dass ich eine Figur mit einem Joystick über einen Bildschirm lenken konnte.

Mike Hoge: Mit 0 und 1 Bitmasken im Code habe ich die Animationsframes der Grafik definiert.

Mike Hoge: Und eine wunderschöne Animation von einem Unterkörper, 16x16 Pixel,

Mike Hoge: wo sich die Beine so durchs Bild bewegen.

Mike Hoge: Und den Oberkörper wollte ich als nächstes machen, da war ich out of memory.

Mike Hoge: Das nur 32K hatte das Ding. Das ist mein erstes geplatztes Projekt.

Mike Hoge: Dann gab es als nächstes, bei der Konfirmation habe ich mir dann selber gekauft,

Mike Hoge: den Commodore Amiga. Wie alt war ich da? 16, glaube ich.

Mike Hoge: 1.000 Mark hatte ich damals für ein Amiga 500 mit Speichererweiterung.

Mike Hoge: Mein Vater hat noch einen Monitor oben drauf gelegt. Er hat dann gedacht,

Mike Hoge: okay, der Junge meint es ernst.

Mike Hoge: Man soll auch einen 50-Monitor haben. Dann hatte ich dann einen wunderschönen

Mike Hoge: Amiga stehen mit Farbmonitor.

Mike Hoge: Und back in the day hat man gedacht, das ist ja Wahnsinn, die Grafik.

Mike Hoge: Guck dir das an. Diese vielen Farben, das sieht ja aus wie ein Foto,

Mike Hoge: das sieht ja aus wie echt. Ich weiß noch die Begeisterung dafür.

Mike Hoge: Und da habe ich dann jede Menge gezockt. Und ja, da gab es Spiele ohne Ende

Mike Hoge: auf dem Amiga, teilweise aus dubiosen Quellen.

Mike Hoge: Ja, das war so mein Einstieg in die Computerspielebranche. Da habe ich dann

Mike Hoge: auch mit Deluxe Paint weiter Grafiken gemacht, habe Animationen gemacht und

Mike Hoge: so weiter, etc. Und das hat mir so ein bisschen die Tür geöffnet.

Mike Hoge: Die erste Firma, da habe ich ja gerade schon von erzählt.

Chris: Jetzt sind wir bei Greenwood ja noch. Und Greenwood ist noch weit weg von Rollenspielen,

Chris: sondern ist in der Zeit erst mal für Wirtschaftssimulationen bekannt.

Chris: Also die Planerserie, das Amt, MAD-TV 2. Was habt ihr denn gemacht bei Greenwood?

Tom Putzki: Naja, bei mir geht es schneller. Ich war ja wie gesagt gerade frischer Zwei-Monats-Praktikant

Tom Putzki: und derjenige, der sich meiner angenommen hat, war ein Herr namens Carsten Schwede,

Tom Putzki: ein ehemaliger Bergmann,

Tom Putzki: der auf Computerspieleentwickler und Grafiker umgeschult hat,

Tom Putzki: als immer mehr Zechen im Robot geschlossen wurden.

Tom Putzki: Und der hat mir versucht, den Umgang mit 3D-Modeling und Animationsprogrammen

Tom Putzki: näher zu bringen und beizubringen.

Tom Putzki: Und von Frank, der damals das Vorstellungsgespräch mit Mike gemacht hat,

Tom Putzki: bekam ich dann die Aufgabe, die Außenhaut eines Raumschiffs zu modellieren. Sehr detailliert.

Tom Putzki: Weil Greenwood hatte zum ersten Mal ein bisschen Geld in die Hand bekommen durch

Tom Putzki: Investoren, die 60 Prozent oder sowas von Greenwood übernommen hatten.

Tom Putzki: Das war damals die Funsoft-Gruppe.

Tom Putzki: Und durch dieses frische Geld sollten jetzt zum ersten Mal Projekte stattfinden,

Tom Putzki: die sich eben von den animierten Excel-Tabellen der Wirtschaftssimulationen,

Tom Putzki: die bis dato am Start waren, so ein bisschen abgehoben haben.

Tom Putzki: Und die zwei Produkte oder Projekte, die darunter fielen, waren DOG,

Tom Putzki: DOG und wie hieß das BattleTech-Dingen?

Mike Hoge: Metalizer.

Tom Putzki: Metalizer, genau. Das war ein BattleTech-Klon mit dem Originalregelwerk von

Tom Putzki: BattleTech drunter, ohne dass die Lizenz vorhanden war.

Tom Putzki: Und es wurden Videos wie verrückt gedreht dafür mit echten Schauspielern.

Tom Putzki: Alles sehr, sehr teuer und daran habe ich dann so hauptsächlich rumgebastelt.

Tom Putzki: Bei Planer war ich auch noch ein bisschen dabei und so weiter.

Tom Putzki: Aber ich habe mich vor allem damit beschäftigt.

Mike Hoge: Binge mir ähnlich. Ich glaube auch von den Jungs wäre keiner auf die Idee gekommen,

Mike Hoge: sowas Wahnsinniges wie ein Rollenspiel anzufangen.

Mike Hoge: Da mussten dann die Mad Scientists her, eine Oldenburger Programmierergruppe,

Mike Hoge: drei Studenten, die sind da hingekommen mit ihrer Finster-Engine und haben so

Mike Hoge: einen Ultima-Underworld-Klon.

Mike Hoge: First Person war das, glaube ich, damals. First Person RPG, die hatten ihre

Mike Hoge: eigene Engine geschrieben. War ganz nice, aber nicht ganz das, was wir im Sinn hatten.

Mike Hoge: Weil Narko Shea hat dann damals irgendwie gesagt, ja, wir haben jetzt hier die

Mike Hoge: Jungs, die haben diese Engine da, die haben das mitgebracht.

Mike Hoge: Guckt euch das mal an. Und ich weiß nicht, wir hatten für sowas oder für diese

Mike Hoge: Art von Spiel keinen Game-Designer damals.

Mike Hoge: Würde ich mal sagen. Da habe ich mich dann drauf gestürzt. Da habe ich gesagt, ich mache das.

Mike Hoge: Und auch natürlich null Erfahrung gehabt. Und als erstes ein fettes Rollenspiel machen.

Mike Hoge: Und die Finster Engine war halt nur indoor, wie Ultima Underworld-Shirt.

Mike Hoge: Da konnte man durch irgendwelche Dungeons gehen.

Mike Hoge: Und ich habe gedacht, das muss doch größer werden. Das muss doch so ein bisschen

Mike Hoge: eher so wie Ultima werden.

Mike Hoge: Mit einer Oberwelt und 3D-Figuren.

Mike Hoge: Und am besten auch gar nicht First Person, sondern Third Person. So wie Ultima.

Mike Hoge: Ja, das wäre schön. So machen wir es. Jungs, wir müssen die Engine nochmal machen.

Mike Hoge: Was, bist du wahnsinnig?

Mike Hoge: Weißt du, wie viel Arbeit wir da reingesteckt haben? Ja, aber ich meine,

Mike Hoge: überleg doch mal, was meinst du, dass das für ein geiles Spiel wird?

Mike Hoge: Bla, bla, bla, bla, bla. Lange Rede, kurzer Sinn.

Mike Hoge: Die Mad Scientists kam und das Spiel wurde from scratch neu entwickelt. Die komplette Engine.

Mike Hoge: Und ich kann das nur so erklären, dass alle Leute, die da beteiligt waren,

Mike Hoge: keine Ahnung hatten, auf was sie sich einlassen. Und ja, Abfahrt.

Chris: Nochmal kurz, wie muss ich mir denn das vorstellen? Also diese drei Studenten,

Chris: die sich Mad Scientists nennen, haben ihre Engine, ihr Rollenspielprojekt und

Chris: Pitchen des Publishern. Kommen damit auch zu Greenwood.

Chris: Die kamen ja nicht zu euch spezifisch. Ihr wart ja Grafiker irgendwo da im Team,

Chris: oder? Wie landet das Ganze denn eigentlich dann bei euch?

Mike Hoge: Scheint jemand der Meinung gewesen zu sein, wir können das gut beurteilen.

Tom Putzki: Sagen wir es einfach mal so, das Team war überschaubar. Also wie gesagt,

Tom Putzki: ich meine, zu diesem Zeitpunkt waren es so 15, 16 Leute.

Tom Putzki: Mike sagt 20, lass es irgendwo dazwischen liegen. Es gab zwei große Developerbüros

Tom Putzki: und dann so ein paar kleine, wo die Firmenführung saß oder sowas.

Tom Putzki: Das heißt, wenn da jemand kam und irgendwas gezeigt hatte, dann hat man das

Tom Putzki: eh mitgekriegt. Aber Beispiel, wir hatten gerade dieses Metalizer.

Tom Putzki: Da war ich irgendwie in das Team involviert,

Tom Putzki: Und habe die Missionen designt und später dann auch die Level.

Tom Putzki: Umgesetzt hat sie jemand anders, aber ich habe sie schön wacker aufgemalt und

Tom Putzki: mir ausgedacht, wie was funktionieren soll und so weiter.

Tom Putzki: Blabla. Also das war aber eigentlich meine Aufgabe an diesem Projekt Metalizer,

Tom Putzki: diesem Battle-Tech-Klon. So, der Projektleiter hat aber in den Sack gehauen

Tom Putzki: vor der Fertigstellung des Projektes und hat das Unternehmen verlassen.

Tom Putzki: Und um das Ding, was ja ein teures Projekt war, fertig zu kriegen,

Tom Putzki: musste da jetzt jemand Neues ran.

Tom Putzki: Und komischerweise war ich der Einzige in der gesamten Firma,

Tom Putzki: der sich mit dem Battletech-Universum auskannte.

Tom Putzki: Weil ich habe da vorne in meinem Bücherregal immer noch 50 plus Battletech-Romane.

Tom Putzki: Ich habe sämtliche Mech-Warrior-Spiele gespielt, die es auf dem PC gab.

Tom Putzki: Ich habe das Pen & Paper-Rollenspiel gespielt.

Tom Putzki: Ich habe mir die Zinnfiguren angemalt, also Zinn, Mechs und habe das Brettspiel gespielt.

Tom Putzki: Das heißt, ich war der einzige Experte im ganzen Haus für das Battletech-Universum

Tom Putzki: und schwupp war ich der neue Projektleiter.

Tom Putzki: So ist man da an Jobs gekommen.

Mike Hoge: Genau, ich habe auch noch eine Sache unterschlagen. Und zwar,

Mike Hoge: das war das Timing, ja, zu dem Zeitpunkt, an dem die MedScientists kamen,

Mike Hoge: also das Programmiererteam, das fiel in die Phase, wo Greenwood auch pleite ging.

Mike Hoge: Das war so ein Jahr, nachdem ich da angefangen habe.

Mike Hoge: Die haben sich auf jeden Fall aufgelöst. Ich weiß nicht, ob die wirklich pleite

Mike Hoge: waren, aber auf jeden Fall, die Firma löste sich auf und die MedScientists kamen

Mike Hoge: zu einem Zeitpunkt, wo da eigentlich gar keiner mehr irgendwelche Deals machen konnte,

Mike Hoge: aber da wir da mit mehreren Leuten mehr oder weniger auf der Straße standen

Mike Hoge: und uns überlegen mussten, was wir als nächstes machen und dann auch noch ein

Mike Hoge: paar gute Leute am Start hatten,

Mike Hoge: die zeitgleich auf Arbeitssuche waren und ich jetzt zum zweiten Mal mitbekommen

Mike Hoge: habe, wie innerhalb kürzester Zeit eine Firma pleite geht, habe ich mir zumindest

Mike Hoge: für meinen Teil gedacht, Firma pleite gehen lassen und das Ganze selber.

Mike Hoge: Und dann haben wir uns zusammengeschlossen, der Tom Putzki, meine Wenigkeit,

Mike Hoge: Stefan Juhl und Alex Brüggemann und Markus Schärmer als Stiller Teilhaber,

Mike Hoge: der Geschäftsführer von Greenwood.

Mike Hoge: Und die hat uns da ein bisschen Startkapital gegeben, ein bisschen viel sogar,

Mike Hoge: ich glaube, das waren so 200.000, 300.000.

Mike Hoge: Die hat er da reingesteckt und wir haben gesagt, wir machen jetzt das Spiel

Mike Hoge: mit den MedScientists zusammen.

Mike Hoge: Die MedScientists wollten nicht mit uns gemeinsam die Firma aufmachen.

Mike Hoge: Die wollten eine selbstständige Gruppe bleiben.

Mike Hoge: Fair enough. Also waren wir zu viert in Bochum und drei Oldenburger Programmierer

Mike Hoge: und das waren die Anfänger.

Mike Hoge: Das war sozusagen der Grundstein, der Startschuss für die Gothic-Produktion.

Chris: Wir sind jetzt hier, um das nochmal kurz zu sagen, Ende 1997,

Chris: wenn ich das richtig im Kopf habe.

Mike Hoge: Korrekt, ganz genau.

Chris: Noch kurz, die beiden anderen, die ja noch mit dabei waren, die du gerade schon

Chris: erwähnt hast, Mike, nämlich der Alex Brüggemann und der Stefan Nühl,

Chris: die kommen ja auch von Greenwood, wenn ich das richtig im Kopf habe.

Chris: Was haben die für einen Hintergrund? Wo kommen die her? Was haben die gemacht?

Tom Putzki: Das ist absolut richtig, ja. Also Alex war auch aus dem Art-Bereich,

Tom Putzki: allerdings eher im Animationspaar zu Hause, soweit ich mich entsprechend entsinne,

Tom Putzki: während Stefan der Einzige von uns war, der ernsthaft programmieren konnte.

Mike Hoge: War der nicht auch irgendwie Offizier beim Bund?

Tom Putzki: Der hat auf jeden Fall an der Bundeswehr-Uni studiert. In München,

Tom Putzki: soweit ich das richtig im Kopf habe. Ich meine, das habe ich ja auch mal gemacht, nur in Hamburg.

Tom Putzki: Aber Stefan hat das Studium beendet, ich nicht.

Tom Putzki: Und war dann als Programmiererfahrener auch Projektleiter, bla, sowas in der Richtung.

Tom Putzki: Naja, was uns vier irgendwie einte, war Liebe zu Rollenspielen. Das auf jeden Fall.

Tom Putzki: Weil das mochten wir irgendwie alle. Und wie Mike gerade schon gesagt hat,

Tom Putzki: Greenwood Entertainment hat sich halt den Wohlgefallen aufgelöst.

Tom Putzki: Und wir haben irgendwie ein ganzes Wochenende in dem Konfraum,

Tom Putzki: da im Glockengarten, zugebracht und überlegt mit allen Mannen, was, wo, wie.

Tom Putzki: Und dann haben sich halt verschiedene Grüppchen für verschiedene neue Firmen gefunden.

Tom Putzki: Und das waren einmal dann Piranha-Balds mit uns vieren.

Tom Putzki: Das war Better Day Communications, Bohnen und sowas, erinnerst du dich,

Tom Putzki: die den Gnav gemacht haben.

Tom Putzki: The Art Department, die sich wieder auf Werbespiele gestürzt haben und wo dann

Tom Putzki: im Laufe der nächsten ein, zwei Jahre das Moron rauskam.

Mike Hoge: Effective Media.

Tom Putzki: Effective Media, wenn man es wirklich so sieht, die solideste und am Markt erfolgreichste

Tom Putzki: und gefestigte Firma, weil die sind heute immer noch topnotch im Bereich Lokalisierung.

Tom Putzki: Also wenn du bei denen auf die Webseite gehst, effectivemedia.de,

Tom Putzki: und schaust, was die in ihren Referenzlisten für Titel, für Publisher,

Tom Putzki: für Marken haben, da wird die einfach nur schwindelig.

Chris: Und eure Vierergruppe, wie muss ich mir das vorstellen? War das dann eher so

Chris: eine Zweckgemeinschaft?

Chris: Wir stehen alle auf der Straße, wir müssen uns irgendwie zusammentun. Oder wart ihr Freunde?

Mike Hoge: Nee, also wir waren Kollegen, wir waren schon gute Kollegen.

Mike Hoge: Man hat sich auch mal irgendwie in Bochum getroffen oder so,

Mike Hoge: aber richtige enge Freundschaft hatten wir nicht auf jeden Fall.

Mike Hoge: Wir waren in erster Linie Arbeitskollegen, aber gute Kollegen.

Tom Putzki: Stimmt, aber ich würde schon sagen, dass beim einen oder anderen dahinter eine

Tom Putzki: Freundschaft bei rauskam.

Mike Hoge: Ja, na klar, aber zu der Zeit...

Tom Putzki: Waren wir gute Kollegen, klar.

Mike Hoge: Waren wir gute Kollegen, so. Und vielleicht nochmal, ich bin da gerade so ein

Mike Hoge: bisschen spielerisch drüber weggegangen.

Mike Hoge: Es war natürlich eine Ernsthaftigkeit auch dabei. Wir waren alle semi-professionell,

Mike Hoge: das habe ich, glaube ich, gerade mir als klar gemacht.

Mike Hoge: Aber man hat sich schon überlegt, okay, was machen wir hier eigentlich?

Mike Hoge: Wie sind die Verkaufschancen und so weiter, etc.

Mike Hoge: Zu der Zeit gab es ein Diablo, das kam gerade raus.

Mike Hoge: Und lange, lange Zeit war der Rollenspielmarkt tot gewesen. Also Rollenspiel

Mike Hoge: war eigentlich a thing from the past. Keiner hat das zu der Zeit mehr gemacht.

Chris: Das war ja noch vor Baldur's Gate, was das Revival dann einleitet.

Mike Hoge: Ja, Diablo war seit Ewigkeiten das erste Mal, dass sich wieder einer an das

Mike Hoge: RPG-Thema angetraut hat.

Mike Hoge: Mega erfolgreich gewesen. Und dann habe ich gedacht, na gut.

Tom Putzki: Richtig. Und es hat ja auch tierisch Spaß gemacht. Wir haben es ja auch gezockt.

Mike Hoge: Ja.

Tom Putzki: Wir haben es ja gezockt, wie die Bekloppten. Und das kam 96 raus,

Tom Putzki: wenn ich das richtig im Kopf habe.

Tom Putzki: Da du Ultima erwähnt hast, also dass Ultima 9 rauskam, war 99, zwei Jahre später, ne?

Chris: Genau.

Tom Putzki: Also am Rollenspielmarkt war überhaupt nichts los. Überhaupt nichts.

Mike Hoge: Was ein Grund war, es zu machen. Jo, einer der Gründe.

Gunnar: Aber wenn ich das richtig verstehe, dann ist das aber jetzt so eine Art opportunistisches

Gunnar: Projekt um diese Oldenburger Engine rum.

Gunnar: Das ist jetzt doch zustande gekommen, diese Vierergruppe auch in der Konstellation,

Gunnar: weil ihr dachtet, geil, Rollenspiele wollen wir machen.

Gunnar: Und wir haben jetzt die Engine von den Oldenburgern, auf der wir aufbauen können.

Gunnar: Das war von Anfang an um diese Idee rumgestrickt. Ihr wolltet nicht irgendwas anderes noch machen.

Mike Hoge: Kann ich so unterschreiben, ja. Das ist ein opportunistisches Projekt, auf jeden Fall.

Tom Putzki: Absolut.

Gunnar: Das klingt jetzt immer ein bisschen fies, aber ein Projekt, das aus der Gelegenheit

Gunnar: entstanden ist, weil die Oldenburger da waren, ne? Ja, genau.

Mike Hoge: Natürlich, ja. Kann man so sagen, ja. Wobei das Design für das Spiel selber

Mike Hoge: ist ja dann from scratch gemacht worden, ne?

Mike Hoge: Aber überhaupt die Möglichkeit zu haben, Programmiererteam zu haben,

Mike Hoge: von Leuten, die Bock haben.

Mike Hoge: Und dann hast du auf einmal sieben Leute, die dasselbe wollen. Das hat ja eine Dynamik.

Mike Hoge: Also darauf sind wir alle aufgesprungen, glaube ich, als Glaube daran,

Mike Hoge: das kann funktionieren.

Mike Hoge: Keiner wusste genau, wie es aussieht, aber alle hatten Bock.

Gunnar: Und die Oldenburger, waren die alle Freelancer sozusagen dann für die neu entstehende Piranha Bytes?

Gunnar: Oder war das eine eigene Firma, die euch Rechnungen gestellt hat als Firma?

Mike Hoge: Ich glaube, das war eine GbR sogar.

Tom Putzki: Ja, die MedScientists haben sich dann auch irgendwie für die Vertragsbildung

Tom Putzki: und sowas zusammengeschlossen, in einer rechten Form.

Tom Putzki: Und naja, ich finde ziemlich, wir sind ja öfter mal hochgefahren und haben mit

Tom Putzki: den Jungs gequatscht oder die sind zu uns gekommen.

Tom Putzki: Wir mussten dann nach Oldenburg. Also die MedScientists selber waren auch noch aufgeteilt.

Tom Putzki: Das heißt, zwei waren in Oldenburg, wenn man hier alles täuscht,

Tom Putzki: und einer in Cuxhaven. Cuxhaven oder Bremerhaven, weißt du das noch?

Mike Hoge: Oh.

Tom Putzki: Naja, irgendetwas mit Hafen oben an der Küste.

Mike Hoge: Ja, irgendwo da. Bremerhaven, glaube ich.

Tom Putzki: Und das war schon anspruchsvoll. Auch die Kommunikation war anspruchsvoll.

Chris: Da kommen wir gleich noch mal drauf zurück, wie die Entwicklungsumgebung dann

Chris: war, wie ihr euch da aufgestellt habt.

Chris: Ich würde noch mal kurz schnell zu dieser Grundidee zurückkommen,

Chris: weil, Mike, du hattest ja gerade schon gesagt, du hast deinen Mad Scientist

Chris: quasi mitgegeben, so, Engine, bitte neu.

Chris: Und du sagtest ja schon, wir brauchen eine Oberwelt, wir möchten das Ganze offener gestalten.

Chris: Und diese ursprünglichen Vorstellungen eures Rollenspiels, Wie viel vom späteren

Chris: Gothic ist denn da eigentlich schon drin?

Chris: Oder reden wir da eher von einer Art Diablo-Variante oder sowas?

Mike Hoge: Nee, nee, nee, nee. Das hat sich schon, also in meiner Vorstellung auf jeden

Mike Hoge: Fall, immer in Richtung Ultima bewegt. Das sollte eine simulierte Welt sein.

Mike Hoge: Was mich an Ultima damals begeistert hat, kann man heutzutage vielleicht sperr

Mike Hoge: nachvollziehen, wenn man das Ding nochmal anschmeißt, weil es dann vielleicht

Mike Hoge: auch nicht so gut gealtert ist. Aber zu der Zeit auf jeden Fall.

Gunnar: Entschuldigung, von welchem Ultima sprichst du, wenn du Ultima sagst?

Mike Hoge: Ich würde mal so sagen, so Teil 6 als Referenz.

Gunnar: Ah, 6, okay.

Mike Hoge: Da hat man halt eine Welt mit Charakteren, die Tagesabläufe haben,

Mike Hoge: die gehen ins Bett, die arbeiten, die produzieren ihren Quatsch.

Mike Hoge: Du hast Partyfreunde, die du schon aus den vorherigen Teilen kennst.

Mike Hoge: Du hast irgendeine Art von Beziehung zu den Charakteren, die über einen bloßen

Mike Hoge: Questgeber hinausgeht.

Mike Hoge: So, in meiner Welt zumindest war das so. Und das fand ich daran faszinierend.

Mike Hoge: Es sollte schon eine lebendige Welt werden.

Mike Hoge: Und der Grundgedanke war schnell klar, es muss was Kleineres werden.

Mike Hoge: Dimensionen wie Ultima schaffen wir nicht. Es muss eine beschränkte Welt sein.

Mike Hoge: Und dann kommt die erste Idee, wir machen das auf einer Insel.

Mike Hoge: Und dann denkt man ja gut, okay, Insel, das ist so naheliegend,

Mike Hoge: was gibt es noch für andere Möglichkeiten, das zu designen?

Mike Hoge: Wir können natürlich auch eine magische Barriere drum packen.

Mike Hoge: Ja, okay, magische Barriere, schön und gut, aber warum soll die da sein?

Mike Hoge: Die muss ja irgendwie in die Welt integriert sein.

Mike Hoge: Es muss ja alles irgendwie plausibel sein und Hand und Fuß haben.

Mike Hoge: Da muss ja irgendwie was dafür verantwortlich gewesen sein, dass das Ding da ist.

Mike Hoge: Und dann stimmt man sich so von Punkt zu Punkt und irgendwann,

Mike Hoge: habe ich immer gesagt, erzählt sich die Geschichte selbst sogar am Ende,

Mike Hoge: wenn man die ganzen Notwendigkeiten nimmt und daraus sozusagen den Rahmen strickt.

Tom Putzki: Ich habe nur daran gedacht, dass wir dann auch einige Inspirationen für die

Tom Putzki: Barriere und so weiter und für die ganze Story dann auch aus Hollywood sozusagen

Tom Putzki: übernommen haben, sprich die Klapperschlange.

Tom Putzki: Snake Plissken, gespielt von Kurt Russell, ganz Manhattan ist ein Gefängnis,

Tom Putzki: es ist eine Mauer drum, es sind keine Wächter drin im Gefängnis,

Tom Putzki: Straftäter werden reingeschmissen und vergessen.

Tom Putzki: Klingt vertraut irgendwie, so magische Barriere und sowas.

Chris: Du sagtest vorhin auch schon, Mike, die ursprüngliche Engine,

Chris: diese finste Engine, war eine Ego-Perspektiven-Engine, wie bei Ultima Underworld.

Chris: Und eine der Änderungen, die ja dann für Gothic kam, war Third Person. Warum eigentlich?

Mike Hoge: Warum Third Person?

Mike Hoge: Ich glaube, dass das eine, oh, das ist so lange her, sollte was mit dem Kampfsystem

Mike Hoge: zu tun gehabt haben, würde ich mal vermuten.

Mike Hoge: Ja, dass wir ein Kampfsystem hinkriegen, wo du irgendwie mit Spertern kämpfen

Mike Hoge: kannst und die ganze Geschichte irgendwie gut im Griff hast.

Mike Hoge: Und das war, glaube ich, vielversprechender, einen Third-Person umzusetzen.

Mike Hoge: Aber wie gesagt, das war ja irgendwie die Ultima-Idee. Man lenkt halt ein Männchen

Mike Hoge: durch die Gegend. Und das war ja so ein bisschen das Grundthema dabei.

Mike Hoge: Und das war dann übersetzt in 3D eben ein Verlössenspiel.

Tom Putzki: Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, dass uns immer, vor allem dir,

Tom Putzki: extrem wichtig war, das Visivik-Prinzip umzusetzen.

Tom Putzki: Dass das so eine Vision war, die sich durchgezogen hat. What you see is what you get.

Tom Putzki: Und das kannst du am besten einfach darstellen, indem du die ganze Zeit deine Figur im Blick hast.

Tom Putzki: Indem du siehst, was sie macht.

Mike Hoge: Stimmt. Es ging ja auch darum, die Kleidung der Figur sollte eine Rolle spielen.

Mike Hoge: Man sollte sehen, wie man stärker wird.

Mike Hoge: Idealerweise hätten wir die Figur noch ein bisschen breiter skaliert,

Mike Hoge: wenn man mehr Stärke kriegt und so.

Mike Hoge: Da gab es einige lustige Ideen, die es nicht alle ins Spiel geschafft haben.

Mike Hoge: Aber ja, genau, richtig, das ist auch ein Punkt.

Tom Putzki: Das war auf jeden Fall ganz entscheidend für uns.

Tom Putzki: Wir wollten eben einfach dem Spieler klar machen, guck auf alles und dann weißt du, worum es geht.

Tom Putzki: Am Anfang bist du eine Pünte und kannst nichts. Und so siehst du auch aus.

Tom Putzki: Du hast nur Lumpen an und so weiter und so weiter.

Tom Putzki: In anderen Spielen hast du dann Levelaufstieg und musst dann anfangen,

Tom Putzki: Punkte zu verteilen oder jada, jada, jada zu machen. Das war der übliche Kram.

Tom Putzki: Wir wollten, dass es sofort sichtbar ist, dass sich was tut.

Tom Putzki: Wir wollten, dass du sehen konntest,

Tom Putzki: Wie du besser wirst mit dem Schwert, wie du andere Animationen hast mit Schwert

Tom Putzki: oder setze Schwert für irgendeine andere Waffe.

Tom Putzki: Wir wollten, dass du den Fortschritt siehst und zwar immer.

Tom Putzki: Wir wollten, dass du jederzeit die Kamera auf deinem Charakter hast,

Tom Putzki: damit du die Veränderung siehst, damit du die Welt auch gut sehen kannst,

Tom Putzki: damit du einfach dich daran erfreuen kannst, dass du, wenn du stärker wirst,

Tom Putzki: hast du auch bessere Klamotten an, geilere Teile. du hast Spaß.

Tom Putzki: Dieses Visivik-Prinzip hat sich bei uns wirklich wie ein roter Faden so durchgezogen.

Mike Hoge: Ja, die erste Version des Designs kam auch ohne Punktesystem aus, wenn du dich erinnerst.

Mike Hoge: Da gab es sowas gar nicht. Du bist dann zu einem Typen gegangen,

Mike Hoge: der hat gesagt, ich bring dir das bei, wie das besser geht und hast dann die

Mike Hoge: Quest geschafft, der hat dir das Geheimnis des Schwertkampfes verraten,

Mike Hoge: das ist die bessere Animation, fertig.

Mike Hoge: Da war kein Charakter-Screen, wo drin stand Schwertkampf Stufe 1 oder Stufe 2.

Mike Hoge: Das war alles einfach im Game drin. So ein bisschen Zelda-Style rückwirkend

Mike Hoge: betrachtet, obwohl das ein Spiel war, was ich damals gar nicht gespielt hatte,

Mike Hoge: aber so eher in die Richtung.

Mike Hoge: Das haben wir dann hinterher verworfen, weil ich einfach gemerkt habe,

Mike Hoge: was für eine Macht dieses Punktesystem hat und das einfach auf dem Bildschirm

Mike Hoge: steht, 100 Erfahrungspunkte erhalten.

Mike Hoge: Das darunterliegende Punktesystem sollte gar nicht so offensichtlich ins Spiel

Mike Hoge: integriert werden am Anfang nicht. Die Entscheidung kam mir später.

Tom Putzki: Und ich meine, das wird ja auch heute noch Gothic 1 als absolut positives Feature

Tom Putzki: nachgetragen, dass die Immersion in die Welt, die auch noch wirklich lebendig wirkt,

Tom Putzki: dass die selten durch solche Geschichten wie so, jetzt musst du deinen Stufenaufstieg

Tom Putzki: machen und möglichst viele verschiedene Fenster, Layer, Windows und so weiter,

Tom Putzki: die eigentlich das Spielerlebnis stören.

Tom Putzki: Und das haben wir versucht, so ein bisschen in den Hintergrund zu packen.

Mike Hoge: Haben wir ja auch. Also wir haben es ja sehr schlank gehalten.

Gunnar: War das eine bewusste Abgrenzung gegen irgendein anderes Spiel?

Gunnar: Also du hast ja Ultima mehrfach jetzt als Beispiel genannt. Das ist ja schon

Gunnar: ein Spiel, wo man die Zahlen auch sieht.

Mike Hoge: Ja, bei Ultima war es ja auch so. Die hatten ja auch ein sehr schlankes Rollenspielsystem.

Mike Hoge: Ich glaube, da gibt es auch nur drei, vier Attributswerte und viel mehr gibt

Mike Hoge: es da nicht. Dann hast du noch so eine Art Magiekreis, den du lernen kannst oder sowas.

Mike Hoge: Und hast deine Rune, mit denen machst du deine Sprüche und deine Zauberzutaten.

Mike Hoge: Und ich weiß nicht, was so, das ist ja in Ventafrique leider.

Mike Hoge: Und das ist ja nicht wirklich ein Charakterscreen in dem Sinne.

Tom Putzki: Richtig. Aber nicht zu vergessen auch die Reputation bei Ultima.

Tom Putzki: Dein Ruf in der Welt. Und das hat uns auch so ein bisschen inspiriert.

Tom Putzki: Das ist überhaupt keine Frage. Wir wollten ja auch etwas schaffen,

Tom Putzki: wo sich deine Taten in der Welt rumsprechen, um dem Ganzen einfach einen noch

Tom Putzki: glaubwürdigeren Anstrich in dieser Welt zu geben.

Tom Putzki: Dass wir wirklich die Vorstellung hatten, du tust was, das wirft praktisch einen

Tom Putzki: Stein in den See und die Info von deiner Tat, die geht einfach weiter,

Tom Putzki: wie das mit den Wasserwellen.

Mike Hoge: Das haben wir gemacht, das haben wir gemacht. Wir haben es sogar eingebaut.

Mike Hoge: Ein Nachrichtenverbreitungssystem, wenn du Scheiße gebaut hattest,

Mike Hoge: das führte dann aber dazu, dass irgendwer gekommen ist und dir aufs Maul hauen

Mike Hoge: wollte und du wusstest gar nicht, warum.

Mike Hoge: Das ist auch für den Spieler nicht nachvollziehbar. Wir haben dann gemerkt,

Mike Hoge: dass eine direkte Reaktion der NPCs gut ist und ein bisschen eine kleine Prise

Mike Hoge: davon, dass sie jetzt irgendwie merken, wenn du dir einen Kollegen ermordet

Mike Hoge: hast oder so, das hast du dir wohl noch gemerkt.

Mike Hoge: Aber wenn du da irgendwo einen Apfel vom Tisch genommen hast und du gehst ja

Mike Hoge: später durchs alte Lager und dann kommt irgendwer empört auf dich zu und will

Mike Hoge: dich verdreschen, hat der Spieler überhaupt keinen Bezug mehr dazu.

Mike Hoge: Er hat so viel Kram eingesammelt, er erinnert sich gar nicht mehr an diesen böden Apfel.

Mike Hoge: Dann nützt das ganze System nicht.

Tom Putzki: Aber auf der anderen Seite war uns auch klar, das war auch sehr,

Tom Putzki: sehr wichtig, wir wollten ja keine nette, freundliche Blümchen- und Bienchen-Fantasy-Welt schaffen.

Tom Putzki: Und wir wollten ja keine kuschelnden Elfen, sondern es war eben von vornherein

Tom Putzki: klar, wir wollten etwas hinkriegen.

Tom Putzki: Da hat der Ruhrpott natürlich auch stark unterstützt, was eben offen, ehrlich aufs Maul ist.

Tom Putzki: So, und wenn du dann die Situation, dass Ruhrpott mies Snake blisken,

Tom Putzki: dann wird es schon interessant.

Chris: Das ist ein guter Punkt, weil es gibt ja nun frappierende Ähnlichkeiten zwischen

Chris: euren ursprünglichen Gedanken und Ultima, wie ihr es gerade schon hergeleitet habt.

Chris: Aber der deutlichste Unterschied ist dann schon, sagen wir mal,

Chris: die Stimmung des Spiels. Ultima ist ja doch eine eher helle und freundliche Fantasy.

Chris: Upper-Class-Fantasy, würde ich fast sagen, hier mit Lord British und sowas.

Chris: Und bei euch sind wir ja eher in der Working-Class-Fantasy dann.

Chris: Also, du sagtest gerade, Tom, das leitet sich dann aber aus euren Erfahrungen

Chris: her? Oder wie muss ich mir das vorstellen?

Tom Putzki: Also ich bin in Gelsenkirchen geboren. Ich habe meine Kindheit und Jugend damit

Tom Putzki: verbracht, wie heißt so schön im Pott, Brikett zu Eierkohlen rumzulutschen und Heizöl zu zersägen.

Tom Putzki: So, in Steinwurfweite vom Parkstadion aufgewachsen, also Schalke und bla und

Tom Putzki: so weiter. und der Menschenschlag im Ruhrpott ist schon durchaus was Spezielles.

Tom Putzki: Man trägt das Herz ein bisschen auf der Zunge.

Tom Putzki: Du kannst dich sehr schnell unbeliebt machen. Auf der anderen Seite,

Tom Putzki: wenn du ein cooler Dude bist,

Tom Putzki: dann kannst du auch eine richtig gute Zeit haben. Die Menschen sind in der Regel

Tom Putzki: nicht hintenrum, sondern sie sagen offen und ehrlich, dass ihnen deine Fresse nicht blickt.

Mike Hoge: Da ist schon was dran, ja.

Tom Putzki: Ja.

Mike Hoge: Ich habe da über 20 Jahre gerne gelebt.

Chris: Das Interessante aus meiner Perspektive ist, dass viele von diesen inhaltlichen

Chris: Sachen, die ihr geschildert habt, sich herleiten aus der Erfahrung mit Ultima,

Chris: aus der Spielerfahrung, und das aber nicht.

Chris: Also hier findet eine Abgrenzung statt. Ich meine, wir haben vorhin schon Diablo genannt.

Chris: Das ist ja auch eher eine dark fantasy, das ist ja eine düstere Welt. War das ein Einfluss?

Mike Hoge: Es ging um Klausibilität. Es ging einfach darum, eine lebendige Welt zu erschaffen.

Mike Hoge: Eine, die ich glaube. Wenn ich als Designer mir das vorstelle,

Mike Hoge: du gehst durch das Spiel und einer sagt zu mir, ach, eure Durchlauchtigkeit,

Mike Hoge: die Elfen und die Zwerge sind sich graben.

Mike Hoge: Weißt du, dann, ja, okay, kann ich nicht so einsteigen. Zieht mich nicht so

Mike Hoge: rein wie, wenn du jetzt hier zum falschen Lager gehst, dann fiechst du was aufs Maul.

Mike Hoge: Das ist eine andere Ansage und eine direktere Beziehung und eine modernere Sprache auch.

Mike Hoge: Und da haben wir drauf gezielt. Wir wollten so ein bisschen weg von diesem Verstaubten.

Mike Hoge: Wir wollten ein bisschen was machen, was ein bisschen frischer ist,

Mike Hoge: was ein bisschen Greifbares ist, was die Leute mehr abholt.

Mike Hoge: Also, glaube ich, so für mich.

Tom Putzki: Wir wollten auch was Offenes und Ehrliches machen. Vielleicht ein Beispiel.

Tom Putzki: Ich weiß nicht, ob dich daran erinnerst, Mike. Wir haben eine Idee mal gehabt

Tom Putzki: für einen ersten Teaser-Trailer für Gothic.

Tom Putzki: Der ist nie umgesetzt worden, aber ich finde es immer noch richtig großartig.

Tom Putzki: Wir hatten uns eine wunderbare Waldlichtung vorgestellt.

Tom Putzki: Voller hervorragender, schöner, bunter Blumen.

Tom Putzki: Die Sonne strahlt drauf und eine kleine Elfe, so a.k.a.

Tom Putzki: Tinkerbell, flattert fröhlich, pfeifend, lustig von Blüte zu Blüte und ist glücklich

Tom Putzki: und alles ist schön und die Vöglein zwitschern, die Sonne scheint und von oben kommt ein dreckiger,

Tom Putzki: verschmierter, lehmbeschmutzter Springerstiefel und tritt die Elfe platt und dann kommt Gothic.

Tom Putzki: So, das war unsere Vorstellung. Das war unsere Marschrichtung.

Chris: Sehr schön.

Mike Hoge: Das ist aber facettenreich. Aber ein Aspekt ist auf jeden Fall,

Mike Hoge: es gehörte sich damals einfach so spielhistorisch gesehen, wenn du ein Rollenspiel

Mike Hoge: gemacht hast, hast du diese geschwurbelte Sprache benutzt.

Tom Putzki: High Fantasy, ja.

Mike Hoge: Das gehörte sich so. Damals war es so. Und das war ein Bruch damit, ein bewusster Bruch.

Gunnar: Es gab ja auch schon Warhammer zu der Zeit mit so Anklängen in diese Art von

Gunnar: Working-Class-Darstellung, mit ihren Orks, die so gesprochen haben,

Gunnar: wie dein englischer Arbeiter und so.

Gunnar: Aber das war was, was ja in Deutschland nicht so Fuß gefasst hat.

Mike Hoge: An mir ist es tatsächlich vorbeigegangen. Habe ich nicht gespielt zu der Zeit.

Tom Putzki: Ich erzähle mich an Warcraft und den kotzenden Ork, wenn man den oft genug angetippt hat.

Tom Putzki: Nee, aber wir wollten uns wirklich bewusst davon abheben. Also keine High Fantasy.

Tom Putzki: Das war einfach klar. Wir wollten eben was düsteres, schmutziges, dreckiges,

Tom Putzki: Aber glaubhaftes schaffen.

Mike Hoge: Wir waren ja auch Pen-and-Paper-Rollenspieler zu der Zeit.

Mike Hoge: Also wir haben ja schon mit diversen Rollenspielwelten und Systemen uns auseinandergesetzt

Mike Hoge: und jetzt nicht nur DSA, was ist ich, D&D, Han Master, Call of Cthulhu,

Mike Hoge: Shadowrun, was weiß ich, you name it.

Mike Hoge: Alles gezockt irgendwie zu der Zeit und dann hat man natürlich auch so seine

Mike Hoge: Vorlieben, man weiß, was gefällt mir, was gefällt mir nicht.

Mike Hoge: Da kann man sich auch ein bisschen einsortieren aufgrund der Erfahrung.

Mike Hoge: Also Einflüsse gab es viele, ja.

Tom Putzki: Ja, aus allen Ecken und ein bisschen Hollywood hier, ein bisschen Bücher,

Tom Putzki: Literatur da, Pen-and-Paper-Rollenspiele, andere Rollenspiele.

Tom Putzki: Also, wie gesagt, ich bewundere Richard Garriott und die Ultima-Reihe und vor

Tom Putzki: allem dann, als das Ultima Online kam.

Tom Putzki: Das hat ja nochmal die Perspektive ganz woanders hingepackt.

Tom Putzki: Also, ich bin sehr, sehr froh und dankbar für das, was er der Spielewelt gegeben hat.

Chris: Jetzt würde ich gerne nochmal zurückspringen zu dieser Gründungszeit von Perennial Bytes.

Chris: Wir haben ja jetzt über die Idee schon gesprochen, aber nochmal die Frage,

Chris: wie muss ich mir denn das vorstellen?

Chris: Also Greenwood ist zerfallen, es gibt diese Nachfolgefirmen und ihr müsstet

Chris: ja jetzt zum Beispiel mal überlegen, okay, wo ist denn unser Büro in Zukunft?

Chris: Wo gehen wir denn hin? Wo arbeiten wir?

Chris: Das ist der eine Punkt und der zweite ist, ihr müsst ja auch irgendwie Rollen

Chris: verteilt haben. Wer von uns vier macht denn jetzt was?

Tom Putzki: Genau richtig, Greenwood ist zerfallen. Die ehemaligen Chefs von Greenwood,

Tom Putzki: die ihre Anteile zu 60 Prozent an die Fundsoft verkauft haben,

Tom Putzki: haben ein Management-Buyout von der Fundsoft wieder gemacht.

Tom Putzki: Aus rechtlichen Gründen konnte Greenwood als Firma nicht weiter bestehen.

Tom Putzki: Greenwood existierte danach noch, aber nur als Label.

Tom Putzki: Und deswegen gab es dann die Aufteilung der Leute in vier verschiedene Firmen

Tom Putzki: mit der Idee, wir können uns doch gemeinsame Büroräumlichkeiten anschaffen.

Tom Putzki: Und wir haben dann tatsächlich wieder in Bochum was gefunden,

Tom Putzki: wo es dann so war, dass diese vier Firmen, die ich vorhin aufgezählt habe,

Tom Putzki: Effective Media, Better Day Communications, The Art Department und Piranha Bytes drin waren.

Tom Putzki: Jeder von den Firmen hatte einen eigenen größeren Büroraum und wir haben uns

Tom Putzki: geteilt, die Sanitäreinrichtung, die Empfangsdame, den Empfang,

Tom Putzki: die Buchhaltung, die Telefonanlage, den Server, den Meetingraum.

Tom Putzki: So, also Shared Office, wenn du so willst, aber das waren eben die vier Firmen,

Tom Putzki: die vorher eine Firma gewesen sind.

Mike Hoge: Am Bochumer Stadtpark war das?

Tom Putzki: Am Bochumer Stadtpark, absolut. In Laufweite von Planet.

Tom Putzki: Ja, und so hat das dann einigermaßen gut funktioniert.

Tom Putzki: Das heißt aber auch ganz klar, dass wir vier Hansel, die wir dann in unserem Büro saßen,

Tom Putzki: uns keine großartigen Gedanken um Dinge wie Buchhaltung und sonstiges überhaupt

Tom Putzki: machen mussten, weil das war da und dafür gab es halt immer noch Leute,

Tom Putzki: die sich aus dem Pool der ehemaligen Greenwood-Mitarbeiter herauskristallisierten.

Tom Putzki: Naja, und die Geschichte, jetzt mal abseits von Piranha Bytes,

Tom Putzki: geht natürlich auch in diese Richtung weiter und führt in eine interessante,

Tom Putzki: spannende und katastrophale Zukunft.

Mike Hoge: Bestimmt.

Chris: Ich komme gleich nochmal auf meine Rollenfrage zurück, aber eine Sache,

Chris: die mich interessieren würde, ist, er hatte das vorhin ja auch schon den Markus

Chris: Schärmehrmals erwähnt, den Geschäftsführer von Greenwood, der ja dann auch bei

Chris: euch als Geldgeber investiert war. Das liest man auch immer in der Geschichten von Gothic.

Chris: Aber dann verschwindet er aus der Erzählung und taucht erst wieder auf,

Chris: wenn es um die Phenomedia geht und Pyrania Beitz dann in den Schoß von Phenomedia

Chris: geholt wird. War das tatsächlich so?

Mike Hoge: Ja, stimmt ja auch.

Chris: Saß der aber noch mit in der Firma eigentlich?

Mike Hoge: Ja, ja, der war stiller Teilhaber. Der hat sich da nicht eingemischt in die Entwicklung.

Mike Hoge: Der hat auch unter anderem die Namensfindung von Pyrania Beitz,

Mike Hoge: hat der, glaube ich, sogar mitgewirkt.

Mike Hoge: Als wir uns überlegt haben, wie wollen wir jetzt die Firma nennen?

Tom Putzki: Weißt du?

Mike Hoge: Ich meine wohl. Ich weiß noch, dass wir da diverse bescheuerte Namensvorschläge

Mike Hoge: hin und her geschmissen haben.

Mike Hoge: Da war Markus zum Beispiel dabei und hat auch seine Sachen da in den Ring geschmissen.

Tom Putzki: Na gut, das mag sein, aber...

Mike Hoge: Ich weiß nicht, wem ich das zuschreiben soll am Ende.

Tom Putzki: Ich meine, Bert ist darauf gekommen.

Mike Hoge: Nee, Bert ist auf Gothic gekommen.

Tom Putzki: Ach, stimmt. Nee, Piranha Bytes kann ich nicht sagen.

Tom Putzki: Also ich weiß, dass es nicht mein Favorit war und ich dafür auch nicht abgestimmt habe.

Tom Putzki: Ich weiß, zwei weitere waren irgendwas mit Pyramid und ein Vorschlag war,

Tom Putzki: ich glaube, das war mein Favorit, Gorilla Games. Ich mochte das.

Mike Hoge: Ey, verloren in Raum und Zeit, ist auch egal. Auf jeden Fall,

Mike Hoge: du hast nach der Rollenverteilung gefragt. Die Frage hat sich eigentlich nicht gestellt bei uns.

Mike Hoge: Wir wussten ja, was wir können. Voneinander auch.

Mike Hoge: Also es war klar, dass der Stefan Juhl die AI-Skripte macht,

Mike Hoge: dass der Tom da die Levelmodel, dass der Alex da die Animationen macht und dass

Mike Hoge: ich da irgendwie Grafiken mache und Story und Game Design halt, ne?

Chris: GmbH braucht ja auch einen Geschäftsführer.

Tom Putzki: Ja, das ist Stefan Juhl geworden.

Mike Hoge: Der Bundeswehroffizier, der verantwortungsvolle Mensch, natürlich.

Chris: Das war bei ihm in guten Hemden.

Tom Putzki: Ja, das war absolut in guten Hemden, ja.

Gunnar: Also ich kann mir diese ganze Situation immer noch nicht so richtig vorstellen

Gunnar: aus dem Zerfallen der Greenwood.

Gunnar: Also es gab diese Anteilsverkäufe und dann geht das nicht mehr so weiter und

Gunnar: dann gründen sich da diese vier Firmen. Aber der Share ist ja bei euch beteiligt.

Gunnar: Also das ist ja euer früherer Chef. Der steigt dann halt bei euch mit ein.

Gunnar: Aber bei Art Department war er auch beteiligt, oder nicht? Und waren das dann

Gunnar: alles noch so quasi Share-Greenwood-Tochterfirmen, die da entstanden sind,

Gunnar: wo er das ein bisschen als Strippentier im Hintergrund zusammengehalten hat?

Gunnar: Oder war das doch alles eher aus den Leuten heraus entstanden?

Mike Hoge: Genau, das war ein Konglomerat von unabhängigen Firmen, bei denen der Markus

Mike Hoge: seine Finger drin hatte jeweils, auf gut Deutsch gesagt.

Mike Hoge: Und der das auch zusammengehalten hat, der auch damals schon wohl,

Mike Hoge: vermute ich, aber da habe ich gar nicht mit ihm drüber gesprochen,

Mike Hoge: wir hatten unsere eigenen Probleme, im Hinterkopf hatte, das mal zusammenzuschließen

Mike Hoge: und mit dem ganzen Laden an die Börse zu gehen.

Mike Hoge: Als gut breit aufgestellte Multimedia-Company, die in alle Richtungen Abteilungen hat oder so.

Mike Hoge: Irgendwie so eine Spinnerei dürfte damals schon bei ihm im Hinterkopf rumgeschwommen

Mike Hoge: sein, würde ich vermuten, oder?

Tom Putzki: Ja, das denke ich auch. Wir haben uns, wie gesagt, um unseren Scheiß gekümmert.

Mike Hoge: Du hast auch nicht vergessen, zu der Zeit, wie alt war ich da? 24, 23, 24.

Mike Hoge: Da bist du jung, da gründest du eine Firma, Firmengründung, keine Ahnung.

Mike Hoge: Andere Leute haben das schon tausendmal gemacht. Marco Scherte voll die Ahnung von allem.

Mike Hoge: Natürlich ränzt du dem hinterher. Der weiß Bescheid, der Mann so.

Mike Hoge: Der macht dir die Türen auf, der sagt dir, wo es lang geht.

Mike Hoge: Die GmbH-Gründung muss jetzt schnell gehen. Ja, dann kaufen wir eine, wie kaufen.

Mike Hoge: Ich dachte, die muss man irgendwie gründen und das dauert ewig.

Mike Hoge: Nee, nee, da gibt es Firmen, die haben die von einer Stange.

Mike Hoge: Du kaufst einfach GmbH 7874, nennst die um, das geht alles viel schneller. Ach so, ach so, aha.

Mike Hoge: Und dann lernt man, lernt man, lernt man und dann folgt man aber auch dann dementsprechend,

Mike Hoge: gerade in dem Alter, das darfst du ja auch nicht vergessen.

Gunnar: Ja, das ist ja völlig nachvollziehbar und ihr hattet ja nur einen unter euch

Gunnar: vier, der schon mal ein Hemd getragen hat.

Gunnar: Okay, und dann sitzt ihr da mit den Oldenburgern, die ja nun relativ weit weg sind.

Gunnar: Ihr vier kennt euch schon, für so eine Firma ein bisschen grafiklastig würde

Gunnar: ich sagen, aber mei, ihr habt ja eure unterschiedlichen Fähigkeiten,

Gunnar: jeder macht wahrscheinlich mehrere Sachen.

Gunnar: Und dann sind da die Oldenburger. Wer hat denn mit denen Kontakt gehalten?

Gunnar: War das dann über den Stefan als Programmierer oder dich, Mike,

Gunnar: als Game Designer? Wie läuft denn die Zusammenarbeit jetzt von da an?

Mike Hoge: Das hat der Stefan gemacht, das hat mich zum Teil gemacht. Um was geht es,

Mike Hoge: ist die Frage. Man arbeitet ja an verschiedenen Dingen.

Mike Hoge: Programmierer arbeiten an verschiedenen Systemen, wir arbeiten an verschiedenen Designs.

Mike Hoge: Da hat man sich dann eben so abgesprochen, wie es gerade nötig war.

Mike Hoge: Also das ist in so einem kleinen Team nicht, glaube ich, so ganz klar strukturiert,

Mike Hoge: wie du dir das jetzt vielleicht vorstellst.

Mike Hoge: Das wird dann einfach das gemacht, was anliegt, von dem der es gerade entweder

Mike Hoge: am besten kann oder der Zeit dafür hat.

Gunnar: Bei eurer Rollenaufteilung ist mir das völlig klar. Das ist ja in kleinen Teams logisch so.

Gunnar: Die Oldenburger sind ja so eine andere Größe, finde ich. Also das ist ja dann

Gunnar: auch eine eigene Firma, da werden ja dann Aufträge erteilt, wo es dann hinterher

Gunnar: Rechnungen drüber gibt oder sowas oder nicht.

Gunnar: Wie war denn das Vertragswerk mit denen gehändelt? Einfach ein Werkvertrag nach Stunden dann?

Mike Hoge: Das war ein Werkvertrag. Ein Spiel soll produziert werden mit dem Namen Blablabla,

Mike Hoge: das ungefähr so und so aussehen soll.

Mike Hoge: Und wie das halt so ist, nicht näher spezifiziert.

Gunnar: Ja, ja, schon klar, wie das dann wird. Ja, ja.

Mike Hoge: Also laufen sollte es.

Gunnar: Okay, und wie geht das dann weiter in dieser Zusammenarbeit?

Gunnar: Ihr habt erstmal vergleichsweise für so eine junge Firma viel Geld.

Mike Hoge: Wir wollten ja auch wachsen. Wir brauchten ja neue Leute. Das ist ja ein Riesenunternehmen.

Mike Hoge: Ich stelle da mal so eine Welt hin.

Mike Hoge: Und dann sind wir angefangen, so ein bisschen die Fühler auszustrecken Richtung Geldgeber.

Mike Hoge: War nicht so leicht. Dann ist Tom losgezogen und hat sich da so ein bisschen

Mike Hoge: in der Presse getummelt.

Mike Hoge: Das war auch sehr hilfreich, weil er hat ja ein paar Leute gefunden,

Mike Hoge: die sich interessiert haben für unser Machwerk und die dann für uns ein paar

Mike Hoge: Artikel veröffentlicht haben, wo wir nicht ganz dämlich aussahen.

Mike Hoge: Das wiederum hat dann dazu geführt, dass ein Geldgeber auf uns aufmerksam wurde.

Mike Hoge: Das hat auch dazu geführt, dass andere Leute auf uns aufmerksam wurden.

Mike Hoge: Zu der Zeit, das darf man ja nicht vergessen, gibt es keine Ausbildung zum Spieleentwickler

Mike Hoge: oder irgendwas in der Art. Das sind alles Quereinsteiger.

Mike Hoge: Das war der wilde Westen. Tom hat gerade gesagt, der ehemalige Bergmann bei

Mike Hoge: Greenwood, da gab es doch den ehemaligen Versicherungskaufmann und den ehemaligen

Mike Hoge: Banker, den ehemaligen Feuerwehrmann und ich weiß nicht was. You name it.

Mike Hoge: Und alle fangen da an, lustig Computerspiele zusammen zu machen.

Mike Hoge: Und dementsprechend hatten wir dann ein paar Leute bei uns auf der Matte stehen,

Mike Hoge: die gesagt haben, hey, wir wollen bei euch mitmachen.

Mike Hoge: Und denen haben wir dann gesagt, naja, also wir haben schon ein bisschen Geld,

Mike Hoge: aber wir machen das jetzt so, wir verzichten auf unser Gehalt.

Mike Hoge: Ich habe zu der Zeit meiner Frau auf der Tasche gelegen, die ist Kellnerin gewesen,

Mike Hoge: haben wir zu zweit von dem Kellnerinnen Gehalt uns irgendwie durchgeschlagen,

Mike Hoge: und haben mit dem Geld die Leute bezahlt, die wir brauchen.

Mike Hoge: Aber dafür hat es auch nicht gereicht. Also haben wir denen gesagt,

Mike Hoge: hör mal zu, ich mach dir einen Deal, du kriegst die Hälfte.

Mike Hoge: Und wenn es gut läuft, dann kriegst du den Rest.

Mike Hoge: Lässt du dich da drauf ein. Und die haben es gemacht. Und so kamen dann die

Mike Hoge: ersten Leute für halbes Gehalt zu Piranha Bytes.

Mike Hoge: Weil die 300.000 sind natürlich sonst schnell weg. Wir mussten ja irgendwie

Mike Hoge: zusehen, dass wir da irgendwie den Start hinkriegen.

Mike Hoge: Und die haben auch die Gert gesehen, by the way. Also nur mal so fürs Protokoll.

Tom Putzki: Dann habe ich die große Publisher-Runde gedreht. Wie gesagt,

Tom Putzki: dank der absolut überraschend positiven Presse, die wir damals überall erfahren haben,

Tom Putzki: haben die Publisher sich teilweise auf uns gestürzt oder ich habe mich auf sie

Tom Putzki: gestürzt, sodass sie nicht weglaufen konnten.

Tom Putzki: Alles besucht, teilweise alleine, teilweise waren wir zu zweit oder sowas.

Tom Putzki: Und letztlich, last but not least, ist dann im Februar 99 ein Publisher tatsächlich kleben geblieben.

Tom Putzki: Und das war Egmont Interactive, die frisch gegründete,

Tom Putzki: Interaktiv-Abteilung des Egmont-EH-Paar-Comic-Verlages. Und die wollten dann

Tom Putzki: uns Geld geben dafür, dass wir Gothic machen.

Mike Hoge: Ja, wir hatten 70, 80 Prozent Marktanteil an Comics, was damals lief,

Mike Hoge: konnten nicht mehr wachsen und wussten nicht, wohin mit ihrem Geld.

Mike Hoge: Da sind sie ausgerechnet zu uns gekommen.

Chris: Ihr habt nicht Nein dazu gesagt.

Gunnar: Nee.

Tom Putzki: Und wir haben auch ein paar große Kisten von Comics gekriegt.

Mike Hoge: Ja, das stimmt.

Chris: Das ist ja auch schön. Okay. Da ist euer Team schon größer gewesen zu dem Zeitpunkt,

Chris: 99, als jetzt nur die vier.

Chris: Ihr habt ja schon erzählt, da kamen dann Leute dazu, Quereinsteiger,

Chris: junge, unerfahrene Leute.

Chris: Also mein Eindruck ist, euer Team war relativ grün und die Maxime war vermutlich

Chris: learning by doing, oder?

Mike Hoge: Na klar.

Tom Putzki: Auf jeden Fall. Ich meine, kurz danach, als wir dann Publisher hatten,

Tom Putzki: ist das Team natürlich ernsthaft gewachsen. Kriegst zeitlich nicht mehr genau sortiert.

Tom Putzki: Aber da war so der Zeitpunkt, wo man einen Umzug in andere Büroräumlichkeiten,

Tom Putzki: wo mehr Platz war, auf dem Schirm hatte.

Tom Putzki: Und danach sind wir dann wirklich gewachsen, weil wir hatten ja jetzt auch die

Tom Putzki: Kohle, um andere Kollegen zu bezahlen.

Tom Putzki: Aber es waren auch immer noch sehr interessante Charaktere. Ich meine,

Tom Putzki: ein Paradebeispiel ist einfach, dass ein 17-jähriger Schüler bei uns auftauchte

Tom Putzki: und sagte, ich mache Musik.

Tom Putzki: Und dann haben wir uns tatsächlich den angeguckt und angehört.

Tom Putzki: Und das war ziemlich geil.

Tom Putzki: Und dann haben wir überlegt, sonst haben wir ihm ein Angebot gemacht,

Tom Putzki: das er nicht ablehnen konnte.

Tom Putzki: Und zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages von Kai Rosenkranz kam er dann mit

Tom Putzki: seinem Vater, weil er war ja 17.

Tom Putzki: Und so ist Kai da reingekommen.

Mike Hoge: Ja, ich weiß noch, wie der ankam. Ich hatte irgendwie den Erstkontakt,

Mike Hoge: glaube ich. Ich habe ihn gefragt, was kannst du? Und er hat gesagt, ich kann alles.

Mike Hoge: Da habe ich gesagt, okay, das ist gut, habe ich gesagt, zu jemandem können wir gebrauchen.

Mike Hoge: Aber jetzt mal Spaß beiseite. Nein, ich kann wirklich alles.

Mike Hoge: Ich kann ein bisschen programmieren, ich kann dies, ich kann das, stellt sich aus.

Mike Hoge: Stimmt. Also Kai ist vielseitig talentiert und hat das Projekt dann auch in

Mike Hoge: einigen Punkten verstärkt, nicht nur in Punkten Musik.

Mike Hoge: Er hat auch zum Beispiel die Effekte gemacht, Visual Effects gemacht und so weiter.

Gunnar: Lass nochmal zurückgehen zu der Publisher- und Finanzierungsfrage.

Gunnar: Also ihr hattet 300.000 Euro am Anfang und das ist ja schon viel Geld für eine

Gunnar: kleine deutsche Spielefirma.

Gunnar: Aber euch war klar, ihr baut jetzt was Riesiges, also braucht ihr auch mehr

Gunnar: Leute und diese 300.000 werden nicht reichen.

Gunnar: Erstaunliche Weitsicht, finde ich, für ein junges deutsches Team, ehrlich gesagt.

Gunnar: Und dann fangt ihr mit Pressearbeit an, auch wieder erstaunliche Weitsicht.

Gunnar: Das hat ja schon richtig einen Aufschlag gehabt, ganz früh. Der Rüdiger war

Gunnar: ja schon bei uns bei der GameStar, riesen Fan. Und da hattet ihr noch nicht mal einen Publisher.

Gunnar: Und dann kommt der Publisher. Und der Publisher, das war ja dann Schubox,

Gunnar: das Label von Egmont Interactive. Also das war Frank Eukämis.

Gunnar: Das ist jetzt niemand, der sich mit Spielen nicht auskennt.

Gunnar: Ehemaliger Spiele-Redakteur. Was habt ihr denn dem gesagt, wie viel Geld ihr haben wollt?

Tom Putzki: Wir haben ihm gesagt, dass wir alle reich und berühmt werden wollen,

Tom Putzki: aber es war ja nicht Frank Heukämis, mit dem wir unsere Verhandlungen gemacht

Tom Putzki: haben, sondern Shoebox kam ja erst später dazu.

Gunnar: Ach so, das war vor der Heukämis-Zeit.

Tom Putzki: Das war ein Label und zwar das gemeinsame Distributionslabel,

Tom Putzki: wenn ich das noch genau richtig hinkriege, aus Egmont Interactive und DTP.

Tom Putzki: Die haben Shoebox dafür gegründet. So, wir haben ein Publishing-Deal mit Egmont

Tom Putzki: Interactive gemacht, der frisch gegründeten Interactive-Abteilung eines langjährigen,

Tom Putzki: bedruckten Totenholz-Verlages.

Gunnar: Okay, und die kannten sich nicht so gut aus mit Spieleentwicklung und den dafür nötigen Summen, hm?

Tom Putzki: Vorsichtig formuliert, nein. Leider Gottes auch die Leute nicht,

Tom Putzki: die sie in dieser Abteilung in Egmont Interactive eingestellt haben.

Tom Putzki: Die kannten sich auch nicht so richtig gut aus. Und dann haben wir einen netten

Tom Putzki: Vertrag gemacht. Und das war schön.

Gunnar: Ja, jetzt lasst du dich alles aus der Nase ziehen. Was stand denn so drin in diesem Vertrag?

Gunnar: Also wenn du keinen Summen nennen willst, dann gibt es einen Zeitraum,

Gunnar: den ihr festgelegt habt, einen Umfang. War das ein klassischer Milestone-Vertrag?

Mike Hoge: Milestones, ja klar. Die wollten natürlich irgendwie kontrollieren,

Mike Hoge: dass wir auch vorankommen bei der Kohle, die sie uns geben.

Mike Hoge: Also haben wir einen Milestone-Plan gemacht, der auf zwei Jahre passte und sich

Mike Hoge: gut las. Stellt sich raus, wir brauchen länger.

Tom Putzki: Es stellt sich mehr als einmal raus. wir brauchen länger.

Mike Hoge: Aber die Philosophie war damals, wie ging einigen Leuten der Arsch auf und runter,

Mike Hoge: ich so, wir können nicht liefern, ne, wirklich.

Mike Hoge: Und dann habe ich gesagt, halt, stopp, warte mal, jetzt haben die schon,

Mike Hoge: ich weiß nicht genau, wie viel reingesteckt, eine Million pro Jahr ungefähr,

Mike Hoge: denke ich, zwei Millionen sollten es werden für zwei Jahre, circa,

Mike Hoge: Entwicklungskosten jetzt nur, ne.

Mike Hoge: So die Größenordnung ungefähr auf jeden Fall, die genauen Zahlen weiß ich jetzt

Mike Hoge: wirklich nicht mehr, ehrlich nicht, aber so ungefähr.

Mike Hoge: Und dann hast du zwei Millionen reingesteckt und dann kommt jemand und sagt,

Mike Hoge: ich brauche noch ein halbes Jahr. Dann kannst du entweder zwei Millionen im

Mike Hoge: Klo runterspülen und auch noch eine halbe drauflegen.

Mike Hoge: Aber ich habe mich eigentlich entspannt. Ich habe gedacht, das machen die schon. Haben sie auch gemacht.

Mike Hoge: Und dann ein halbes Jahr später, wo ist unser Spiel? Ja, wir sind schon echt

Mike Hoge: einiges weiter, aber wir brauchen noch ein halbes Jahr.

Mike Hoge: Die Logik greift wieder und wir kriegen das halbe Jahr.

Mike Hoge: Und dann wurde es eng. Dann wurden sie dann doch ein bisschen knatschig.

Mike Hoge: Und dann musste es dann in vier Monaten fertig werden. In drei Jahren,

Mike Hoge: vier Monaten, dann wird es dann aus dem Boden gestampft, das Ding.

Tom Putzki: Stimmt, das war so, wie Mike das erzählt. Das Wichtige dabei ist,

Tom Putzki: dass wir es selber nicht besser wussten.

Tom Putzki: Wenn ich zu euch zur Presse rumgekommen bin und mal wieder oder das erste Mal

Tom Putzki: einen geplanten Release-Termin euch genannt habe, war ich felsenfest davon überzeugt,

Tom Putzki: weil das war unsere Planung, so sieht das aus.

Tom Putzki: Es hat nicht funktioniert, deswegen musste der Release-Termin verschoben werden

Tom Putzki: oder ein neuer genannt werden oder oder oder. So war das auch mit unserem Publisher.

Tom Putzki: Wir haben denen unsere Sache gezeigt, was wir gemacht haben.

Tom Putzki: Natürlich, man wusste schon, wie man die Sachen vorzeigen sollte.

Tom Putzki: Sagen wir es einfach mal so, damit das auch alles einigermaßen gut aussieht.

Mike Hoge: Man hat ja auch ein bisschen rumgesponnen. Man hat ja Gott weiß was für großartige

Mike Hoge: Vorstellungen gehabt, was das für ein Spiel wird.

Mike Hoge: Und man schleppt einige von den Ideen mit über eine relativ lange Zeit,

Mike Hoge: um sich dann am Ende doch wieder aus Zeitgründen zu trennen.

Mike Hoge: Hätte man das alles ein bisschen fokussierter gemacht, hätte man auch ein besseres

Mike Hoge: Ergebnis hingekriegt bestimmt.

Mike Hoge: Ob es jetzt schneller gegangen wäre, weiß ich nicht. Wir haben uns da auch schon

Mike Hoge: gegenseitig gut auf den Füßen gestanden. Wir haben nur Sachen teilweise dreimal

Mike Hoge: neu gemacht oder so, aber learning by doing.

Chris: Wo wir schon dabei sind, dann lasst uns doch mal in so eine Post-Mortem-Situation

Chris: gehen, weil wir hatten gerade schon gesagt, aus einem 2-Jahres-Plan wird dann

Chris: ein 3,5-Jahres-Spiel letztendlich, grob gesagt.

Chris: Was ist da schiefgelaufen? Was hättet ihr anders machen müssen?

Tom Putzki: Vielleicht jemanden dabei haben, der sich damit ein bisschen auskennt,

Tom Putzki: als Projektleiter oder als CTO für die Engine, das wäre auch nicht schlecht gewesen.

Mike Hoge: Der Dieter war schon nicht schlecht, Muss man schon ihm lassen.

Tom Putzki: Nicht schlecht, aber auf der anderen Seite war er vorsichtig formuliert,

Tom Putzki: nicht sonderlich kommunikativ.

Mike Hoge: Ja, bei seinem Laden hat er einen Griff gehabt. Also er ist auf jeden Fall ein

Mike Hoge: Nazi gewesen, was Coding betrifft. Und das ist auch gut so. Sonst wäre das niemals was geworden.

Tom Putzki: Trotzdem, Zusammenarbeit knirschte des Öfteren.

Mike Hoge: Das stimmt. Echtzeitig einfach war auch nicht.

Tom Putzki: Und was wirklich auch geholfen hätte, wäre, wenn wir ein bisschen weiter nach

Tom Putzki: draußen geguckt hätten und die technischen Entwicklungen, die draußen in der

Tom Putzki: Welt abgingen, etwas mehr nachvollzogen hätten.

Tom Putzki: So von Voodoo auf 3D-FX. Das war nämlich genau mitten in unserer Entwicklungszeit.

Tom Putzki: Und das kam für uns sowas wie, oh, huch, was geht denn da ab? Und verdammt.

Tom Putzki: Und dann musste man das natürlich anpassen und adaptieren.

Tom Putzki: Und ich weiß nicht mehr wie viel, aber es hat uns Monate gekostet.

Tom Putzki: Und das kam wirklich relativ überraschend für uns. Und ich meine hier auch noch

Tom Putzki: so ein absolut gutes Beispiel.

Tom Putzki: Wir waren ja bis kurz vor Schluss der festen Überzeugung, dass unsere Steuerung

Tom Putzki: mit zehn Tasten ohne Maus das Tollste wäre,

Tom Putzki: bis der Rest der kleinen Menschheit, gerade in Form von befreundeten und zugeneigten

Tom Putzki: Journalisten, uns klar gemacht hat, sagt mal Leute,

Tom Putzki: meint ihr nicht, dass ihr vielleicht so eine Steuerung nehmen solltet, wie,

Tom Putzki: der Rest der Welt sie erwartet und erhofft. Wann war das so?

Tom Putzki: Ich würde sagen, weniger als ein halbes Jahr vor Release haben wir angefangen die Maussteuerung.

Gunnar: Du warst doch drei Monate vor Release noch mit deiner Tastatursteuerung bei

Gunnar: uns. Das weiß ich doch noch. Das war doch grotesk.

Gunnar: Die GameStar hält sich bis heute zugute, wie alle anderen Zeitschriften auch,

Gunnar: dass sie euch davon überzeugt haben.

Gunnar: Jetzt hast du die Gelegenheit, das mal klarzustellen. Wer hat denn den Impuls gegeben?

Tom Putzki: Das waren ganz klar mehrere. Aber, wie ich ja gerade in meinem Satz auch schon

Tom Putzki: gesagt habe, es waren vor allem geneigte und zugewandte Journalisten.

Tom Putzki: Egal, ob sie jetzt in München oder in Poing oder in Nürnberg,

Tom Putzki: Fürth, wo auch immer saßen, die gesagt haben, sag mal, Leute,

Tom Putzki: jetzt wacht mal ein bisschen auf.

Tom Putzki: Seit Lara Croft rausgekommen ist, haben sich die Menschen daran gewöhnt,

Tom Putzki: mit Maus und Tastatur zu spielen.

Tom Putzki: Nur ihr macht diesen Scheiß mit. Ja, aber ist doch so toll, es funktioniert

Tom Putzki: ja alles. Ist ja alles drauf ausgelegt.

Tom Putzki: Meine Fresse.

Mike Hoge: Das habe ich verbockt. Das ist meine größte Design-Sünde.

Mike Hoge: Zu glauben, dass es so etwas wie ein gewohntes Interface nicht gibt.

Mike Hoge: Die Leute machen das dann schon so, wie man sich das ausgedacht hat.

Mike Hoge: Das ist ja ein tolles Konzept.

Tom Putzki: Wir waren alle davon überzeugt. Ich meine, ich konnte das auf den Tasten spielen wie sonst was.

Tom Putzki: Man hat es ja auch nur mindestens eine Million Mal gemacht. Aber die Welt hatte recht.

Mike Hoge: Aber schön, wenn man den Luxus hat, das wirklich dann auch learning by doing

Mike Hoge: durchzuziehen. Das ist auch irgendwie geil.

Tom Putzki: Auch das war wiederum, und das ist mir sehr wichtig, immer wieder aus dieser

Tom Putzki: ganzen fast dreieinhalbjährigen Zeit, es war nie böse Absicht,

Tom Putzki: es war eher, wir wussten es nicht besser.

Chris: Ihr hattet ja auch einen Multiplayer-Modus geplant ursprünglich.

Chris: Wurde da auch dran entwickelt? Ist da Zeit reingeflossen?

Mike Hoge: Ja, bestimmt. Aber nur in den Anfängen, glaube ich.

Mike Hoge: Und dann haben wir schnell gemerkt, dass wir zu groß, also zu lange haben wir

Mike Hoge: es mitgeschleppt, das Thema im Design.

Mike Hoge: Und natürlich auch Systeme so gestaltet, dass sie leistungsfähig genug sind

Mike Hoge: dafür. Macht man das nicht, hat man eine einfachere Implementation.

Mike Hoge: Also zu lange haben wir das mitgeschleppt. Wie lange, weiß ich nicht. Auf jeden Fall zu lange.

Mike Hoge: Wir haben uns dann aber auch irgendwann nach der Hälfte der Laufzeit oder so davon getrennt.

Mike Hoge: Als wir gemerkt haben, wir schaffen den ersten Release-Termin,

Mike Hoge: den wir uns vorgenommen haben, nicht oder so, da haben wir auch gesagt, es gibt nichts.

Mike Hoge: Ich habe das auch vehement verteidigt. Ich wollte ja dieses Spiel machen und

Mike Hoge: war halt auch ein paar Jährchen jünger und ich habe das auch überhaupt gar nicht

Mike Hoge: eingesehen, warum wir jetzt irgendwie Features weggelassen werden sollten.

Mike Hoge: Das gehört auch alles jetzt gefälligst in das Spiel.

Mike Hoge: Da hatte man eine andere Sicht, glaube ich auch. Dieser eigene Reifungsprozess,

Mike Hoge: der fand ja parallel statt.

Mike Hoge: Und als wir das dann hinterher eingetütet haben, da sind wir auch mit der Kettensäge

Mike Hoge: dran gegangen und haben gesagt, okay, alles da, jetzt mal Butterweide fischen,

Mike Hoge: was fliegt jetzt und was nicht.

Chris: Warst du, Mike, denn derjenige, der die Anzahlen gemacht hat?

Chris: Also wenn du sagtest, da kommt nichts raus aus dem Spiel, das muss alles drinbleiben

Chris: und ich möchte Tastatursteuerung, hast du das dann durchgesetzt?

Chris: Warst du derjenige, der den Hut aufhatte?

Mike Hoge: Ich glaube schon, dass ich den Hut auf hatte, aber ich würde jetzt nicht sagen

Mike Hoge: durchgesetzt. Ich denke schon, dass das immer auch ein Diskussionspunkt war.

Mike Hoge: Und es gibt auch immer natürlich jemanden, der es dann besser weiß und der dir

Mike Hoge: nochmal den Kopf gerade rückt.

Mike Hoge: Also ich habe schon eine starke Vorstellung davon gehabt und habe versucht, die durchzusetzen.

Mike Hoge: Aber mit Überzeugung und nicht so per Titel.

Mike Hoge: Alex ist ja auch zum Beispiel zu mir gekommen und hat gesagt,

Mike Hoge: keine Ahnung, habe ich die Hintergrundgeschichte von Gothic irgendwie entworfen,

Mike Hoge: die Historie und alles. und habe dann versucht, irgendwie diesen Intro-Text

Mike Hoge: zu schreiben als Beispiel.

Mike Hoge: Und habe dann irgendwie riesig rumgeschwafelt, habe total ausgeholt,

Mike Hoge: habe gedacht, ich müsste alles erklären.

Mike Hoge: Und dann kommt Alex Brüggemann, der famose Fähigkeiten hatte,

Mike Hoge: Sachen wirklich einfach auf den Punkt zu bringen und hat gesagt,

Mike Hoge: ey, was machst denn du da?

Mike Hoge: Das kannst du alles streichen. Das muss anders laufen.

Mike Hoge: Der König hatte keine Wahl, er musste verhandeln, er brauchte das Erd. So, fertig.

Mike Hoge: Dann wissen die Leute Bescheid. Was erzählst du denn da von irgendwelchen Kriegen und so stundenlang rum?

Mike Hoge: Und dann ist man dann hoffentlich schlau genug drauf zu hören,

Mike Hoge: weil er hat ja einfach recht. Und so ist es ja auch gelaufen.

Mike Hoge: Also wir haben uns da gegenseitig poliert.

Tom Putzki: Ja, also was Design betrifft, hatte Mike auf jeden Fall den Hut auf,

Tom Putzki: aber wir alle vier hatten irgendwo irgendwie ein paar Fähigkeiten und die in der Kombination,

Tom Putzki: wenn wir, wenn sie nämlich an einige Sommersessions, wenn wir im Bermuda-Dreieck gesessen haben,

Tom Putzki: im Mandra zu viert und Bier getrunken haben und dann einige Dinge ausgesponnen

Tom Putzki: haben und sowas und jeder konnte auf seine ganz spezielle Art und Weise was beitragen.

Tom Putzki: Und diese Kombination war wirklich nicht so voll die Chance.

Mike Hoge: Naja, das war gut. Weltdesign zum Beispiel, diese ganze Geschichte,

Mike Hoge: Hintergrund der Welt und so was, das habe ich gemacht.

Mike Hoge: Diese ganze Weltkarte, was gibt es wo, welche Lage soll es geben,

Mike Hoge: welche Fraktionen soll es geben.

Mike Hoge: Also das ganze Setting ausgearbeitet, ja. Das war mein Hauptverantwortungsbereich,

Mike Hoge: also Game Design in dem Sinne inhaltlich zu machen.

Gunnar: Wir hatten kurz über eure Rollen gesprochen, also eure nicht vorhandenen Rollen,

Gunnar: weil jeder so ein bisschen das gemacht hat und ihr euch auch gegenseitig dann

Gunnar: stark beeinflusst habt.

Gunnar: Als ihr dann aber gewachsen seid und einen Haufen Leute dazu bekommen habt,

Gunnar: hat sich das dann geändert oder wart ihr zu viert immer noch im Austausch oder

Gunnar: hat sich das dann so departementalisiert ein bisschen?

Tom Putzki: Also mit meiner eigenen Geschichte ganz kurz.

Tom Putzki: Wir haben einen Publisher-Deal gekriegt, das war im Februar 99 und meine uhringste

Tom Putzki: Aufgabe an dem Spiel war ja nun, die Welt zu modeln, zu bauen.

Tom Putzki: Als wir uns mit dem Publisher dann finanziell neue Mitarbeiter leisten konnten,

Tom Putzki: sind relativ zügig Horst und Mario reingekommen.

Tom Putzki: Zwei Level-Modeler.

Tom Putzki: Ich habe die ein bisschen angelernt und innerhalb von, keine Ahnung,

Tom Putzki: ich sage jetzt mal drei Monaten, waren die Jungs einfach so viel besser und

Tom Putzki: schneller als ich, dass sie mich da komplett raus zurückgezogen haben. Und das war auch gut so.

Tom Putzki: Es gab immer noch genug zu tun für mich und dann kam eben auch dieser andere

Tom Putzki: Zweig der Geschichte, der da weiterging.

Tom Putzki: Man führt die Unternehmen, die wir vorhin schon mal angerissen haben,

Tom Putzki: wieder unter einem gemeinsamen Dach zusammen.

Tom Putzki: Das passierte halt im Frühjahr, Sommer 99.

Chris: Das war dann die Phänomedia?

Tom Putzki: Ja, das war die Phenomedia und die Phenomedia wurde dann in einer AG umgewandelt

Tom Putzki: und im November 99 sind wir dann an die Börse gegangen,

Tom Putzki: an einen neuen Markt, haben vier

Tom Putzki: Monate bis zum Peak des neuen Marktes und dann ging es den Bach runter.

Tom Putzki: Und in der Zeit habe ich auch meine größte Fehlentscheidung getroffen,

Tom Putzki: indem ich von der Piranha Bytes zu der Phenomedia hochgewechselt bin.

Tom Putzki: Ja, weil irgendwer sollte halt so als Marketing- und Kommunikationsleiter die

Tom Putzki: Phenomedia auch irgendwie an die Börse bringen und komischerweise sollte ich das werden.

Tom Putzki: Ja, hat ja auch funktioniert, ganz toll. Aber dafür war ich dann der Erste,

Tom Putzki: der nicht mehr bei den Piranhas saß von den Gründern und ich habe immer noch

Tom Putzki: Pressearbeit und ein bisschen anderes und nebenbei gemacht, aber ich war nicht

Tom Putzki: mehr in erster Linie Piranha, sondern ich war Phenomedia.

Mike Hoge: Ich bin auf jeden Fall froh, dass du damals dabei warst. Das kann ich dir nur sagen.

Mike Hoge: Weil ich habe damals in meiner naiven Fantasie überhaupt gar nicht gewusst,

Mike Hoge: dass man sowas wie einen Tom braucht, wenn man eine Firma hat.

Chris: Hattet ihr bei dieser Integration in Phänomedia eigentlich eine Wahl?

Tom Putzki: Natürlich. Wir hätten den ganzen Scheiß nicht mit mal brauchen. Hätten wir nicht.

Tom Putzki: Stell dir das so vor, dass die ehemaligen Chefs uns allen ehemaligen Mitarbeitern

Tom Putzki: diese Idee gepitcht haben.

Tom Putzki: Richtig mit allem drum und dran. Und ich meine, wir haben gearbeitet wie die Kesselflicker.

Tom Putzki: Viel, sehr, sehr viel. Und hatten wenig Sinn für anderes.

Tom Putzki: Aber trotzdem, wenn man irgendwann abends nach Hause kam und dann noch mal ein

Tom Putzki: bisschen Fernsehen anmachte, dann hieß es nur noch Aktien, Aktien, Aktien.

Tom Putzki: Das war ja diese Zeit vom Neuen Markt. Und Nasdaq und so weiter.

Tom Putzki: Und jede Firma mit irgendeinem dämlichen Dotcom im Namen war auf einmal unendlich viel Geld wert.

Tom Putzki: Auf jeden Fall hatte die Phenomedia, als wir dann zu Spitzenzeiten an der Börse

Tom Putzki: waren, und der Peak war im März 2000, von da an ging es dann nur noch runter.

Tom Putzki: Zu diesem Zeitpunkt, wenn ich das richtig im Kopf habe, hatte die Phenomedia

Tom Putzki: kurzfristig eine höhere Marktkapitalisierung als die Lufthansa.

Tom Putzki: Ich meine, das muss man sich mal vorstellen.

Chris: Der Neugierde halber gefragt, Geld war ja dann da bei der Phenomedia in diesem Zeitpunkt.

Chris: Aber Phenomedia war ja auch ein Publisher, wenn ich das richtig im Kopf habe.

Chris: Gab es da jemals den Gedanken, wir kaufen das bei Egmont wieder raus,

Chris: das Produkt? Oder stand das nie zur Debatte?

Mike Hoge: Die lagen ja bei uns, die Rechte.

Chris: Also ich meine jetzt nicht die Rechte am Spiel, ich meine das Publishing von

Chris: Gothic, dass man es quasi wieder ins Haus zurückholt.

Mike Hoge: Nee, das war glaube ich kein Thema, ne?

Tom Putzki: Nee, das war kein Thema und vor allem, damals war der Markt ja noch ein bisschen

Tom Putzki: simpler strukturiert, als es heute ist.

Tom Putzki: Es gab ja noch kein Steam und keine Online-Stores und so weiter,

Tom Putzki: sondern es ging um ein physikalisches Produkt.

Tom Putzki: Und du brauchtest ja nicht nur einen Publisher, der sich um die Vermarktung

Tom Putzki: gekümmert hat, sondern du brauchtest ja auch noch einen Distributor,

Tom Putzki: der sich um die Herstellung und das Packaging und so weiter kümmert mit allem drum und dran.

Tom Putzki: Du brauchtest ja eine Salesforce, die in die Medienmärkte Saturns und so weiter

Tom Putzki: der Welt ging und das Zeug da in die Regale drückte und so weiter und so weiter.

Tom Putzki: Also das waren damals hoch spezialisierte Jobs,

Tom Putzki: besetzt mit mehr oder weniger richtig guten Leuten, die das aus dem FF konnten

Tom Putzki: und für die Phenomedia sich jetzt mal eben ein Publishing-Department aufzubauen,

Tom Putzki: wo man so ganz grob gesagt schon mal 20 Leute braucht.

Tom Putzki: Nee, das war, glaube ich, nie der Fall. Wüsste ich jedenfalls nicht.

Tom Putzki: Oder ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Vielleicht wurde da auch mal am

Tom Putzki: grünen Tisch darüber gesponnen.

Tom Putzki: Und dann wurde es mal durchkalkuliert. Weil dafür brauchst du einfach Profis.

Tom Putzki: Also das kannst du oder konntest du damals nicht oder hat sich niemand zugetraut,

Tom Putzki: sowas einfach mit Neulingen oder so zu machen.

Tom Putzki: Weil dafür müsstest du dann ein gutes Team zusammenziehen.

Chris: Okay, dann kommt es also dazu, dass Egmont euch Ende 2000 die Pistole auf die

Chris: Brust setzt und sagt, jetzt muss das Ding mal fertig werden und dann sind wir

Chris: bei diesen berühmten vier letzten Monaten, die Mike vorhin schon erwähnt hat. Was ist da passiert?

Mike Hoge: Ja, dann haben wir dann das Spiel fertig gemacht.

Chris: Wie weit war es denn bis dahin?

Mike Hoge: Ich will jetzt nicht übertreiben, weil gefühlt war es so, dass wir 80 Prozent

Mike Hoge: des Contents in den letzten vier Monaten gemacht haben.

Mike Hoge: Wir haben eigentlich nur die Systeme entwickelt, die ganze Zeit.

Mike Hoge: Und dann haben wir uns auf den Arsch gesetzt, zu gut Deutsch,

Mike Hoge: und dann haben wir das da reingeprügelt, den ganzen Content.

Mike Hoge: Die Pläne gab es natürlich. Es gab die Charaktere und so weiter, etc.

Mike Hoge: Es gab das Kampfsystem, aber noch nicht alle Monster hatten Animationen und

Mike Hoge: waren richtig eingestellt.

Mike Hoge: Die Kampf-KI muss ja dann auch noch irgendwie eingestellt werden und getestet

Mike Hoge: werden und getweakt werden.

Mike Hoge: Wir hatten halt ein paar Kreaturen fertig, aber welche Anzahl von Kreaturen

Mike Hoge: in Gothic jetzt rumläuft, wüsste ich jetzt noch nicht mal.

Mike Hoge: 30 würde ich schätzen ungefähr, dass wir uns da irgendwie 5 gehabt haben und

Mike Hoge: den Rest haben wir dann in den letzten 4 Monaten hochgezogen.

Chris: Das ist ja auch erstaunlich, weil du vorhin schon sagtest, das war ja nicht

Chris: das erste Ultimatum. Und auch ihr gesagt habt, ja, wir machen das Ding jetzt fertig.

Chris: Aber das hat ja dann offensichtlich zweimal vorher nicht geklappt. Warum denn nicht?

Mike Hoge: Weil man dann anscheinend doch nicht so schnell ist, wie man gewünscht hätte zu sein.

Mike Hoge: Ich glaube auch, wieder eine gewisse Eigendynamik. Wir sind ja mit mehreren

Mike Hoge: Leuten und alle arbeiten an dem Ding.

Mike Hoge: Einer könnte sich jetzt mal hinstellen und sagen, hey, halt,

Mike Hoge: stopp, Jungs, das schaffen wir doch nie.

Mike Hoge: Aber bis dieser Punkt kommt, hast du schon eine ganze Zeit lang einfach nur

Mike Hoge: den Kopf im Arsch und bist am Arbeiten und denkst gar nicht drüber nach.

Mike Hoge: Und du machst einfach und machst und machst und machst und dann dauert es doch

Mike Hoge: länger, aber egal, mach weiter, weiter, weiter, weiter.

Mike Hoge: Wir haben ja Überstunden gekloppt, auch wie die Blöden. Wir mussten ja die ganze

Mike Hoge: Engine from scratch entwickeln, alle Systeme entwickeln und so weiter, etc.

Mike Hoge: Der Matthias Filler, Kollege von mir aus der Zeit, auch heute noch ein guter

Mike Hoge: Freund, von dem kommt der Spruch zu der Zeit, ich atme gothic, wirklich,

Mike Hoge: und das ist jetzt keine Übertreibung, wir haben mehr als 80 Stunden Wochen gemacht,

Mike Hoge: wir haben auf Spitzenzeiten 110, 120 Stunden Wochen gemacht.

Mike Hoge: Wir sind wirklich nur arbeiten gegangen, nach Hause, essen, halbe Stunde auf

Mike Hoge: der Couch, noch ein bisschen quatschen, pennen, nächsten Tag wieder arbeiten.

Mike Hoge: Also das war ein Phänomen, wieder in die Welt rauszugehen, nach der Entwicklung

Mike Hoge: dieses Spieles, durchs Bochumer beim Mutterdreieck und mehr als dieselben 20

Mike Hoge: Menschen zu sehen, das war überwältigend.

Mike Hoge: Das war wie ein Besuch auf einem anderen Planeten für mich.

Mike Hoge: Also diese Situation, ich erinnere mich da genau dran, zum ersten Mal wieder in die Stadt gehen.

Mike Hoge: Wahnsinn. Also ist halt im Modus. Man will es unbedingt mit aller Gewalt,

Mike Hoge: man hat aber dann irgendwie den Überblick verloren. Das ist so eine gewisse Eigengenomik.

Chris: Ich interpretiere das jetzt so, ihr seid auf Sicht gefahren, mehr oder weniger.

Chris: Ihr hattet immer eure unmittelbare Aufgabe vor Augen, aber es hat jemand gefehlt,

Chris: der so die weitere Perspektive hat.

Chris: Vielleicht auch die ordnende Hand von oben sozusagen. Ein Producer,

Chris: würde man vielleicht heutzutage sagen. Hat euch ein Producer gefehlt?

Mike Hoge: Naja, hätten wir einen gehabt, dann wäre es auch nicht das geworden,

Mike Hoge: was es dann geworden ist.

Mike Hoge: Das ist ja ein zweischneidiges Schwert. Ich glaube, das kann man bestimmt besser

Mike Hoge: machen, viel besser machen.

Mike Hoge: Mit der Erfahrung von heute weiß ich auch, dass es besser geht und wie es besser

Mike Hoge: geht. Zu der Zeit damals ist es ein Experiment ja gewesen.

Mike Hoge: Sowas wurde ja vorher noch nie entwickelt in der Form.

Mike Hoge: Wir haben einfach die Hürden genommen, wie sie kamen. Und uns zu spät von Ideen

Mike Hoge: verabschiedet, von denen wir vorher hätten wissen müssen, dass sie es nicht

Mike Hoge: mehr ins Spiel schaffen.

Mike Hoge: Das war einer der größten Fehler. Dass man da nicht irgendwie seine Babys früher getötet hat.

Tom Putzki: Aber nochmal, wir wussten es nicht besser.

Tom Putzki: Ja, erfahrener Producer ist richtig, aber ich stimme auch Mike absolut zu.

Tom Putzki: Wenn da jetzt über diesem Projekt, was aus diesen Köpfen entstanden ist,

Tom Putzki: von uns Vieren am Anfang plus die MedScientists dazu. Also wenn da jetzt ein

Tom Putzki: erfahrener, renommierter Producer drüber gesessen hätte, dann wäre das nie das geworden.

Tom Putzki: Der hätte auch den kreativen Prozess, die Visionen, die wir gehabt haben,

Tom Putzki: noch mit vielen Features, das wäre so von der Realität eingeschränkt worden,

Tom Putzki: dass das, was dabei rausgekommen ist,

Tom Putzki: realistischer gewesen wäre, aber bei Weitem nicht das, was es geworden ist.

Mike Hoge: Tom hat es schon richtig gesagt. Der Producer hat gefehlt, der Developer,

Mike Hoge: der Ahnung hat davon, wie man so ein Projekt angeht, der hat gefehlt.

Chris: Wenn ihr sagt, das wäre nicht das Projekt geworden, das es am Ende geworden

Chris: ist, was ist denn jetzt in Gothic drin, so wie wir es kennen,

Chris: das nur deswegen da drin ist, weil ihr so gearbeitet habt, wie ihr gearbeitet habt?

Chris: Weil da niemand gesagt hat, so jetzt mal stopp hier, Leute.

Mike Hoge: Gute Frage.

Tom Putzki: In Extremo.

Chris: Zum Beispiel.

Tom Putzki: Ganz dämliches Beispiel. Das war mein Projekt.

Tom Putzki: Und ich habe mich gegen jeden da durchgesetzt. Das wollte ich unbedingt.

Tom Putzki: Und auch gegen den Publisher und so weiter und so weiter.

Tom Putzki: Aber das ist ganz einfach gesagt legendär. Also es ist Legende geworden.

Tom Putzki: Ich meine, muss man auch ganz klar sagen, das war das erste Mal,

Tom Putzki: dass eine real existierende Band einen Live-Auftritt in einem Computerspiel hatte.

Tom Putzki: Globally, weltweit. Das gab es vorher noch nicht.

Chris: Das war toll, das ist ein wichtiger Teil von Gothic, aber ist jetzt kein definierender

Chris: Teil. Also wenn in extremo nicht drin wäre, würden wir Gothic immer noch genauso schätzen.

Tom Putzki: Du wolltest ein Beispiel haben, sowas.

Chris: Gut, fair enough.

Mike Hoge: Was viele Leute unterschätzen und was ein ganz wichtiger Faktor ist von Qualität,

Mike Hoge: in welchem Sinne du die jetzt auch immer bei Gothic definierst.

Mike Hoge: Ich will jetzt nicht irgendwie den Bogen zu weit spannen, weil ich einen Punkt

Mike Hoge: machen möchte, was Gothic zu Gothic macht, darüber können wir gleich noch reden gerne.

Mike Hoge: Nenn es mal einfach eine gewisse Qualität. Die erreichst du nur durch Zeit.

Mike Hoge: Du kannst dich nicht hinsetzen und kannst 100 Leute dran setzen,

Mike Hoge: die designen dir das schneller.

Mike Hoge: Das ist dumm, das geht nicht. Wenn du so eine Welt erschaffst,

Mike Hoge: wenn du so ein Projekt machst von der Größenordnung und von dieser Komplexität

Mike Hoge: ein Problem lösen willst, brauchst du einfach Zeit, um dann zu einer qualitativ

Mike Hoge: hochwertigen Lösung zu kommen.

Mike Hoge: Du musst mit der Idee eine gewisse Weile schwanger gehen, du musst es ein bisschen

Mike Hoge: im Kopf rumschwimmen lassen, du musst dann nach einer Zeit nochmal drüber schauen

Mike Hoge: können, du musst es nochmal verbessern können und so weiter.

Mike Hoge: Also diese ganze Welt von Gothic, so wie sie ist, hätte in kürzerer Zeit nicht entstehen können.

Mike Hoge: Nicht, wenn man parallel auch noch eine Engine entwickelt, 1000 Features entwickelt,

Mike Hoge: ein Kampfsystem entwickelt und, und, und, und, und.

Mike Hoge: Klar, auf jeden Fall, ich würde es heute besser machen. Ich würde von Anfang

Mike Hoge: an sagen, wir brauchen die drei Jahre.

Mike Hoge: Wahrscheinlich kann ich jetzt das besser abschätzen mit meiner Berufserfahrung und so weiter, etc.

Mike Hoge: Damals waren wir zu blauäugig. Wir haben auch bestimmt noch andere Fehler gemacht.

Mike Hoge: Wir haben auch bestimmt Ressourcen verschwendet. Wir haben, wie gesagt,

Mike Hoge: die Babys nicht früh getötet und so weiter.

Mike Hoge: Da könnte ich ein Buch drüber schreiben, was wir da alles falsch gemacht haben.

Mike Hoge: Aber wichtig ist auf jeden Fall die Erkenntnis, dass ein kreativer Prozess auf

Mike Hoge: diesem Komplexitätslevel, der braucht auf jeden Fall Zeit.

Mike Hoge: Punkt. Kannst du nicht sparen oder wenig.

Mike Hoge: Du kannst dich ein bisschen mehr fokussieren. Aber du weißt ja auch noch nicht

Mike Hoge: genau, wo die Reise hingeht, weil es natürlich auch noch viele weiße Flecken

Mike Hoge: auf der Karte gibt, wenn du anfängst, das Ding zu bauen. Die ist ja nicht alles

Mike Hoge: bis ins Detail klar am Anfang.

Chris: Ich übersetze es jetzt für mich mal so, dass die Idee gereift ist,

Chris: wie ich dich verstanden habe, Mike, und dass zu dem Zeitpunkt,

Chris: wo es dann hieß, jetzt muss es aber auch wirklich fertig werden in diesen letzten vier Wochen,

Chris: dass nur deswegen so gut zusammengekommen ist und nicht irgendwie eine Schimäre

Chris: geworden ist, weil zu dem Zeitpunkt alle eine klare Vorstellung davon hatten,

Chris: was das Spiel sein soll. Ist das richtig interpretiert?

Mike Hoge: Ja, also ohne die Vorbereitungszeit wäre das nicht möglich gewesen.

Mike Hoge: Ganz klar, auf jeden Fall.

Chris: Hattest du das Gefühl, dass in dem Team zu dem Zeitpunkt, wo das fertig gemacht

Chris: wurde, also in den letzten Monaten, alle eine klare Vorstellung davon haben, was Gothic sein soll?

Mike Hoge: Nein, aber die an den Bereichen gearbeitet haben, wussten, wo die Reise hingeht

Mike Hoge: in den jeweiligen Bereichen.

Mike Hoge: Also ich glaube nicht, dass zum Beispiel jeder Level-Grafiker eine klare Vorstellung

Mike Hoge: davon hatte, wie die Story jetzt aussieht oder wie die Quests aussehen oder weißt du, was ich meine?

Mike Hoge: Also nicht alle hatten einen Überblick über alles.

Mike Hoge: Nur wenige hatten einen Überblick über alles. Ich würde sagen,

Mike Hoge: keiner hatte einen Überblick über wirklich alles.

Mike Hoge: Es gab wenige, die hatten einen Überblick über relativ viel und viele,

Mike Hoge: die hatten einen Überblick über ihren Bereich. nur.

Chris: Das klingt jetzt gerade wie die Gothic 3 Story. Da scheint es ja auch so ähnlich

Chris: gewesen zu sein, dass der Überblick über dieses Megaprojekt gefehlt hat.

Chris: Was ein bisschen wie soll ich das sagen, ein bisschen komisches,

Chris: weil man sollte ja meinen, ihr hättet zum ersten Projekt eigentlich schon gelernt.

Mike Hoge: Haben wir ja. Wir haben es ja dann beim zweiten Teil bewiesen.

Mike Hoge: Wir haben den zweiten Teil in elf Monaten rausgehauen. Das müssen wir erstmal

Mike Hoge: einer nachmachen, mein Lieber.

Chris: Stimmt.

Tom Putzki: 14.

Chris: Was?

Tom Putzki: Egal.

Mike Hoge: In meinem Buch waren es elf.

Chris: Ja, das ist auch was, aus der Außensicht ist das immer leicht, sowas zu sagen.

Chris: Wenn man in solchen Prozessen und in den Firmen drin ist, ist das immer nochmal

Chris: eine ganz andere Geschichte.

Chris: Und wir hatten das zum Beispiel neulich bei Deck 13, das Thema auch.

Chris: Die ist ja auch eine Firma, die ewig existiert und die auch Schwierigkeiten

Chris: hatten, über ihre Jahrzehnte hinweg Projektmanagement richtig in den Griff zu

Chris: bekommen. Das ist eine Disziplin in der Gaming-Branche mit ihren Komplexitäten,

Chris: die wahnsinnig schwierig ist.

Chris: Ein Projekt gut zu planen und vernünftig zu managen und sowas.

Chris: Also da scheitern ja, ich würde mal sagen, die Mehrheit von Firmen scheitert

Chris: daran, bis sie das irgendwann mal auf die Reihe kriegen.

Mike Hoge: Ich habe mittlerweile eine eigene Meinung dazu, wie sowas geht.

Mike Hoge: Und eine ganz wichtige Komponente ist, starte mit einem echt kleinen Kernteam

Mike Hoge: von kompetenten wenigen Leuten in ihren einzelnen Bereichen und mach so lange

Mike Hoge: einen guten Prototypen.

Mike Hoge: Und wenn du länger brauchst, ist es egal, weil es kostet nicht viel, bevor du skalierst.

Mike Hoge: Es wird zu früh skaliert, dann wird zu viel Geld verbrannt und dann gucken alle

Mike Hoge: dann sparsam, weil irgendwann die Kohle alle ist.

Mike Hoge: Das ist ein Problem, was auch viele kleine Firmen haben. So eine One-Product-Company,

Mike Hoge: du willst ja nicht die Leute nach Hause schicken. Zum ersten ist es unfair,

Mike Hoge: weil die haben dir geholfen, das Ding da aufzubauen. Als Bedrohung kriegen sie

Mike Hoge: einen Arschtritt, soll nicht sein.

Mike Hoge: Und zweitens, such dir mal neue Leute, die gut sind.

Mike Hoge: So, und das ist klar, das hatten wir ja immer. Wir haben ja immer uns von einem

Mike Hoge: Projekt zum nächsten gehangelt und mussten dann sozusagen sofort wieder die

Mike Hoge: Anschlussfinanzierung haben.

Mike Hoge: Wir hatten noch zwischendurch mal Phasen, in denen kein Geld da war,

Mike Hoge: wo ich dann vor dem Team gestanden habe und gesagt habe, Leute,

Mike Hoge: sorry, wir haben jetzt einen Interessenten, wir verhandeln gerade, sowas zieht sich hin.

Mike Hoge: Es kann sein, dass es zwei, drei Monate keine Kohle gibt. Seid ihr damit fein?

Mike Hoge: Wenn wir jetzt das Ganze rushen, dann ziehen die uns nur noch mehr über den

Mike Hoge: Tisch. Wir kriegen bessere Ideen hin, wenn wir in Ruhe verhandeln. Geht ihr das mit?

Mike Hoge: Und die haben das auch fast alle gemacht. Man hat gesagt, nein,

Mike Hoge: meine Frau hat einen Kind gekriegt, ich kann auf keinen Fall auf Kohle verzichten.

Mike Hoge: Und dann wurde halt das Team gefragt, ist das okay, wenn der XY trotzdem sein

Mike Hoge: Gehalt kriegt? Sind damit alle fein? Ja, waren alle fein, super, alles klar.

Mike Hoge: Und dann haben wir das so gespielt. Und dann sind wir durch so manche Durststrecke

Mike Hoge: durchgekommen, das ist zwei-, dreimal in der Geschichte von Piranha Bay zugelaufen.

Chris: Also gerade bei so einer langen Entwicklung wie jetzt der von Gothic 1 zum Beispiel

Chris: über mehr als drei Jahre.

Chris: Heutzutage würde man ja auch immer sagen, die Vision ist wichtig.

Chris: Also, dass über so einen langen Zeitraum eine klare Vorstellung davon existiert,

Chris: was soll denn das Produkt sein, das da am Ende rauskommt.

Chris: Da zielt ich vorhin auch mit meiner Frage so ein bisschen hin.

Chris: Was würdest du denn sagen, Mike, hattet ihr von Anfang an eine klare Vision

Chris: davon? Oder du spezifisch, als derjenige, der ja auch so die kreative Leitung hatte.

Chris: Hattest du eine klare Vorstellung davon über diesen ganzen Zeitraum,

Chris: was das Endprodukt sein soll? Oder war das ein ständiger Wandel?

Mike Hoge: Es ist auf jeden Fall halb-halb, ja. Es ist schon eine Vision da, nicht in allen Details.

Mike Hoge: Und von einigen Ideen muss man sich verabschieden, weil man sie einfach als

Mike Hoge: schlechte Ideen identifiziert.

Mike Hoge: Und es ist auch ein bisschen Opportunismus. Viele Menschen arbeiten da dran, ja.

Mike Hoge: Zwei Monster. Geplant ist, Monster A soll ganz früh im Level vorkommen und Monster

Mike Hoge: B soll später vorkommen und schwerer sein.

Mike Hoge: Und aus irgendwelchen Gründen haben die Artists das verbockt und Monster B sieht

Mike Hoge: irgendwie total scheiße aus und total schwach und passt überhaupt nicht,

Mike Hoge: dann tausche ich die Dinger einfach aus und bin fertig damit.

Mike Hoge: Also Pragmatismus ist halt auch ein Teil der Gleichung. Das Nehmen,

Mike Hoge: was man hat und darauf das Beste bauen.

Mike Hoge: Aber im Sinne der Vision und die Vision ist natürlich diese übergeordneten Designpillars

Mike Hoge: und so weiter. Was soll es sein?

Mike Hoge: Das hatten wir schon versucht für uns da zu machen vorher. Also welcher Designphilosophie

Mike Hoge: wollen wir folgen und so weiter.

Mike Hoge: Natürlich jetzt nicht jeder Charakter am Anfang designt, natürlich noch nicht

Mike Hoge: jede Fraktion designt. Wir sind ja angefangen zu entwickeln und auch schon die

Mike Hoge: Engine zu programmieren, ohne dass es inhaltlich wirklich klar war, was wir wollten.

Mike Hoge: Also es ist schon von Anfang an ein Projekt gewesen, was on the fly zusammengeschraubt wurde.

Chris: Okay, das ist jetzt so eine Frage, die gerade irgendwie nicht reinpasst,

Chris: aber ich würde sie jetzt trotzdem kurz stellen, bevor wir dann wieder ansetzen, wo wir gerade waren.

Chris: Diese Mad Scientist-Leute, wurden die irgendwann mal integriert?

Chris: Oder ist das ewig parallel weitergelaufen?

Mike Hoge: Bis zum Ende, bis zur Fertigstellung von Gothic 1, waren die ihr eigener Laden

Mike Hoge: sozusagen, ihre eigene Abteilung. Das wollten die nie. Die wollten immer selbstständig bleiben.

Chris: Und habt ihr jemals jemanden übernommen von denen? Oder haben sich die Wege dann getrennt?

Mike Hoge: Als wir dann fertig waren, die hatten ja genau dasselbe gemacht wie alle anderen.

Mike Hoge: Die haben sich auf einen Zwei-Jahre-Entwicklungsdeal eingelassen und sitzen

Mike Hoge: dann da drei Jahre und vier Monate, wollen mal irgendwann mit ihrem Leben weitermachen.

Mike Hoge: Das sind Studenten gewesen, die gedacht haben, wir verdienen jetzt mal schön

Mike Hoge: Geld und machen mal zwei Jahre neben dem Studium da so ein Spiel und sitzen

Mike Hoge: dann da Vollzeit dran, länger als geplant und hatten dementsprechend auch eine Krawatte.

Mike Hoge: Das hat denen nicht gefallen. Sie haben es aber bis zum Ende durchgezogen.

Tom Putzki: Und was ich definitiv gelernt habe in dieser Zeit ist,

Tom Putzki: bei einem solchen Projekt niemals mehr zeitgleich eine Engine entwickelt. Nie. Never ever.

Mike Hoge: Ich muss jetzt noch mal ein bisschen was Gutes sagen auch dazu.

Mike Hoge: Ich meine, die kritischen Fragen sind gerechtfertigt, auf jeden Fall.

Mike Hoge: Und wie gesagt, heute würde ich es anders machen.

Mike Hoge: Aber jetzt zwei Jahre anzusagen und drei zu brauchen, wenn man es zum ersten Mal gesagt hat, come on.

Mike Hoge: Also so hundertprozentig unterirdisch ist es jetzt auch nicht.

Mike Hoge: Also es ist schon schlecht, aber ...

Chris: Es kommt ja immer auch darauf an, was am Ende dabei rauskommt.

Chris: Und da haben wir natürlich bei euch einen Fall, wo das Endergebnis das durchaus

Chris: gerechtfertigt hat, die Mühen.

Chris: Und mir ist auch klar, das ist ein moderner Blick da drauf. Aber ich würde euch

Chris: die Frage trotzdem gerne noch stellen, wenn wir beim Thema Crunch sind.

Chris: Mir ist bewusst, damals war das kein Thema in der Branche, insbesondere wenn

Chris: junge Leute an einem Herzensprojekt arbeiten.

Chris: Aber ihr spezifisch als Mitgründer und Firmenbesitzer und der Stefan insbesondere

Chris: als Geschäftsführer, hattet ihr keine Skrupel dabei, die ganze Mannschaft dann

Chris: festzunageln darauf, über Monate hinweg ihr Leben aufzugeben?

Mike Hoge: Die haben das freiwillig gemacht. Keinem wurde das abverlangt.

Mike Hoge: Da hat keiner irgendwie einen Cent weniger gekriegt, der keine Überstunden gemacht

Mike Hoge: hat. Das war einfach so eine stille Übereinkunft.

Mike Hoge: Ich bin auch mit Sicherheit Spitzenreiter in der Stundenliste oder zumindest unter den Top 3.

Mike Hoge: Wir haben ja nicht irgendwelche Leute da getrieben. Wir sind ja vorgerannt und

Mike Hoge: haben das gemacht, weil wir es unbedingt so gut machen wollten in der Zeit,

Mike Hoge: die wir hatten, wie wir konnten.

Mike Hoge: Und rückwirkend betrachtet ist mir klar, und das wurde mir dann auch relativ

Mike Hoge: nah nach der Entwicklung von Gothic 1 klar, als ich wieder ein bisschen Abstand

Mike Hoge: hatte und klar denken konnte, dass es absoluter Irrsinn ist,

Mike Hoge: da 100 Stundenwochen hinzulegen und sich da so hart reinzuverbeißen.

Mike Hoge: Hätte man zwei Wochen zwischendurch Urlaub gemacht, man hätte immer noch Überstunden

Mike Hoge: machen müssen, aber man hätte mit einer vernünftigen Anzahl von Überstunden

Mike Hoge: genau dasselbe Ergebnis erreicht, wenn man einfach ausgeruht gewesen wäre und

Mike Hoge: eine klare Birne gehabt hätte.

Mike Hoge: Das war so ein bisschen Kopf durch die Wand. Das muss jetzt, das muss jetzt.

Mike Hoge: Wir haben uns da richtig reingesteigert. Das ist dumm. Heutzutage passiert das nicht mehr.

Mike Hoge: Auch in den späteren Jahren bei Piranha Bytes, da war vielleicht mal ein Wochenende,

Mike Hoge: wo ich mal Leute gebeten hatte, ausnahmsweise zu kommen im Jahr.

Mike Hoge: Da hat jeder Dienst nach Vorschrift gemacht dann am Ende. Das haben wir dann im Griff gekriegt.

Tom Putzki: Ja, aber ich merke schon langsam, bei diesem Podcast ist mein Lieblingssatz,

Tom Putzki: wir wussten es nicht besser.

Tom Putzki: Und das Zweite ist, Maik hat gerade was ganz Wichtiges gesagt,

Tom Putzki: bis ich mal wieder klar denken konnte.

Tom Putzki: Das ist wirklich so gemeint. Du warst so dermaßen in diesem Ding drin,

Tom Putzki: in diesem Projekt drin, in diesem viel zu großen, umfangreichen Werk,

Tom Putzki: dass du wirklich nicht unbedingt immer klar denken konntest.

Chris: Das ist schon ganz eindrucksvoll, was das mit einem macht, so in einem Projekt drin zu stecken.

Chris: Was habt ihr denn gemacht, als das Master abgegeben war? Habt ihr irgendwie

Chris: gefeiert? Ins Bett gefallen?

Mike Hoge: Bestimmt haben wir gefeiert. Es ist schon so lange her, dass ich mich jetzt

Mike Hoge: nicht mehr an Details erinnere. Ich weiß auf jeden Fall noch,

Mike Hoge: wie ich in die Stadt gegangen bin, wie ich mir vorkam wie auf dem Mars.

Tom Putzki: Ja, und ich weiß einfach, dass ich so viele Leute wie möglich am 15.

Tom Putzki: März 2001 zusammengesammelt habe.

Tom Putzki: Und wir sind in den Saturn, in der Fußgängerzone von Gelsenkirchen,

Tom Putzki: Bahnhofstraße, gegangen und haben den Storchcheck gemacht.

Tom Putzki: Und da standen irgendwie, weiß ich nicht, ein Dutzend oder 20 Piranhas vor dem

Tom Putzki: Regal, wo dann die Stapel von unserem Spiel lagen.

Tom Putzki: Also das ist eine der wichtigsten Feiern, an die ich mich erinnere.

Chris: Wie zufrieden seid ihr mit Gothic, mit dem ersten Spiel?

Mike Hoge: Es gibt viele, viele Sachen, die ich gerne noch verbessert hätte.

Mike Hoge: Unterm Strich ist es aber für das, was es ist, finde ich gut.

Mike Hoge: Das wurde ein bisschen gebashed wegen der Bugs und so. Ja, okay,

Mike Hoge: ich bin schon zufrieden damit.

Mike Hoge: Größte Manko aus meiner Sicht an dem Titel ist, dass die Story-Dichte nach dem

Mike Hoge: ersten Kapitel so hart abnimmt.

Mike Hoge: Das ist einfach dann klar der Beschneidung zu schulden. Da hätte ich gerne noch

Mike Hoge: ein bisschen mehr gesehen.

Mike Hoge: Aber generell finde ich es schon ganz gut. Es gibt doch ein paar Game-Design-Details,

Mike Hoge: die ich rückwirkend anders entschieden hätte.

Mike Hoge: Zum Beispiel hatte Gothic 1 keine Equip-Conditions. Zum Beispiel,

Mike Hoge: wenn man da geschafft hatte, irgendwie die Typen von hinten umzuhauen und ihm

Mike Hoge: die beste Axt des Spiels abzunehmen, hätte man die beste Axt des Spiels.

Mike Hoge: Das war vielleicht nicht so schlau. Also es gibt schon ein paar Punkte,

Mike Hoge: die ich kritisiere. Unterm Strich finde ich es gut.

Mike Hoge: Also dafür, dass das das erste Ding war, was wir gemacht haben,

Mike Hoge: muss ich sagen, ja, it is what it is. kann ich mitleben.

Chris: Also das ist ja schon erstaunlich bescheiden. Dann frage ich mal andersrum.

Chris: Gothic ist ja Kult. Es gilt ja nun wirklich vielen Menschen da draußen als ein

Chris: Meisterwerk, Lieblingsspiel, hat schweren Eindruck gemacht, Generationen von

Chris: Spielern geprägt, würde ich fast sagen.

Chris: Nicht nur in Deutschland, auch insbesondere im osteuropäischen Raum.

Chris: Wie erklärt ihr euch das? Was gefällt den Menschen an Gothic?

Tom Putzki: Es ist natürlich wie immer eine Kombination von Faktoren.

Tom Putzki: Aber das wichtigste Ding ist, glaube ich nach wie vor die Welt.

Tom Putzki: Die Welt und die Atmosphäre von Gothic ist einfach etwas, was es in der Form

Tom Putzki: so noch nicht gegeben hat.

Tom Putzki: Es ist immersiv, es ist glaubwürdig, du kannst dich darin verlieren.

Tom Putzki: Du verstehst die Welt auch sehr schnell, weil, nochmal da diese Kombination

Tom Putzki: wieder mit dem Visivik-Prinzip, what you see is what you get.

Tom Putzki: Du läufst durch den Wald und in der Nähe steht ein Vieh, das ist halt doppelt

Tom Putzki: so hoch wie du und hat solche Zähne.

Tom Putzki: Ist das eine gute Idee, da jetzt weiterzugehen? Nein, das verstehst du sehr schnell.

Tom Putzki: Und was ebenfalls, glaube ich, mit dazu kommt, ist, dass die NPCs bei uns nicht

Tom Putzki: einfach nur Questgeber sind oder Metzelopfer oder, oder, oder,

Tom Putzki: sondern du guckst dir das an,

Tom Putzki: wie sie ihren Tagesablauf haben, wie sie auch mal abends chillen und einen Joint durchrauchen.

Tom Putzki: Ach ja, es war ja kein Joint, es war ja Sumpfkorn.

Tom Putzki: Und das Ganze ist believable.

Tom Putzki: Und dann fällt dir auch auf, ich bin ja einer von denen.

Tom Putzki: Ich mit meinem namenlosen, ohne großartige Geschichte versehenen Hero.

Tom Putzki: Ich bin einer von denen, weil ich kann dieselben Animationen.

Tom Putzki: Was die können, kann ich auch.

Tom Putzki: Ich kann mir auch ein Pfeifchen durchziehen. Ich kann auch trinken.

Tom Putzki: Ich kann mir Fleisch braten. Ich kann mein Schwert spielen und schleifen.

Tom Putzki: Alles, was ich die machen sehe, kann ich auch machen.

Tom Putzki: Und eine der großartigsten Spiele-Serien schlechthin ist die Witcher-Serie.

Tom Putzki: Aber Geralt ist anders. Er sieht anders aus.

Tom Putzki: Er hat andere Fähigkeiten.

Mike Hoge: Er hat eine eigene Meinung, die er dauernd kundtut auch. Er hat einen starken Charakter.

Tom Putzki: Richtig, richtig. Unser Hero ist maulfoul.

Tom Putzki: Er kann alles, was die NPCs anziehen, kann er auch anziehen. Er ist einer von denen.

Mike Hoge: Ja, das ist auch Absicht. Also der ist schon so designt, dass du ihn besetzen kannst.

Mike Hoge: Das ist auch so ein bisschen erst außer Not geboren, weil ich natürlich nicht

Mike Hoge: irgendwie, wenn ich ein Spiel mache, was komplett Sprachausgabe hat.

Mike Hoge: Das war damals auch das erste Mal, weil wir alles in Sprachausgabe machen,

Mike Hoge: nicht nur den ersten Satz, wenn du mit einem sprichst. Nein,

Mike Hoge: komplett alles bis zu Wahnsinn.

Mike Hoge: Wir müssen das alles machen. Das war ein richtiger Kampf. Das wollten die nicht.

Mike Hoge: Keiner wollte die komplette Sprachausgabe. Ich habe darauf bestanden.

Mike Hoge: Ich habe gesagt, wir müssen das machen. Das geht nicht ohne.

Mike Hoge: Das muss ja lebendig werden. Also die Lebendigkeit der Welt,

Mike Hoge: wir reden von damals, ja, heute ist das alles normal.

Mike Hoge: Die Lebendigkeit der Welt im damaligen Vergleich ist, glaube ich,

Mike Hoge: ein Punkt, dass du selbst als Teil davon funktionieren kannst als Spieler.

Mike Hoge: Ich glaube, dass du auch relaten kannst ein bisschen. Meine Frau hat das dann

Mike Hoge: später gesagt im Nachgang als einen Punkt, der war mir selber gar nicht so klar tatsächlich.

Mike Hoge: Die Idee Gothic 1 kommt unter anderem deswegen so gut an, weil sich jeder damit identifizieren kann.

Mike Hoge: Niemand will eingesperrt sein. Alle wollen ausbrechen.

Mike Hoge: Und das habe ich überhaupt gar nicht verstanden, als ich es gemacht habe. Aber das stimmt.

Mike Hoge: Ja, also das ist auch ein Faktor davon. Und ich glaube, das gibt eine ganze Kette von Gründen.

Mike Hoge: Den einen Grund wird es nicht geben. Es gibt ein paar, die mir einfallen,

Mike Hoge: unter anderem die spielerische Freiheit.

Mike Hoge: Das Spiel leitet dich nicht, zwingt dich nicht. Geh in den Wald, lass dich fressen.

Mike Hoge: Spiel nicht die Story so, wie sie vorgesehen ist. Geh zuerst in ein komplett

Mike Hoge: anderes Lager, spiel da, funktioniert nicht.

Mike Hoge: NPCs, die dich überraschen, Dinge, die du tust, wo du merkst,

Mike Hoge: da haben die Entwickler doch dran gedacht,

Mike Hoge: ja, auch bestimmte Bugs, wo sie nicht dran gedacht haben, aber eben auch viele

Mike Hoge: Orte oder Stellen, wo der Spieler überrascht wird, wo der Spieler versucht,

Mike Hoge: Grenzen auszutesten und der Entwickler zeigt ihnen, ja,

Mike Hoge: hier war ich auch, guck mal, hier haben wir dran gedacht und ist auch ein Teil davon, ja, glaube ich.

Mike Hoge: Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird und ich habe sie bis jetzt nicht

Mike Hoge: irgendwie in einen Satz komprimiert gekriegt. Aber das sind ein paar Gründe, die da zusammenkommen.

Chris: Das werden wir in unserer Podcast-Folge dann auch zu ergründen versuchen und

Chris: schauen, wie wir diese Frage beantworten können.

Chris: Aber das klingt natürlich alles sehr logisch und nachvollziehbar. Das stimmt.

Chris: Ich hätte noch eine kurze Frage in Richtung Mike.

Chris: Denn wenn ich das richtig gesehen habe, dann wolltest du als nächstes Projekt

Chris: ja gar nicht Gras-Tec 2 machen, sondern erst mal was anderes, richtig?

Mike Hoge: Es sollte einen Shooter geben mit dem Arbeitstitel Unplugged.

Mike Hoge: Und da ging es darum, dass irgendwelche Außerirdischen auf die Erde kommen,

Mike Hoge: der Menschheit in den Strom abgedreht haben und du dadurch durch die Überreste

Mike Hoge: der Zivilisation kämpfen solltest.

Mike Hoge: Das war mit... Ach du meine Güte, wir waren doch alles dabei.

Tom Putzki: Naja, das war doch diese eine Tochterfirma, die wir da auf einmal auch hatten.

Mike Hoge: Ja.

Tom Putzki: Namens Codecult. Die hatte ihre eigene Engine wieder.

Mike Hoge: Genau, dann sollte es ein Shooter sein, weil das ja dann irgendwie modern und

Mike Hoge: innen war, dass man seine Engine gefälligst mit dem Shooter präsentiert.

Mike Hoge: Und dann habe ich dann angefangen, da zu wirken. Aber dann kam ja diese Geschichte

Mike Hoge: mit dem Add-on zu Gothic, was dann hinter Gothic 2 wurde, wenn du dich erinnerst.

Tom Putzki: Ja.

Mike Hoge: Und das ging nicht. Also ich dachte, es würde von der Hälfte des Teams von Piranha

Mike Hoge: Bytes, dass Gothic 1 Add-on produziert wurde.

Mike Hoge: Und insgeheim hatten sie in der Führungsetage von Phenomedia längst beschlossen,

Mike Hoge: das als Gothic 2 zu verkaufen, weil das mehr Geld gibt.

Mike Hoge: Und ich habe nicht mir drei Jahre und vier Monate den Arsch aufgerissen,

Mike Hoge: um mir anzugucken, wie das Spiel, was ich gerade irgendwie auf die Welt gebracht habe,

Mike Hoge: sofort wieder verheizt wird im nächsten Teil, weil bei den Leuten Erwartungshaltungen

Mike Hoge: irgendwie geschürt werden, die wir nicht erfüllen können, weil wir nur ein Add-on

Mike Hoge: liefern und der Gothic 2 draufschreiben. Hallo, geht's noch?

Mike Hoge: Und dann bin ich damals zum Stefan Juhl gegangen, zum Teamleader des Add-on-Teams.

Mike Hoge: Dem war das völlig egal, glaube ich. Also ich habe dem das gesagt,

Mike Hoge: so wie ich es dir gesagt habe jetzt.

Mike Hoge: Und ich habe dann nur als Antwort bekommen, danke für dein Feedback,

Mike Hoge: Maik, das wäre dann alles.

Chris: Tja.

Mike Hoge: Ja, und das Ende vom Lied war dann, das Team wurde aufgelöst und wir haben uns

Mike Hoge: da drauf gesetzt, gesalvaged, was wir konnten und haben dann Gothic 2 gemacht.

Mike Hoge: Weil ich es ja immer so wollte. In den elf Monaten.

Mike Hoge: Und die vier Monate, die du da noch dran gedichtet hast, haben die gemacht.

Mike Hoge: Aber ich kann dir sagen, wir haben das meiste weggeworfen.

Tom Putzki: Ich weiß es. Ich habe das sehr wohl sehr gut verfolgt.

Mike Hoge: Ein unrühmliches Kapitel in meinem Leben. Mir sind einige Leute noch böse bis

Mike Hoge: heute, aber das konnte ich nicht durchgehen lassen. Dann hätte ich selber nicht

Mike Hoge: mehr ruhig schlafen können.

Chris: Okay, die ganze Geschichte um Gothic 2 erzählen wir dann in einer anderen Podcast-Folge.

Chris: Da stehen wir wieder bei euch auf der Matte in, keine Ahnung,

Chris: zwei, drei Jahren. Mal schauen.

Chris: Soweit ist. Jetzt erstmal an dieser Stelle ganz, ganz herzlichen Dank für das

Chris: lange und ausführliche Gespräch über die Entstehung von Gostek.

Mike Hoge: Ja, danke euch. War nett.

Tom Putzki: Danke für die Einladung und fahren fest.