Gespräche über alte Spiele
00:00:00: Hallo, liebe Hörerinnen und Hörer und moin Gunnar.
00:00:02: Tag, Henna.
00:00:03: Tag, Gunnar, wenn ich Ice Cream rufe, woran denkst du dann?
00:00:08: Du hast mich gar nicht vorgewarnt, dann denke ich an Eis.
00:00:12: Im Ernst?
00:00:13: Ja.
00:00:13: Okay, ich hätte gedacht, du sagst sofort Speedball 2.
00:00:18: Ach stimmt, bei Speedball 2. Das ist eins meiner Lieblingsspiele,
00:00:21: hast du richtig erkannt, aber ich hatte den Ice Cream-Schrei vergessen, das stimmt.
00:00:24: Ice Cream, Ice Cream.
00:00:28: Sowas, wie konntest du das vergessen? Das war das Einzige, was ich noch wusste vom Amiga.
00:00:32: Eins der Probleme mit meinen alten Favoritenspielen ist nämlich,
00:00:35: dass ich dann denke, ah, das könntest du mal wieder spielen.
00:00:38: Und dann denke ich, nee, lass mal aufsparen.
00:00:40: Ich werde mich gegen Christian schon durchsetzen. Da machen wir bestimmt bald
00:00:43: eine Folge drüber. Besser mal die Eindrücke frisch halten für die Folge.
00:00:46: Ja, das ist ganz weise.
00:00:48: Ja, und deswegen spiele ich viel von den alten Favoriten, die ich gerne mal
00:00:51: so spielen würde, einfach so, um sie wieder aufzufrischen. Nicht,
00:00:53: weil ich immer denke, dann machen wir bestimmt eine Folge zu.
00:00:55: Machen wir dann doch oft nicht.
00:00:56: Ja, aber zu Speedball 2 macht ihr die ganz bestimmt. Speedball 2 ist ja wirklich
00:01:00: einer der ganz wichtigen Titel auf dem Commodore Amiga.
00:01:04: Und es ist, wie gesagt, meine wichtigste, meine prägendste Erinnerung an den
00:01:08: Commodore Amiga, über den wir heute sprechen wollen.
00:01:10: Ich hatte ja damals selbst keinen, aber ein Freund hatte einen.
00:01:14: Und bei diesem Freund haben wir zusammen gerne Speedball 2 gespielt.
00:01:17: Bei mir auch, wenn er bei mir zu Besuch war, aber ich hatte ja nur ein Atari ST.
00:01:21: Und bei mir war dieses Ice Cream Sample, was da zu hören ist in Speedball 2,
00:01:26: berühmterweise nicht zu hören. Also der Atari ST hat das einfach ausgespart,
00:01:32: der Amiga hat's abgespielt.
00:01:33: Und das fand ich damals schon unverschämt und hab's nicht verstanden,
00:01:37: warum ist dieses Spiel auf dem Amiga so viel cooler als auf meinem ST?
00:01:42: Und das sagt schon eine Menge über diese Plattform, über die wir sprechen wollen.
00:01:46: Spiele waren auf dem Amiga einfach immer ein bisschen besser als anderswo.
00:01:50: Oder wie ist deine Erinnerung?
00:01:51: Na, meine Erinnerung ist auch so. Ich habe die Amiga-Phase sehr intensiv mitgenommen.
00:01:55: Nach der C64-Phase habe ich eine ganze Zeit lang den Amiga gehabt,
00:02:00: bestimmt drei Jahre als Hauptgerät.
00:02:02: Also hatte zu dem Zeitpunkt keine Konsole und auch sonst kein Spielgerät,
00:02:06: vor allen Dingen auch keinen PC und habe dann erst einen PC gekauft wegen...
00:02:10: Doom?
00:02:11: Ja, genau, wegen Doom. Wie alle anderen auch, habe ich den PC wegen Doom gekauft
00:02:15: und dann habe ich den Amiga über das nächste Jahr hinweg, wie man das so sagt, ausgeschlichen.
00:02:21: Also immer nur noch ein bisschen benutzt und irgendwann dann verkauft.
00:02:24: Ich hätte ihn mal behalten sollen, nicht doof, aber egal. Musste ich mir jetzt
00:02:27: neulich, letztes Jahr einen neuen kaufen, weil ich keinen mehr hatte.
00:02:30: Ja, ich auch.
00:02:31: Ja, so ist das halt, ey. Aber in der Zeit habe ich ihn richtig intensiv benutzt,
00:02:34: mit allem drum und dran, mit Drucker für die Uni und Textverarbeitung und so
00:02:38: Zeug. Das war halt einfach mein Rechner damals.
00:02:40: Du hast gearbeitet sogar am Amiga?
00:02:42: Ja, was man halt in der Uni arbeiten nennt. Und ich habe auch noch eine ganze
00:02:46: Weile damit weitergearbeitet, während ich auf dem PC schon Doom gespielt habe,
00:02:49: bis mir aufgefallen ist, der kann ja auch noch andere Sachen der PC.
00:02:52: Das ist ja gar keine reine Spielemaschine. Das ist ja gar keine reine Doom-Maschine.
00:02:57: Naja, zeitweise war es schon.
00:02:58: Und ich habe die ganzen Sachen mitgenommen da, die ganzen bekannten Amiga-Spiele.
00:03:02: Auch wenn ich mich offenkundig nicht mehr an alle so gut erinnere.
00:03:05: Aber ich habe nie so richtig verglichen. Eigentlich hatten die Leute,
00:03:08: mit denen ich gespielt habe, hatten alle auch ein Amiga. Also insofern waren wir alle gleich cool.
00:03:12: Ah, okay. In meinem Freundeskreis hatten die meisten einen C64 oder einen ST
00:03:18: und da war der Amiga einfach deutlich besser.
00:03:20: Das musste ich neidlos, nein, neidlos nicht, ich war voller Neid,
00:03:23: aber ich musste das auf jeden Fall anerkennen.
00:03:26: Ja, und über den Amiga wollen wir heute endlich mal sprechen.
00:03:29: Man könnte meinen, das wäre unsere dritte Commodore-Folge bei Stay Forever Technik,
00:03:33: denn wir haben ja schon den VC20 behandelt und damit auch die Entstehungsgeschichte
00:03:37: oder die Gründungsgeschichte von Commodore und dann den C64.
00:03:40: Aber ich würde sagen, Gunnar, eigentlich in gewisser Weise zumindest,
00:03:44: ist das hier nach den Folgen zum VCS und zu den 8-Bit-Computern eigentlich eher
00:03:48: die dritte Folge in unserer Atari-Reihe.
00:03:51: Und weniger die dritte Folge in der Commodore-Reihe.
00:03:54: Wieso? Dazu kommen wir gleich noch.
00:03:57: Oh, das ist ja ein Hot-Take. Das kommt ja ganz von unten.
00:04:01: Aber okay, da stecken wir mal eine Nadel rein, wie Christian immer sagt,
00:04:03: und halten diesen Gedanken mal fest, wenn wir jetzt durch die Entstehungsgeschichte des Amiga gehen.
00:04:10: Genau, der kam 1985 raus, da hatten die wenigsten von uns einen,
00:04:15: da war er auch noch nicht wirklich eine Spielemaschine und man kann sagen,
00:04:19: das ist eigentlich etwas für die Einschätzung ganz am Ende, aber man kann das
00:04:23: jetzt schon mal sagen, der hat den Computer oder die Gerätegattung des persönlichen
00:04:27: Computers erst richtig multimedial gemacht. Multimedia war vorher gar kein Thema.
00:04:32: Der hat dem PC erstmal beigebracht, überhaupt mit sowas wie Grafik umzugehen
00:04:37: oder mit digitalen Fotos, mit gesampelten Klängen, also mit richtigen Realgeräuschen,
00:04:43: sogar mit Videos etwas später.
00:04:44: Das ist also viel mehr als eine reine Spielemaschine, auch wenn die meisten
00:04:48: von uns eben darauf gespielt haben.
00:04:50: Mit Ausnahme von dir, wie ich gerade erfahren habe, du hast ja darauf gearbeitet.
00:04:53: Aber wie viel Multimedia du gemacht hast, das kannst du ja dann nachher nochmal erzählen.
00:04:57: Ja und so läutet dieser Amiga 85 ein neues Kapitel ein in der Computergeschichte
00:05:03: und in der Mediengeschichte, aber leider auch das letzte Kapitel seines Herstellers,
00:05:08: des Heimcomputergiganten Commodore.
00:05:10: Aber sein Ursprung hat dieser Amiga gar nicht bei Commodore.
00:05:15: Der ist kein Eigengewächs, keine konsequente Weiterentwicklung des C64,
00:05:19: wenn man das annehmen könnte, sondern der entsteht eigentlich anderswo und seine
00:05:23: Wurzeln liegen beim argen Konkurrenten von Commodore bei Atari.
00:05:28: Zu Atari haben wir ja nun schon zwei Folgen gemacht, daher nur nochmal ganz
00:05:32: schnell im Schweinsgalopp durch.
00:05:35: 1977, da gab es Atari schon eine Weile, da hat Atari mit dem VCS,
00:05:39: also dem Video Computer System, später bekannt als Atari 2600,
00:05:44: quasi den modernen Videospielemarkt erst begründet.
00:05:47: Es gab vorher schon Konsolen, aber das VCS war die erste wirklich relevante,
00:05:51: erfolgreiche Heimkonsole, die auf einem Mikroprozessor basiert und das war ein
00:05:56: simpler 8-Bit-Prozessor,
00:05:58: aber dadurch war die Konsole frei programmierbar und dadurch war sie nicht beschränkt
00:06:01: auf ein paar fest verdrahtete, fest eingebaute Spiele, sondern man konnte verschiedene Spielmodule,
00:06:07: also Programme einstecken und das war nicht ganz neu.
00:06:10: Es war also nicht die erste CPU-basierte Konsole, aber eben die erste wirklich relevante.
00:06:15: Und darüber hinaus war sie für ihre Zeit, für die 70er Jahre, sehr fortschrittlich.
00:06:19: Die hat sehr schnelle, flexible Sprite-Grafik unterstützt und konnte 128 Farben darstellen.
00:06:26: Das ist sagenhaft. Das haben viele Heimcomputer der 80er Jahre nicht hinbekommen.
00:06:31: C64 konnte auch nur 16 Farben.
00:06:33: Und ja, im langen Leben dieser Konsole, die bis in die 90er Jahre hinein gebaut
00:06:38: wurde, haben die Entwickler und Entwicklerinnen jedoch erstaunlich komplexe
00:06:42: Spiele entlockt mit einem Verfahren, das bekannt wurde als Racing the Beam.
00:06:47: Das haben wir in der VCS-Folge auch genauer beschrieben.
00:06:51: Nur kurz gesagt, Racing the Beam bedeutet, dass ein Programm der Konsole für
00:06:56: jede einzelne Bildzeile, die auf den Fernseher gemalt wird, neue Befehle übermittelt.
00:07:01: Und so noch während das Bild überhaupt berechnet und aufgebaut und auf den Fernseher
00:07:05: gemalt wird, das Spielgeschehen schon wieder verändert.
00:07:07: Und auf diese Weise konnte der mit nur 128-Byte-Arbeitsspeicher,
00:07:12: das ist doch recht begrenzt, konnten da sehr komplexe Spiele drauf abgespielt
00:07:16: werden, für die die Konsole ursprünglich gar nicht vorgesehen war.
00:07:19: Und das ist möglich, nicht so sehr wegen dieser 8-Bit-CPU, die ist nämlich wirklich
00:07:23: sehr schwach, sondern hauptverantwortlich dafür, dass auf dieser Konsole so
00:07:27: viel möglich war, war ein Chip,
00:07:29: ein Video-Chip, der Television Interface Adapter, TIA, das Herzstück der Konsole.
00:07:34: Und für den wiederum verantwortlich sind zwei Herren, die uns heute wieder begegnen
00:07:38: werden, die für diese Geschichte sehr relevant sind.
00:07:40: Das sind der Ingenieur Joe DeCure und sein damaliger Mentor,
00:07:45: ein anderer Ingenieur namens Jay Miner.
00:07:48: Die beiden haben also diesen Videochip entworfen und damit der Konsole zum Erfolg verholfen.
00:07:55: Und nachdem sie fertig waren mit der Entwicklung dieses Chips,
00:07:58: also noch im Jahr 1977, bevor das VCS auf dem Markt war, haben sie begonnen,
00:08:02: an einem Nachfolgechip zu arbeiten und ein Nachfolgesystem zu planen.
00:08:08: Das kam dann auch raus, aber das war keine neue Konsole, das war kein vergleichbares
00:08:13: Gerät, kein VCS 2 oder so, sondern was dann rauskam 1979 bei Atari,
00:08:18: war ein Hybrid-System, eine Mischung aus Konsole und Heimcomputer.
00:08:21: Also ein Gerät, das schon für Spiele optimiert war und auch ein Modulschacht
00:08:24: hatte, dass man also weiterhin, wie von der Konsole gewohnt,
00:08:27: Spielmodule reinstecken konnte.
00:08:29: Aber es gab auch eine eingebaute Tastatur und es gab einen Anschluss für externe
00:08:33: Laufwerke, wie bei einem richtigen Computer.
00:08:35: Und so haben die beiden Modelle, die auf dieser Basis rauskamen im Jahr 79,
00:08:39: der Atari 400 und der Atari 800 auch den gerade aufgekommenen PC-Markt bedient.
00:08:46: Und wieder einmal, genau wie beim
00:08:48: VCS zuvor, sind das die grafisch leistungsfähigsten Systeme ihrer Zeit.
00:08:52: Und wieder ist dafür nicht so sehr die CPU verantwortlich. Das ist nämlich weitgehend
00:08:56: dieselbe noch wie im VCS, sondern der Grafikchipsatz.
00:09:00: Ein sehr hochentwickelter, sehr fortschrittlicher und sehr flexibler Chipsatz,
00:09:04: der jetzt allerdings aus drei spezialisierten Chips besteht.
00:09:07: Geht aus dem Antic für die Bildschirmdarstellung, aus dem CTR,
00:09:11: der kümmert sich um Farben und die Sprites.
00:09:13: Und Pokey, der kümmert sich um Soundausgabe und Tastatureingaben.
00:09:16: Und auch das können wir mal im Hinterkopf behalten.
00:09:19: Ein Chipsatz aus drei Chips, die gemeinsam die CPU unterstützen und entlasten.
00:09:24: Das ist nämlich ein Aufbau, der uns nochmal wieder begegnen wird.
00:09:27: So, jetzt gibt es aber eine kleine Zäsur. 1979 übernimmt bei Atari ein neuer
00:09:33: CEO. Und das ist der berühmte und vielgeschmähte Ray Kassar.
00:09:38: Der kommt aus der Modebranche, der versteht nicht so viel von Computern und
00:09:42: Videospielen, ist auch nicht so in der Tiefe an der Technologie interessiert
00:09:45: und er verkennt die Bedeutung von konstanter Weiterentwicklung,
00:09:50: die in der IT notwendig ist.
00:09:52: Zumindest mal zu dieser Zeit, wo alle Sachen noch nicht so ausdefiniert sind,
00:09:55: wo man sich erst noch finden muss mit vielen Technologien.
00:09:58: Der schließt die ganze Entwicklungsabteilung, der ändert die Ausrichtung der
00:10:00: Firma und statt Technik und Innovation gilt jetzt das, was das Marketing sagt.
00:10:05: Und Atari hat aber explosives Wachstum, sieht alles super aus.
00:10:09: Sie haben zu kräftige Lizenzspiele, Space Invaders aus dem Jahr 1980.
00:10:13: Die treiben das VCS zu immer neuen Abseitsrekorden. Und die Unternehmensführung,
00:10:18: also Kassar und sein engster Zirkel, glauben, dass dieser Trend auch ohne diese
00:10:23: teure Forschung und diese Entwicklung machbar ist, dass man den auch fortsetzen kann.
00:10:28: Atari gehört mittlerweile zum gigantischen Medienkonzern Warner und der nimmt
00:10:32: wohl an, dass so eine Konsole so ein bisschen funktioniert wie so ein Plattenspieler.
00:10:36: Ja, das ist halt so eine Basis und da kann man alle naselangen neue Inhalte
00:10:40: drauflegen, aber man muss doch
00:10:42: den Plattenspieler nun wirklich nicht alle paar Jahre austauschen. Ja.
00:10:45: Und wenn ihn die Ingenieure ansprechen, um eine neue Generation von Computern
00:10:51: nach dem Atari 400, 800 zu bauen oder zu entwickeln, dann erteilt der Kassar denen eine Absage.
00:10:59: Und auch so erwischt es dem schon genannten Miner und Decure.
00:11:04: Die skizzieren bereits 1979, als Kassar überhaupt gerade erst angetreten ist,
00:11:09: einen neuen High-Power-Entertainment-Computer, wie das der Decure an seinem
00:11:14: letzten Arbeitstag in sein Notiz-Helf geschrieben hat.
00:11:16: Einen spieletauglichen Rechner auf der Basis eines neuen 16-Bit-Prozessors.
00:11:21: Und zwar so einem wie dem im gleichen Jahr eingeführten Motorola 68000 oder dem Zylog Z8000.
00:11:29: Und das ist die Grundidee des Amiga sechs Jahre bevor es einen Amiga geben wird.
00:11:36: Und meiner hat in einem Interview 1988 gesagt, das war der perfekte Zeitpunkt.
00:11:40: Sie hätten gegen niemanden antreten müssen außer gegen Apple.
00:11:43: Der IBM-PC ist in diesem Gebiet noch nicht unterwegs.
00:11:46: Und das Atari-Management hat aber abgelehnt.
00:11:49: Atari war an nichts Neuem interessiert. Atari hat eine Menge dummer Fehler gemacht, sagt meiner.
00:11:54: Und The Cure sagte zu dir im Interview, die haben mir überhaupt nicht zugehört.
00:11:59: Die wollten nichts wissen von neuer Hardware. Das kostet ja nur Geld.
00:12:02: Und da muss man auch noch neue Spiele dafür entwickeln. Das kostet alles viel
00:12:05: Zeit und Geld und Marketingaufwand.
00:12:07: Nee, nee, das lassen wir mal. Wir machen weiter mit dem VCS.
00:12:10: Das ist ja erfolgreich und das wird ewig so weitergehen, glaubt man,
00:12:14: in der Atari-Führung. Das wird ihnen noch auf die Füße fallen.
00:12:17: Aber so weit sind wir noch nicht. Jetzt sind wir noch im Jahr 1979.
00:12:21: The Cure und Miner sind also auf taube Ohren gestoßen bei der Unternehmensführung
00:12:25: und so verlassen sie Atari.
00:12:28: Es gibt unterschiedliche Angaben darüber in der Literatur, warum sie jetzt genau
00:12:31: gegangen sind. Aber es gibt wohl mehrere Gründe.
00:12:35: Also, The Cure hat zu mir gesagt, das sei vor allem passiert wegen der technischen Ahnungslosigkeit.
00:12:40: Cassars, sie sind halt Ingenieure, sie wollen was Neues entwickeln,
00:12:43: aber das dürfen sie dort nicht.
00:12:44: Aber das ist nicht der einzige Grund, sondern es bleiben damals auch Bonuszahlungen aus.
00:12:49: Also, den Ingenieuren wurden verschiedene Boni versprochen, wie auch den Spieleentwicklern bei Atari.
00:12:53: Aber all das wurde nie bezahlt. Und so fühlen sich die Entwicklerinnen und Entwickler
00:12:59: natürlich nicht wertgeschätzt.
00:13:00: Und einer nach dem anderen verlassen sie Atari. Die Cure gründet daraufhin ein
00:13:05: eigenes kleines Unternehmen, während Miner eine völlig andere Branche wechselt in die Medizintechnik.
00:13:10: Der wird jetzt allerdings nicht Zahnarztbohrer entwickeln oder sowas,
00:13:13: sondern der arbeitet weiterhin an Mikrochips.
00:13:15: Der arbeitet für ein Starjob namens Zymos, mit Z geschrieben,
00:13:19: Herzschrittmacher auf der Basis von Mikrochips.
00:13:22: Und der hat damit durchaus Erfolg und ist damit dem Vernehmen nach auch ganz
00:13:26: zufrieden und arbeitet dort in den nächsten Jahren leise vor sich hin.
00:13:31: Aber DeCure und Miner sind nicht die einzigen, die Atari verlassen,
00:13:34: sondern das trifft auch andere Ingenieure. Zum Beispiel der Entwickler des Pokechips.
00:13:38: Das ist, wir haben es ja gerade erwähnt, der Sound- und Tastatur-Controller-Chip
00:13:43: im Atari 400-800, also in den 8-Bit-Computern von Atari, die im Jahr 79 rauskommen.
00:13:49: Der heißt Doug Neubauer. Und
00:13:51: auch der geht und, wie gesagt, auch viele Spieleentwickler betrifft das.
00:13:56: Atari ist damals ja noch ein großer First-Party-Entwickler. Also die meisten
00:14:00: Spiele, die für die Atari-Konsole rauskommen, kommen auch von Atari selbst.
00:14:04: Und diese Leute, die gehen jetzt aber
00:14:06: auch. Also es gibt miserable Arbeitsbedingungen, fehlende Anerkennung.
00:14:10: Auch bei den Spieleentwicklern werden keine Boni bezahlt.
00:14:14: Die sind allesamt unterbezahlt, Obwohl ihre Spiele Millionen umsetzen,
00:14:19: kriegen die kaum etwas davon ab, diese Entwickler.
00:14:21: Und Kassar beschimpft seine eigenen Spieleentwickler auch als verwöhnte Gören an einer Stelle.
00:14:26: Also der verkennt vollkommen, wie wichtig ein Spieldesigner ist.
00:14:30: Für den sind das Fließbandarbeiter und nicht mehr. Und unter den Spieleentwicklern,
00:14:34: die Atari jetzt verlassen, ist ein Herr namens Larry Kaplan,
00:14:38: der war vorher mitverantwortlich für das Betriebssystem im Atari 400-800,
00:14:43: das ist also ein fähiger Programmierer und ein Spieleentwickler und der ist
00:14:47: ebenfalls einer der Befürworter für eine neue Konsole, für eine Konsole der
00:14:52: neuen Generation mit 16-Bit-Technik.
00:14:54: Der hat auch so etwas vorgeschlagen, nicht selbst ausgearbeitet,
00:14:57: aber dafür plädiert, dass Atari doch bitte jetzt mal eine 16-Bit-Konsole entwickeln
00:15:02: sollte, weil die 8-Bit-Technik langsam in die Jahre kommt.
00:15:05: Aber der stößt dabei eben auch auf taube Ohren, der hat keine Lust mehr für
00:15:09: Atari zu entwickeln und gründet daraufhin noch im Jahr 79 gemeinsam mit drei
00:15:13: weiteren ehemaligen Kollegen eine kleine Firma namens Activision und das ist
00:15:17: ja der erste wirklich relevante Third-Party-Entwickler.
00:15:20: Ich glaube, zu dem habt ihr auch schon mal eine Folge gemacht, oder?
00:15:22: Zur Entstehungsgeschichte von Activision, in der Folge zu Pitfall wahrscheinlich.
00:15:26: In der Folge zu Pitfall, genau, haben wir das ausführlicher besprochen, genau.
00:15:30: Die verlassen also alle Atari noch in den 70ern und in den frühen 80ern Folgen
00:15:35: weiter und Atari bleibt aber auf diesem Kurs.
00:15:38: Wir springen nun mal ganz kurz in die Zukunft. Im Jahr 84 bringt Atari dann
00:15:42: doch noch eine neue Konsole, aber es ist immer noch 8-Bit-Technik.
00:15:46: Die wird auch extern entwickelt, weil es kaum noch interne Entwickler gibt bei Atari.
00:15:50: Das ist das Atari 5200 und die floppt total.
00:15:54: Aber zu dieser Zeit wird die ursprüngliche Vision von Miner und DeCure und Kaplan
00:15:58: und den anderen, also einer 16-Bit-Konsole, anderswo Realität, außerhalb von Atari.
00:16:05: Ja, und das ist die Geschichte, die uns jetzt langsam mal zum Amiga führen wird.
00:16:09: So, und jetzt geht's weiter mit dem Kaplan. Der ist im Jahr 1982 bei Activision
00:16:16: schon wieder gelangweilt. Das müssen so ereignisreiche Jahre gewesen sein zu
00:16:20: der Zeit, was da alles abgegangen ist.
00:16:22: Dann hat er genug davon für den alten VCS zu entwickeln. Er will lieber direkt
00:16:26: gleich an Hardware arbeiten.
00:16:28: Und in einem Interview hat er erzählt, sehr viel später dann,
00:16:31: er habe im Juni 1982 einen Prototyp des Nintendo Famicom auf der CES gesehen
00:16:37: und geglaubt, das könne man doch übertreffen.
00:16:40: Und die Geschichte kann so nicht stimmen. Die ersten Famicom-Prototypen,
00:16:44: die gab es ja wohl erst im Oktober, dass die im Juni auf der CES gezeigt worden
00:16:48: sind, ist wohl eine Fehleinschätzung oder eine falsche Erinnerung.
00:16:53: Möglicherweise hat Kaplan das verwechselt,
00:16:55: weil da wurde das ColecoVision vorgestellt, auch eine Konsole.
00:16:59: Insofern ist das vielleicht die Erinnerung, aber es macht was mit ihm,
00:17:02: diese mysteriöse Konsole zu sehen.
00:17:04: Und dann trifft er sich mit einem anderen Kollegen aus Atari-Tagen,
00:17:08: an dem schon erwähnten Doug Neubauer, der Mann, der den Pokéchip gemacht hat
00:17:12: und dessen Killer-App Star Raiders.
00:17:15: Der Kaplan gibt nicht allzu viele Interviews, aber eins habe ich dann doch gefunden
00:17:18: und zwar in der Dokumentation From Bedrooms to Buildions – The Amiga Years.
00:17:22: Das ist eine sehr empfehlenswerte Dokumentation über die Amiga-Geschichte und
00:17:26: hier hören wir Herrn Kaplan persönlich, wie er von diesem Startschuss des Amiga-Projekts erzählt.
00:17:38: Die Atari noch nicht mit den 5200. Sie waren noch 400s und 800s.
00:17:43: Und Doug Neubauer hat mich auf einmal einen Tag und wir waren darüber gesprochen.
00:17:48: Und ich sagte, ich möchte Activision, ich möchte ein neues Spielsystem machen.
00:17:52: Und die beschließen dann, direkt mal eine neue Konsole zu entwickeln,
00:17:56: gleich samt passender Spiele im Jahr 1982.
00:17:59: Ja, wir sind ja immer noch total früh und wir sind immer noch auf dem Höhepunkt des VCS-Erfolges.
00:18:04: Das ist ja kein ganz schlechter Gedanke. Es gibt einen starken Konsolenmarkt
00:18:08: in diesem Jahr. Es gibt nicht viel Konkurrenz für das VCS.
00:18:10: Da kann man schon mal drüber nachdenken. Hat Nintendo ja auch getan.
00:18:13: Die brauchen allerdings noch einen passenden Architekten, der ihnen den Grafikchip entwickelt.
00:18:20: Und da kontaktieren sie J. Miner. Und Miner ist interessiert und er glaubt auch,
00:18:24: dass sein Arbeitgeber helfen kann.
00:18:26: Und dann nimmt er Kaplan und Neubauer mit zu Burt Braddock, dem Gründer von
00:18:30: Zymos. Der fragt natürlich erstmal nach einem Geschäftsplan.
00:18:33: Und dann entwickeln die drei einen solchen Plan, der den Status Quo auf dem
00:18:38: Konsolenmarkt so beschreibt.
00:18:40: Da das Atari V2S ein sechs Jahre altes Design ist, gibt es potenzielle Verbesserungen
00:18:46: in Bezug auf Farbe, Grafik, Anzahl der Spieler und Sound.
00:18:50: Das ist schon richtig, das haben sie ganz richtig eingeschätzt.
00:18:53: Ja, wobei ich mich frage, wie kommen sie auf die Anzahl der Spieler?
00:18:56: Planen sie da eine große Innovation? Jetzt wollen sie auf acht Spieler gehen
00:19:00: oder wollen sie ins Internet?
00:19:01: Online.
00:19:01: Online, ja, vielleicht, ja.
00:19:03: Ja, das ist ein bisschen komisch, weil mit dem Atari kann man ja mit vier Spielern
00:19:06: spielen. Also weiß nicht, warum das ein Problem sein soll, aber egal.
00:19:10: Und sie erwähnen auch einen aktuellen Trend, der ja noch groß werden wird.
00:19:14: Heimcomputer sind ein Vehikel zum Spielen von Videospielen. Das ist kein selbstverständlicher Gedanke.
00:19:19: Das ist ein einigermaßen visionärer Gedanke, das hier in so ein Dokument zu schreiben.
00:19:23: Die Geschäftsidee des Trios ist folgendermaßen. Der Neubauer und der Miner entwickeln
00:19:29: das Mainboard und den Chipsatz für die Konsole.
00:19:31: Kaplans Activision macht dann schön die Spiele dafür.
00:19:34: Und Zymos, die Herzschrittmacher-Leute, die machen die Herstellung von den Chips und den Modulen.
00:19:41: Das klingt ja alles ganz logisch. Braddock, der Simons-Chef,
00:19:45: ist auch interessiert. Der sucht nach Geldgebern.
00:19:47: Findet auch welche, zum Beispiel die immer wieder gerne in der frühen Technologie-Geschichte
00:19:51: genannten Zahnärzte aus Florida.
00:19:53: Da muss es so viele reiche Zahnärzte geben. Meine Herren, ey.
00:19:56: Kennen leider keine.
00:19:58: Die sind alle ausgestorben jetzt.
00:20:00: Und dann kontaktiert er noch seinen eigenen Boss, den reichen Unternehmer Orwell Wayne Rollins.
00:20:05: Das ist der Eigentümer des Herzschrittmacherherstellers Intermedix.
00:20:09: Der hat wiederum eine Mehrheit an Zymos. Und auch der ist schnell überzeugt,
00:20:14: denn die Chipfertigung, die gäbe ja den Zymos Produktionsanlagen was zu tun.
00:20:18: Die sind nämlich mit den kleinen Stückzahlen von Herzschrittmachern nicht ausgelastet.
00:20:23: Jetzt fehlt diesem Team aber noch, er ist ja eigentlich schon mal ein Dreamteam
00:20:26: technisch und so, denen fehlt aber noch ein erfahrener Geschäftsführer.
00:20:29: Und auch den finden sie jetzt.
00:20:32: Das wird David Morris, ein hochrangiger Manager des Spielzeugherstellers Tonka.
00:20:36: Der ist nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Ingenieur, hat also auch den Stallgeruch
00:20:41: für die anderen Ingenieure in diesem Team. und der versucht seinem Arbeitgeber
00:20:45: schon lange aufzuschwatzen, dass man sich jetzt mal in Richtung elektronischer
00:20:49: Spielzeuge bewegen muss.
00:20:50: Das liegt doch auf der Hand. Zum Beispiel gibt es ja den Konkurrenten Coleco.
00:20:53: Der hat ja gerade das ColecoVision gemacht, das wir schon erwähnt haben.
00:20:56: Und als der jetzt von dem Plan hört, eine neue Konsole zu entwickeln,
00:21:00: ist er überzeugt und Kaplan verlässt dann auch direkt Activision.
00:21:04: Jay Miner bleibt formell bei Zymos. Das bleibt ja auch alles im Zymos-Universum erstmal.
00:21:08: Und dann geht es los. Im September 1982 meldet das Team im kalifornischen Santa
00:21:14: Clara ein Unternehmen an.
00:21:15: Jetzt fehlt noch ein Name und ein Produkt vielleicht.
00:21:19: Vielleicht ja, aber ein Unternehmen haben sie schon mal und ein Team und ist
00:21:23: das nicht verrückt? Sind das nicht völlig andere Zeiten als heute?
00:21:26: Fünf Leute und drei Zahnärzte gründen einfach mal zusammen einen Konsolenhersteller,
00:21:32: der den Marktführer herausfordern soll.
00:21:34: Stell dir vor, du machst das heute und versuchst, Nintendo, Sony und Microsoft
00:21:37: in die Schranken zu verweisen mit so einem Team aus fünf zusammengefürfelten
00:21:42: Leuten und ein bisschen Anschubfinanzierung.
00:21:44: Ehrlich, das war auch damals utopisch. Atari war ja eine Maschine,
00:21:48: war ja auch ein großer Konzern und gehörte zu einem noch viel größeren Konzern, einem Medienkonzern.
00:21:53: Das war überhaupt nur denkbar, weil sie so klar identifiziert haben,
00:21:56: dass Atari das nicht gut macht.
00:21:58: Ja, weil Atari den Trend verschlafen hat und da sehen sie eine Chance für sich, ist schon richtig.
00:22:02: Und wenn wir jetzt nächste Woche Microsoft angreifen wollen und Sony und Nintendo,
00:22:07: müssen wir halt nur warten, bis die zehn Jahre kein neues System mehr gemacht haben.
00:22:11: Ja, ganz einfach. Gut, jetzt steht das Unternehmen, aber das Unternehmen braucht
00:22:16: eben noch einen richtigen Namen.
00:22:18: Und das ist noch nicht der Name Amiga. Der kommt erst noch.
00:22:21: Nun überlegen sich die Herren natürlich auch, wie wollen sie sich eigentlich
00:22:25: nennen. Und Kaplan hat schon eine klare Vorstellung. Der möchte sein Unternehmen
00:22:28: und auch das Produkt bezeichnen.
00:22:29: Pixel nennen, was ein hübscher Name ist für das, was sie vorhaben.
00:22:32: Die Geräte sollen dann Pixel Systems heißen.
00:22:35: Drei Modelle ziehen sie in Erwägung, skizzieren sie so erstmal,
00:22:39: die Spezifikationen und mögliche
00:22:41: Preise und so weiter, alle basierend auf dem 8-Bit-Prozessor 6502.
00:22:45: Also das ist noch nicht die nächste Generation, aber sie könnte es werden mit
00:22:49: Hilfe der nötigen Chipsatztechnik von J-Minor. Jedenfalls, was sie da in Erwägung
00:22:54: ziehen, das sind drei verschiedene Konsolen, die die Codenamen der Familie von Kaplan bekommen.
00:23:00: Also die Vornamen seiner Frau und seiner zwei Söhne. Seine Frau liefert den
00:23:04: Codenamen für das Topmodell Sue.
00:23:07: Die kriegt 64 Kilobyte RAM. Benji kriegt nur 16 und der kleine Dave kriegt nur 2 Kilobyte.
00:23:13: Also viel mehr ist da auch noch nicht in der Planung.
00:23:17: Aber sie haben zumindest schon mal einen Zeitplan. Die Arbeit an den nötigen
00:23:20: Chips, also dem Chipsatz, der diese CPU unterstützen soll und den zugehörigen
00:23:24: Platinen soll abgeschlossen sein im Oktober 1983.
00:23:28: Also etwa ein Jahr später und die fertige Konsole, sagt der Plan,
00:23:32: soll dann im Januar 1984 mit passenden Spielen auf der CES in Las Vegas vorgestellt werden.
00:23:39: Das ist schon ziemlich ambitioniert, aber die halten das für realistisch.
00:23:43: Es ist nicht so ganz klar, ob sie drei Konsolen parallel auf den Markt bringen
00:23:47: wollen oder nur eine davon, nur Sue oder nur Benji.
00:23:50: Aber das spielt auch keine Rolle, denn so kommt es nicht.
00:23:53: Und die Geräte werden auch nicht Pixel Systems heißen und die Firma wird auch
00:23:56: nicht Pixel heißen, denn es stellt sich heraus, der Name ist schon vergeben.
00:23:59: Ich kenne das, ich habe es ja an anderer Stelle schon mal erzählt.
00:24:02: Ich hatte mal einen Job, in dem es zu meinen Aufgaben gehörte,
00:24:05: mir Produktnamen auszudenken.
00:24:06: Und das ist ein wahnsinnig undankbarer Job, denn wirklich alle coolen und beschreibenden,
00:24:11: also sprechenden Namen, die man sich auch merken kann und die Google-freundlich sind ...
00:24:16: Die sind längst vergeben. Also da muss man auf irgendwas anderes zurückgreifen,
00:24:20: was halt noch frei ist und das klingt in der Regel dann bescheuert.
00:24:22: Und so kommt es auch hier.
00:24:24: Das Startup wird also im September 82 eingetragen und gegründet unter einem
00:24:29: anderen Namen, nicht als Pixel, sondern als High Toro mit einem Bindestrich.
00:24:34: Ja, das meinen die Gründer würde wahrscheinlich so viel heißen wie hoher Stier,
00:24:39: obwohl das keine präzise Übersetzung ist.
00:24:41: Toro ist tatsächlich das spanische Wort für Stier, aber Hai ist jetzt nicht
00:24:45: unbedingt reines Spanisch.
00:24:47: Selbst ausgedacht haben sie sich diesen Namen aber auch nicht.
00:24:50: Sondern dieser Name existiert schon. Das ist eine existierende Mantelgesellschaft,
00:24:55: also eine produktlose und zwecklose Firma.
00:24:57: Das ist ja eine übliche Praxis, dass man einfach schon mal Firmen gründet,
00:25:01: um den ganzen Papierkram zu erledigen und dann kann man später diese Firma mit
00:25:05: einem Zweck versehen, wenn man dann ein passendes Produkt hat und dann geht das ganz schnell,
00:25:08: dann kann man das Produkt schneller auf den Markt bringen und die ganzen formellen
00:25:12: und rechtlichen Dinge, die sind dann schon geklärt.
00:25:16: Also das ist eine Mantelgesellschaft, die schon existiert und die gehört dem
00:25:19: schon erwähnten Finanzier, dem schwerreichen Herrn Rollins, dem auch die Firma Intermedix gehört.
00:25:25: Und der wiederum hat eine Investmentfirma für solche Technikspielereien und
00:25:29: Investitionen, die heißt Hightech Ventures und zu Hightech Ventures gehört eben
00:25:34: Hightoro, die existiert schon seit März 82,
00:25:38: aber ohne eindeutigen Geschäftszweck und Hightoro wird jetzt einfach zweckentfremdet
00:25:43: und zum Mantel dieses neuen Konsolen-Startups.
00:25:47: Ja, aber jetzt ist noch eine Personalie zu klären. Die brauchen noch einen Vorstandsvorsitzenden.
00:25:52: Sie haben zwar eigentlich schon einen Geschäftsführer, den Dave Morse,
00:25:55: aber sie wollen trotzdem noch ein bisschen prominente Unterstützung.
00:26:00: Und da hat sich Morse auch jemanden ausgesucht. Eine nicht unbekannte Person namens Nolan Bushnell.
00:26:05: Das ist der Atari-Mitgründer und auch der jahrelange Präsident von Atari.
00:26:08: Der hat sein eigenes Unternehmen 1979 auch schon verlassen, so wie so viele
00:26:13: andere, im Streit mit der neuen Unternehmensführung rund um Ray Kassar.
00:26:17: Der ist also frei, der macht diverse andere Dinge und Kaplan nimmt dann auch
00:26:22: im Oktober mit seinem alten Boss, mit Nordenbuschnell, Kontakt auf.
00:26:26: Er ruft ihn an im Oktober 82 und
00:26:28: fragt ihn, hey, möchtest du nicht bei uns Vorstandsvorsitzender werden?
00:26:32: Wir revolutionieren hier mal wieder den Konsolenmarkt. Aber Bushnell,
00:26:35: der ist ja bekannt dafür, dass er Menschen gut umwerben kann.
00:26:41: Der ist sehr charmant und überzeugend und der schafft es im Gespräch mit Kaplan,
00:26:45: den Spieß umzudrehen und der zieht im Gegenzug Kaplan zu sich.
00:26:49: Also statt sich Hightoro anzuschließen, wirbt Bushnell einfach mal Kaplan ab
00:26:54: und überzeugt ihn davon, sich ihm anzuschließen und verspricht ihm,
00:26:57: ja, wir könnten noch gemeinsam viel besser eine neue Konsole entwickeln.
00:27:01: Daraus wird nichts, Bushnell wird keine neue Konsole entwickeln,
00:27:04: aber trotzdem ist Kaplan jetzt erstmal weg.
00:27:08: Dieser Kaplan, der ist unheimlich sprunghaft offenbar. Wir erinnern uns,
00:27:11: der ist gerade von Atari weggegangen, dann von Activision und jetzt nach ein
00:27:15: paar Wochen verlässt er auch Hightoro schon wieder.
00:27:18: Und da sein alter Freund nicht dabei ist, also Kaplan weg ist aus dem Projekt,
00:27:23: verlässt jetzt auch Neubauer dieses junge Unternehmen.
00:27:26: Also falls ihr die ganze Zeit mitgeschrieben oder euch all diese verschiedenen
00:27:30: Namen gemerkt habt, könnt ihr gleich alle widerstreichen.
00:27:32: Kaplan spielt keine Rolle mehr, Neubauer spielt keine Rolle mehr,
00:27:36: Bushnell wird im weiteren Verlauf dieser Geschichte keine Rolle mehr spielen
00:27:39: und Spoiler, auch Busser.
00:27:41: Benji, Dave und Sue werden keine Rolle mehr spielen.
00:27:45: So wie auch der Name Hightoro nicht bestehen bleibt, da kommt gleich noch ein anderer.
00:27:50: Ja, also das sieht nicht so gut aus. Hightoro hat noch gar nicht so richtig
00:27:54: mit der Arbeit an einer neuen Konsole begonnen und schon stehen sie ohne technisches
00:27:58: Personal da. Denn eigentlich sollten ja Neubauer und Kaplan gemeinsam die Hardware
00:28:03: entwickeln und auch ein bisschen die Spiele.
00:28:05: Und der J-Minor, der ist eigentlich ja nach wie vor festangestellt bei Zymos.
00:28:11: Das heißt, der wäre nur ein externer Zuarbeiter oder ein Vertragspartner,
00:28:15: aber der ist kein Angestellter bei Hytoro.
00:28:18: Aber jetzt hat Hytoro eben keinen einzigen Ingenieur mehr und da müssen sie
00:28:22: dann doch umdenken und den Minor ins Boot holen.
00:28:26: Das ist jetzt ja auch die einzige Lösung. Das ist ja der einzige,
00:28:29: den Sie überhaupt noch kennen.
00:28:31: Ja.
00:28:31: Den Sie noch haben. Und Morse geht jetzt hier in die Offensive und bietet ihm
00:28:35: die technische Leitung bei Hightower an.
00:28:37: Meiner sieht dann damit seine Chance, jetzt doch noch seinen Traum zu verwirklichen,
00:28:41: den mit der 16-Bit-Konsole, wir erinnern uns, und akzeptiert das Angebot.
00:28:45: Aber er stellt drei Bedingungen.
00:28:47: Erstmal, wir lassen den 8-Bit-Quatsch. Wir machen ein 16-Bit-Modell.
00:28:52: Ha, jetzt kann er sich nämlich durchsetzen. Und zweitens, das Gerät muss sich
00:28:55: zu einem vollwertigen Computer erweitern lassen.
00:28:58: Solange es aber in einer abgespeckten und kostgünstigen Version als reine Videospielkonsole
00:29:02: verkauft werden kann, waren Dave Morse und seine Leute, die Geldgeber,
00:29:06: die Zahnärzte auch zufrieden, sagte meiner später.
00:29:09: Und solange es erweiterbar ist und damit auch ein High-Level-Heimcomputer werden
00:29:13: konnte, war er zufrieden.
00:29:15: Also sehr diplomatisch alles gelöst mit der Idee, daraus dann verschiedene Modelle zu machen.
00:29:20: Und die dritte Bedingung ist die wichtigste. Der Miner will seine Hündin Mitchie
00:29:25: mit ins Büro nehmen dürfen.
00:29:26: Offenkundig ist das damals nicht üblich gewesen, nicht so wie heute.
00:29:30: Morris akzeptiert alle drei Sachen. Mitchie wird sogar so eine semi-offizielle
00:29:35: Mitarbeiterin mit eigenem Namensschild an der Bürotür. Und dann geht's weiter.
00:29:39: Miner braucht aber neben der Mitchie noch weitere Mitarbeiter.
00:29:43: Und dann wirbt er bei Apple einen Mann ab, einen Ingenieur namens Ronald Nicholson.
00:29:49: Das ist ein Mitglied an diesem illustren Entwicklerteam, das am Macintosh arbeitet.
00:29:54: Und das ist ja so ein Wundercomputer zu der Zeit, denkt man.
00:29:58: Der basiert auch auf einem 16-Bit-Prozessor.
00:30:00: Aber für Nicholson geht das in die falsche Richtung. Der will lieber ein günstigeres
00:30:05: farbtaugliches Modell haben.
00:30:07: Und Steve Jobs lehnt das kategorisch ab.
00:30:10: Farbe? Nee, keinesfalls. Und bei Hightower kann er dann eine 16-Bit-Maschine
00:30:16: machen mit Farbe. Das liegt ihm mehr.
00:30:18: Und der Nicholson kümmert sich dann auch um das Mainboard und die Systemarchitektur.
00:30:22: Im Oktober 82 sind wir jetzt und dann macht Meiner einen weiteren Anruf und
00:30:27: er ruft seinen alten Kollegen Joe DeCure an aus Atari-Tagen,
00:30:31: dessen Start-up braucht dringend Geld.
00:30:33: Und nun werden Meiner und DeCure doch noch ihren alten Plan umsetzen,
00:30:37: wie ihn Dick Juer 1979 ja in seinem berühmten, berühmten Notizbuch festgehalten hat.
00:30:43: Er wird allerdings kein fester Mitarbeiter bei Hytoro, sondern bleibt externer
00:30:47: Berater und arbeitet am Chipsatz-Design mit.
00:30:50: Und in den nächsten Monaten wächst das Team dann weiter. Sie bauen auch ein Software-Team auf.
00:30:54: Die meisten neuen Mitarbeiter sind viel jünger als meiner, der ist ja zu dem
00:30:57: Zeitpunkt bereits 50 Jahre alt.
00:31:00: Erfahrene Ingenieure kann sich das Startup einfach nicht leisten.
00:31:03: Das ist einfach erstmal eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Leuten.
00:31:06: Der Meiner beschreibt seine Kollegen später als ziemlich seltsam und sagt,
00:31:12: es gab Männer, die kamen in lila Strumpfhosen und roten Hasenpantoffeln zur Arbeit.
00:31:17: Aber wir sind hier in der IT, da zählen Ergebnisse mehr als Etikette und es
00:31:24: war ja vielleicht auch just diese Art lockerer Arbeitsatmosphäre,
00:31:28: die Atari groß gemacht hat damals,
00:31:30: bevor dann Kassar übernahm und einen Dresscode einführte.
00:31:34: Und meiner dann ja damit auch vertrieben hat insgesamt.
00:31:38: Die meisten jungen neuen Kollegen heuern allerdings nicht mehr bei Hightoro
00:31:43: an, denn schon Ende 82 erhält die Firma einen neuen Namen. Endlich.
00:31:48: Ja, endlich. Niemand mag diesen Namen. Also rückblickend behaupten das alle,
00:31:52: sie hätten den von Anfang an nicht gewollt und Kaplan hat sowieso mal gesagt,
00:31:55: das sei ohnehin nur eine temporäre Lösung gewesen, bis wir was Besseres finden.
00:31:59: Jedenfalls kommt hinzu, dass Toro auch der Name eines japanischen Rasenmäherherstellers
00:32:04: ist. Den gibt es auch nach wie vor.
00:32:06: Und man möchte einen modernen Supercomputer nicht unbedingt verbunden wissen
00:32:10: geistig mit einem Rasenmäher.
00:32:12: Das passt nicht so richtig, die Assoziation, die da geweckt wird.
00:32:15: Und so steht dann auch zum Jahresende 82 fest, das Startup braucht einen neuen
00:32:20: Namen und damit auch das Gerät, das dort entsteht. Dieser neue Name wird jetzt
00:32:24: also gesucht und der soll im Telefonbuch möglichst vor den großen Konkurrenten
00:32:28: stehen, vor Apple und Atari.
00:32:30: Und zweite Vorgabe, er soll freundlich klingen, also nicht so technokratisch,
00:32:34: nicht so abstrakt wie andere Computernamen zu dieser Zeit.
00:32:37: Und so werden einige hundert Vorschläge auf ein großes Flipchart geschrieben und diskutiert.
00:32:43: Und irgendwann bringt irgendjemand, es ist nicht überliefert wer,
00:32:46: den Namen Amigo ins Spiel.
00:32:48: Das ist wieder ein spanisches Wort und das Wort für Freund.
00:32:52: Der Name setzt sich dann auch durch, wenn auch nicht als Amigo,
00:32:55: sondern in seiner weiblichen Form als Amiga, die Freundin.
00:33:00: Meiner ist damals kein Fan dieses Namens, das hat er später mal gesagt.
00:33:04: Ein Zitat von einem Auftritt 1990, da sagt er, ich dachte einen spanischen Namen
00:33:09: zu nutzen war keine gute Entscheidung.
00:33:12: Denn Menschen mit hispanischem Hintergrund, die wären ja in der Regel nicht
00:33:15: jene mit höherem Einkommen, die man mit dem Amiga erreichen wolle.
00:33:19: Das ist jetzt nicht unsere böswillige Interpretation, sondern das sagt er selber so.
00:33:23: Da schwingt ein bisschen Rassismus mit, muss man sagen.
00:33:27: Trotzdem erfügt sich dann sehr schnell und akzeptiert es, aus Hightoro wird
00:33:32: also Amiga Inc., so heißt dann die Firma. Ja und auch die entstehende Maschine,
00:33:36: an der sie ja nun arbeiten, erhält einen weiblichen Namen.
00:33:40: Das ist aber zunächst mal nur ein Codename, ein Entwicklungsprojektname.
00:33:44: Lorraine heißt der Prototyp, der jetzt entsteht. Wieder nach einer verwandten,
00:33:48: nach Dave Morrises Frau, die auf diese Weise verewigt wird.
00:33:53: Frauennamen als Codenamen für Prototypen zu verwenden, das hat Tradition.
00:33:58: Bei Atari war das auch schon so, das VCS hieß während der Entwicklung Stellar
00:34:02: und die Modelle 400 und 800, die hießen Candy und Colleen.
00:34:06: Das sind alles Namen von Mitarbeiterinnen von Atari gewesen.
00:34:10: Nun sind wir also bei der Entwicklung von Lorraine, aber die Entwicklung von
00:34:15: Lorraine ist teuer, Denn die ganzen neuen
00:34:17: Mitarbeiter, die zehren die Anschubfinanzierung, die sie bekommen haben,
00:34:21: durch Intermedics und Hightech Ventures und die anderen Geldgeber wie die Zahnärzte sehr schnell auf.
00:34:27: Personal ist teuer und so muss Amiga jetzt auf anderem Wege Geld verdienen und
00:34:32: andere Produkte auf den Markt bringen, bevor
00:34:34: eines Tages also diese Superkonsole-Superheimcomputer fertig sein wird.
00:34:40: Was von beiden es eigentlich ist, dazu kommen wir gleich noch,
00:34:42: das ist eine etwas schwierigere Frage.
00:34:44: Vielleicht seid ihr auch schon ein bisschen verwirrt, dass wir mal von Computern
00:34:47: sprechen und mal von Konsolen. Das wird gleich noch entschieden.
00:34:50: Aber jetzt braucht Amiga erstmal ein Übergangsprodukt, um ein bisschen Geld zu verdienen.
00:34:54: Genau, weil sie sind ja noch ein ganzes Stück entfernt davon mit ihrem Hauptprodukt,
00:34:59: das sie da anstreben, marktfähig zu sein.
00:35:01: Also müssen sie jetzt irgendwas auf den Markt bringen, was schnell geht.
00:35:05: Und Ende 82 ist der Videospielemarkt auf seinem vorläufigen Höhepunkt,
00:35:09: getrieben durch das immens populäre Atari 2600.
00:35:13: Also liegt es nahe, Spiele und Peripherie für dieses System zu verkaufen,
00:35:19: sich da also in dessen Windschatten zu begeben, wenigstens mal zwischendurch,
00:35:23: bis man es dann überholen kann mit einem neuen System.
00:35:26: Roland, der Intermedics-Chef und wichtigste Geldgeber, der ist schnell überzeugt von diesem Plan.
00:35:30: Er steuert weitere Millionen bei, um seiner jungen Amiga-Firma ein zweites Standbein zu sichern.
00:35:37: Und so wird das Unternehmen dann in zwei Gruppen aufgeteilt.
00:35:39: Die eine kümmert sich ausschließlich um Lorraine, das ist die, die Geld kostet.
00:35:44: Und die andere in Zusammenarbeit mit externen Zulieferern macht Zubehör für
00:35:48: andere Plattformen, das ist die, die Geld bringen soll.
00:35:51: Und das erste Amiga-Produkt soll ein Joystick sein. Schließlich brauchen sie
00:35:55: eh einen Joystick für ihre Konsole später. Also kann man da ja schon mal einen machen.
00:36:00: Und Amiga sieht da auch eine Chance auf schnellen Erfolg, weil es gibt ziemlich
00:36:04: viele minderwertige Produkte auf dem Markt.
00:36:07: Insbesondere das Atari 5200, gerade erschienen, ist ja berüchtigt für seine
00:36:12: missratenen Joysticks.
00:36:13: Und das, was sie dann rausbringen, das Amiga-Modell, verwendet eine zuverlässigere
00:36:18: Schalttechnik als die meisten anderen Controller, wenn auch nicht die exquisiten
00:36:22: Mikroschalter, die wir später im Competition Pro haben werden,
00:36:25: und besticht durch seine kompakte Form.
00:36:27: Der Stick ist so klein, dass er in einer Hand gehalten werden und mit etwas
00:36:31: Geschick sogar mit derselben Hand gesteuert werden kann.
00:36:33: Und aus diesem Joystick-Design leitet Amiga dann mit kleinen Anpassungen Modelle
00:36:39: für verschiedene aktuelle Plattformen ab, die meisten in schwarz-rot.
00:36:43: Das Modell mit neunpoligem Stecker passt ans Atari 2600, ebenso wie an die Heimcomputer
00:36:48: von Atari und Commodore.
00:36:49: Ein anderes Modell an den Texas Instruments Heimcomputer TI-994A und eine Variante
00:36:55: mit zusätzlichem Tastenfeld kommt an die Konsolen Intellivision und ColecoVision.
00:37:00: Diese Joysticks sollen nicht nur die Lorraine-Entwicklung finanzieren und später
00:37:04: dem fertigen System beiliegen.
00:37:06: Sie sind auch schon die U-Boote, um den Namen Amiga in die Branche zu tragen.
00:37:12: Sie sollen den Namen etablieren, sie sollen beim Aufbau von Handelsbeziehungen helfen.
00:37:18: Dafür plant der Morse, seine alten Tonka-Verbindungen im Spielwarenmarkt zu
00:37:22: reaktivieren. Und die Produkte sollen, wie meiner in einem Interview berichtet
00:37:27: hat, die Konkurrenz in die Irre führen.
00:37:29: Amiga will sich nicht zu früh die Karten wicken lassen.
00:37:32: Ein heimloser Joystick-Hersteller, der wird ja dann wohl nicht Opfer von Industrie-Spionage
00:37:37: werden durch irgendwelche Konkurrenten und nicht unter großer Beobachtung stehen.
00:37:40: Und dieser Amiga-Joystick, der kommt 1983 auf den Markt als sogenannter Power-Stick.
00:37:46: Das ist der Beginn einer kurzen Power-Phase im Amiga-Marketing.
00:37:50: Zwei Jahre bevor Nintendo dieses Schlagwort dann entdeckt und für sich in Anspruch
00:37:55: nimmt, die ja dann gesagt haben später, now you're playing with power.
00:37:58: Auf der Packung prangt dann stets der Slogan Amiga the Power System,
00:38:04: womit zu der Zeit natürlich noch kein System im Sinne einer Konsole oder eines
00:38:07: Computers gemeint ist, sondern ein Ökosystem aus Gaming-Peripherie.
00:38:11: Der Stick ist ein Erfolg und der nächste Amiga-Controller dann demzufolge schon in Planung.
00:38:17: Ich habe so einen Joystick nie in der Hand gehabt. Mir ist noch nie einer begegnet,
00:38:21: aber sie müssen doch wirklich erfolgreich gewesen sein, denn sie sind recht
00:38:24: leicht zu finden bei Ebay und Co. Und ja, die sind wirklich winzig.
00:38:29: Damals waren Joystick-Designs noch nicht so, oder Controller-Designs insgesamt
00:38:33: noch nicht so festgelegt wie heute.
00:38:35: Da war man noch offen für etwas andere Formen. Aber das ist schon seltsam,
00:38:38: so ein Mini-Stick, den man mit einer Hand steuern kann.
00:38:41: Aber er soll wohl ganz gut funktioniert haben. Hat auch gute Testberichte bekommen und so.
00:38:45: Und so beginnt Atari gemeinsam mit externen Zulieferern gleich mit der Entwicklung
00:38:50: des nächsten Controllers, mit der ähnlichen Schalttechnik, die hier wieder zum
00:38:54: Einsatz kommt. Aber mit ein bisschen mehr Mut bauen sie jetzt das Joyboard.
00:38:58: Das ist eine rechteckige Controller-Plattform, die ein bisschen größer ist,
00:39:02: denn das ist eine Plattform zum Draufstellen.
00:39:04: Das ist so ähnlich wie das Wii Balance Board, das ich gerade mit Fabian bei
00:39:08: Stefferever Technik Bits besprochen habe.
00:39:10: Also ein Controller, auf den man sich tatsächlich mit vollem Körpergewicht draufstellen
00:39:14: kann, bei dem man dann die Richtung vorgibt, indem man sein Gewicht ein bisschen verlagert.
00:39:19: Das Joyboard hat allerdings keine eigene Feuertaste. Dafür muss man da dann
00:39:23: einen regulären Joystick anschließen.
00:39:25: Das ist sehr eigenwillig und das eignet sich natürlich nicht für Spiele wie
00:39:29: Space Invaders oder Pac-Man, wo man sehr schnell reagieren muss,
00:39:32: sondern das verlangt nach eigenen, nach angepassten Spielen.
00:39:35: Die haben ja mittlerweile keine eigenen Spieleentwickler mehr bei Amiga und
00:39:38: so wenden sie sich an einen externen Entwickler, an die Firma Videosoft.
00:39:42: Und VideoSoft beginnt jetzt im Auftrag von Amiga mit der Entwicklung von vier
00:39:47: Spielen für das Atari 2600.
00:39:49: Das erste ist ein 3D-Ski-Spiel namens Mogul Maniac.
00:39:54: Bei dem Namen hätte ich eher eine Wirtschaftssimulation erwartet,
00:39:57: aber nee, das ist eine Ski-Simulation.
00:40:00: Die liegt dann auch dem Controller bei und sie entwickeln darüber hinaus noch weitere Spiele.
00:40:05: Joyboard und Spiel zusammen im Bundle werden dann im Februar 83 schon vorgestellt
00:40:11: auf einer Spielemesse in New York.
00:40:13: Also eine Spielzeugmesse ist das. Und die haben auch ein eigenes Testimonial,
00:40:17: also nehmen wirklich Geld in die Hand fürs Marketing.
00:40:19: Das ist eine ehemalige US-Skirennläuferin, Susie Chafei, die damals wohl recht bekannt ist.
00:40:25: Und die stellt sich dort publikumswirksam auf dieses Joyboard und präsentiert
00:40:30: das Spiel. Und das Joyboard, das ist recht beliebt, zumindest bei der Presse, findet es einige Fans.
00:40:36: Es gibt auch einen Testbericht aus der deutschen Telematch, das war ja das erste
00:40:39: deutsche Spielemagazin.
00:40:41: Die hat 83 geschrieben, mit der Spielesteuerung via Joyboard gewinnen selbst
00:40:45: alte Spiele einen Reiz, den man kaum beschreiben kann.
00:40:48: Wäre das nicht eure Aufgabe als Redakteure, das zu beschreiben? Aber nee, es geht nicht.
00:40:53: Und die Redaktion empfiehlt dann sogar, Zitat, spielen Sie doch mal Ihre ganze
00:40:57: Programmbibliothek auf diese Weise durch.
00:40:59: Sie werden einen Spielspaß ohne Gleichen erleben.
00:41:03: Wow.
00:41:04: Ja, nun, ich hab's nicht ausprobiert. Also, ich kann's nicht widerlegen.
00:41:06: Vielleicht stimmt das, ja?
00:41:08: Aber Sie empfehlen das dann auch als Partyspiel. Also, wenn Sie mal demnächst
00:41:11: viele Leute zu Besuch haben, packen Sie das Joyboard raus.
00:41:14: Und das kann ich mir durchaus vorstellen, dass das heiter ist.
00:41:17: Nun, diesen Spaß erleben leider nur sehr wenige, Denn obwohl es ja zum Teil
00:41:21: positive Presse gibt, das Joyboard
00:41:24: wird kein Erfolg mehr. Es gibt auch nur noch sehr wenige bei Ebay.
00:41:27: Das ist der Beleg dafür. Also das Joyboard floppt. Aber das liegt nur zum Teil am Produkt selbst.
00:41:33: Das liegt vor allem am Marktumfeld. Denn da passiert jetzt was auf dem Konsolenmarkt in den USA.
00:41:40: Ja, jetzt passiert ja das, was wir
00:41:41: immer wieder ansprechen in diesen Zusammenhängen. Jetzt kommt der Crash.
00:41:45: Am 8. Dezember 1982 verkündet Warner Communications, die Mutter von Atari,
00:41:51: auf dem Höhepunkt des Hypes der Videospiele erschreckende Geschäftszahlen.
00:41:56: Alle haben erwartet, es geht nochmal 50 Prozent nach oben, aber es sind nur
00:42:00: 10 bis 15 Prozent Wachstum.
00:42:03: Und das allein wegen der schlechten Verkaufszahlen bei Atari-Spielmodulen.
00:42:07: Und im Jahr 83 dreht sich dieser ganze Trend dann auch um.
00:42:11: Die Atari-Sparte häuft Verluste an, über 500 Millionen Dollar.
00:42:15: 1984 sind es über 400 Millionen Dollar Verlust in einem einzigen Quartal.
00:42:21: Und der US-Konsolenmarkt ist implodiert damit, also ja im Wesentlichen der Markt
00:42:26: für Atari-Spiele. Das hat aber das ganze Marktumfeld mitgezogen,
00:42:31: weil alle sofort Panik hatten und dachten, jetzt muss man hier raus aus diesem Geschäft.
00:42:35: Und in diesem Marktumfeld hat
00:42:37: das Joyboard keine Chance. Es wird im Weihnachtsgeschäft 1983 zum Flop.
00:42:42: Die Spielentwicklung bei Videosoft wird eingestellt. Zwei fertiggestellte Titel
00:42:46: werden noch schnell an einen anderen Publisher weiterverkauft und der verramscht die dann.
00:42:50: Ein weiteres Amiga-Zubehörteil für das Atari 2600, das Power-Modul,
00:42:57: ist ebenfalls weitestgehend fertig entwickelt, kommt aber nicht mehr auf den Markt.
00:43:01: Das Modul hätte eine eigene CPU samt RAM sowie einen Anschluss für ein Kassettenlaufwerk
00:43:08: mitgebracht und so die Fähigkeiten der alten Konsole nochmal krass erweitert.
00:43:13: Aber das damit jüngst begründete Power-System-Ökosystem ist schon wieder am Ende damit.
00:43:21: Für Amiga ist das ein doppeltes Problem.
00:43:23: Zum einen versiegt damit ja die geplante Einnahmequelle aus dem Spielezubehör.
00:43:27: Das sollte ja dem Startup den Weg in den Gaming-Markt ebnen.
00:43:32: Mit diesem Einbruch des Marktes steht auch das eigentliche Unternehmensziel
00:43:35: auf der Kippe. Sie wollen ja eine Spielekonsole der nächsten Generation entwickeln.
00:43:40: Und im Jahr 1983 ist man in der
00:43:44: Branche nicht sicher, ob es jemals wieder Konsolen geben wird, so richtig.
00:43:48: Oder zumindest Konsolen aus Amerika, aus Japan kommt ja dann schnell was.
00:43:51: Damit ist halt das Projekt Lorraine in großen Schwierigkeiten.
00:43:54: Und die Rettung dieses Projekts liegt dann in der Ambivalenz,
00:43:59: in der Unfähigkeit der Firma, sich für eine Richtung zu entscheiden,
00:44:03: Heimcomputer oder Konsole.
00:44:05: Jetzt kommt Ihnen das zu Pass, jetzt können Sie einfach sich neu ausrichten,
00:44:10: pivoten, würde man heute sagen und einen klaren Weg einschlagen.
00:44:15: Wir haben es ja gerade schon beschrieben oder schon erwähnt,
00:44:18: dass von Anfang an nicht so ganz
00:44:19: klar ist, bauen sie jetzt eigentlich eine Konsole oder einen Computer.
00:44:23: Denn die ursprüngliche Idee von Neubauer und Kaplan war ja die einer Konsole.
00:44:27: Aber der Jay Miner hat von Anfang an eine andere Idee. Der will eigentlich einen
00:44:31: Computer bauen, der will IBM herausfordern.
00:44:33: Das hat er auch mal selber gesagt bei dem Auftritt 1990. Das können wir uns mal kurz anhören.
00:44:38: Es war Präsident Dave Morris' Ambition und Orientierung,
00:44:42: Und das von allen Investoren in der originalen Omega Corporation,
00:44:46: um die beste, low-cost-video-game-Machine in der Welt zu schaffen.
00:44:50: Es war meine Intention, den größten,
00:44:54: körperlichen und einfach zu nutzen Home-Computer in der Welt zu schaffen.
00:44:59: Du kannst da den Anfang des Konflikts sehen.
00:45:02: Er sagt da, die Absicht der Investoren war es eigentlich immer eine Konsole
00:45:06: zu bauen, die möglichst günstig sein sollte. Und meine Absicht war es aber,
00:45:10: den leistungsfähigsten und ausbaufähigsten Heimcomputer der Welt zu bauen.
00:45:14: Ja, das ist ein Konflikt, der allerdings noch nicht offen ausgetragen wird bislang.
00:45:19: Und jetzt aber steht die Entscheidung an. Der Konsolenmarkt ist gerade implodiert
00:45:23: und jetzt muss man sich entscheiden, was man eigentlich bauen will,
00:45:26: wenn man dieses Risiko tatsächlich eingeht, eine Konsole auf den Markt zu bringen.
00:45:30: Aber das ist im Jahr 83 komplett aussichtslos, deswegen muss man jetzt aus dem
00:45:35: entstehenden Amiga, also aus Lorraine, einen Computer machen.
00:45:39: Darauf sind die Ingenieure schon vorbereitet, denn schon von Anfang an,
00:45:42: als Miner und Decure angefangen haben, ihr System zu skizzieren,
00:45:46: da haben sie schon mehrere Systeme für verschiedene Ansprüche entworfen.
00:45:50: Eine reine Spielemaschine war dabei, aber auch ganz anders geartete Geräte,
00:45:54: so eine Art Grafikterminal für Netzwerke, ein Heimcomputer der Mittelklasse
00:45:58: ist dabei, aber auch eine richtige professionelle Büromaschine,
00:46:02: sowas wie der IBM PC, der ja mittlerweile auf dem Markt ist.
00:46:05: Ein Gerät, das sich auch erweitern lassen soll, um Steckkarten,
00:46:09: so wie das beim IBM PC oder auch beim Apple II möglich ist.
00:46:12: Und Miner hat von Anfang an das High-End-Modell favorisiert.
00:46:16: Der will den IBM-Killer bauen. Das Management und die Geldgeber hingegen,
00:46:20: die wollen eigentlich die Minimallösung.
00:46:23: Eine günstige, aber leistungsfähige Konsole, die sich vielleicht,
00:46:26: das wäre noch ein Kompromiss oder ein Mittelweg, erweitern lässt über eine optionale
00:46:30: Tastatur und ein Laufwerk.
00:46:33: Das ist aus heutiger Sicht vielleicht ein etwas seltsamer Gedanke.
00:46:37: Es käme niemand auf die Idee, seine Playstation in einen PC zu verwandeln,
00:46:41: indem man eine Tastatur anschließt, aber das ist damals durchaus eine populäre
00:46:45: Lösung, zumindest auf Seiten der Hersteller populär.
00:46:48: Der Markt nimmt das nicht an, aber die Hersteller, die machen das häufiger zu
00:46:52: dieser Zeit. Colico zum Beispiel mit der ColicoVision, die lässt sich auch zu
00:46:56: einem Heimcomputer erweitern, indem man da so ein Upgrade-Set anschließt.
00:47:00: Die Intellivision von Mattel ebenfalls, die kann man auch zu einem Computer
00:47:03: umbauen, zumindest theoretisch, die Erweiterung wird nur in sehr,
00:47:07: sehr geringen Stückzahlen ausgeliefert, aber es geht.
00:47:09: Und die Grenze zwischen diesen Gerätegattungen, Konsole und Heimcomputer,
00:47:14: die sind also noch fließend. Das sieht man auch bei Matari 400.
00:47:17: Der wird ja anfangs geplant ohne Tastatur, sollte also eigentlich auch eine Konsole sein.
00:47:23: Später entscheidet man sich um. Und den umgekehrten Weg geht Nintendo.
00:47:26: Die planen ursprünglich das NES in den USA mit integrierter Tastatur als Heimcomputer
00:47:31: auf den Markt zu bringen, weil der Markt zu dieser Zeit keine Konsolen haben will.
00:47:36: Sie entscheiden sich ja dann zum Glück um und verkaufen das NES doch als richtige Konsole.
00:47:40: Aber man sieht, die klare Trennung zwischen Konsole und Computer,
00:47:44: wie wir sie heute haben, die existiert damals so nicht.
00:47:47: Und es ist ja auch naheliegend, die Geräte als das Gleiche oder als zwei Spielarten
00:47:52: derselben Plattform zu betrachten, weil die CPU, die drinsteckt,
00:47:56: in der Regel sowieso dieselbe ist.
00:47:57: Und einen Videochip brauche ich auch für beides und einen Modulschacht und ein
00:48:00: bisschen Arbeitsspeicher.
00:48:01: Ja, und dann kann ich ja noch eine Tastatur anschließen und schon habe ich einen
00:48:05: Computer. Also warum soll ich zwei völlig unterschiedliche Geräte entwickeln.
00:48:09: Wenn ich zwei Märkte mit einem Gerät adressieren kann?
00:48:12: Also die Ingenieure haben vorgesorgt, sie haben von Anfang an einen Chipsatz
00:48:16: geplant, der sich in verschiedensten Geräten einsetzen lässt,
00:48:19: von der Konsole bis zum IBM-würdigen, professionellen PC.
00:48:24: Aber es ist nicht so ganz klar, auf welche Art von Gerät sich Amiga in den nächsten
00:48:28: Monaten überhaupt konzentriert.
00:48:30: Je nachdem, wen man fragt und welches Buch man liest, welchen Artikel, welches Interview.
00:48:34: Die Darstellung ist immer ein bisschen unterschiedlich. Mal heißt es,
00:48:37: man sei jetzt 83 komplett umgeschwenkt von der reinen Konsole zu einem reinen Computer.
00:48:42: Andere sagen, beides sei schon von Anfang an parallel entwickelt worden.
00:48:45: Und wieder andere sagen, der Schwerpunkt habe sowieso auf einem Hybrid-Ansatz
00:48:49: gelegen, also einer Konsole, die man dann erweitert zu einem Computer.
00:48:52: Es ist komplett unklar, aber das spielt auch gar keine Rolle,
00:48:57: denn jetzt kommt der Crash und der zwingt das Amiga-Team im Jahr 83 zu einer
00:49:01: finalen Entscheidung und das ist eine Entscheidung weg von der Konsole,
00:49:05: auch weg von irgendwelchen Hybrid-Systemen hin zum reinen Computer.
00:49:10: Das darf auch nicht mehr nach Konsole aussehen. Und der Miner hat dann erzählt
00:49:13: später, dass die Marketingleute Panik hatten, weil, oh Gott,
00:49:17: oh Gott, oh Gott, was machen wir denn jetzt in diesem neuen Marktumfeld?
00:49:21: Er aber immer sie beruhigt hat und gesagt hat, nee, keine Angst,
00:49:24: Jungs, wir haben hier einen richtigen Computer.
00:49:26: Wir müssen keine Angst haben. Wir sind davon nicht betroffen.
00:49:29: Es zahlt sich jetzt halt aus, dass er die ganze Zeit einen Computer machen wollte.
00:49:33: Und jetzt, wo die tastaturlose Konsolenlösung vom Tisch ist,
00:49:37: steckt auch seine Stunde.
00:49:38: Er macht dann Vorschläge für neue Computerdesigns, großes Gehäuse,
00:49:42: eingebautes Laufwerk, Kartenslots im Stil des IBM-PCs, modularer Aufbau,
00:49:48: viele, viele, viele Anschlüsse, wie jeder Computer sie nun mal braucht. Alles ganz toll.
00:49:53: Und der Morse sagt, nee, zu teuer ist das und auch zu radikal.
00:49:57: Okay, das Gerät soll jetzt zwar nicht mehr mit dem Atari 2600 konkurrieren,
00:50:02: der Markt ist ja weg, aber jetzt auch noch gleich gegen den IBM-PC anzutreten,
00:50:06: ist ein bisschen viel. Lass uns mal gegen den C64 gehen.
00:50:10: Das ist ja auch ein leistungsfähiger Heimcomputer für Einsteiger,
00:50:14: aber nutzerfreundlich und bezahlbar.
00:50:17: In der Richtung kann man mit einem Gerät, das nicht ganz so viel kostet,
00:50:21: vielleicht ein bisschen was machen. Und dann entsteht ein Kompromiss,
00:50:24: das Gehäuse schrumpft, die Kartenslots verschwinden und die Tastatur und das
00:50:27: eingebaute Laufwerk bleiben aber.
00:50:30: Und dieser Richtungswechsel bedeutet viel zusätzliche Arbeit für das Entwicklungsteam,
00:50:35: aber am Herzen der Maschine, also an der CPU und dem Chipsatz muss man nichts mehr ändern,
00:50:40: denn die Architektur ist für technisch komplexe Spiele entworfen und kann damit
00:50:45: natürlich dann auch andere Anwendungen aus dem Bürosegment oder so problemlos abbilden.
00:50:51: Also es soll eine leistungsfähige Spielemaschine sein, die auch für alles andere
00:50:54: geeignet ist. Aber was heißt das genau?
00:50:57: Der Dave Morris als der Chef des Ganzen, der gibt ein bestimmtes Leistungsziel vor.
00:51:02: Der hat eine ganz klare Vision vor Augen, was das Gerät können soll,
00:51:06: unabhängig davon, ob es jetzt eine Konsole ist oder ein Computer.
00:51:09: Er sagt, Lorraine soll Grafik und Animation in der Qualität von TV-Cartoons darstellen.
00:51:15: Der kommt ja aus der Spielzeugindustrie von Tonka.
00:51:17: Der weiß also, wie wirkmächtig eine Lizenz ist von einer bekannten Fernsehfigur.
00:51:22: Also wenn man irgendein Produkt hat mit den Schlümpfen drauf,
00:51:25: dann verkauft es sich gleich sehr viel besser. Die gibt es ja seit 1981 im Fernsehen.
00:51:30: Aber der will jetzt über das übliche Lizenzgeschäft hinausgehen.
00:51:33: Der will also die Schlümpfe nicht nur irgendwo draufdrucken,
00:51:35: sondern er will die Figuren selbst interaktiv machen.
00:51:39: The Cure hat mir das auch so bestätigt. Dave Morse, sagt er,
00:51:42: wollte eine Maschine, die einen Zeichentrickfilm in Echtzeit animieren kann.
00:51:45: Das geht ja weit über das hinaus, was man am VCS oder Atari 2600 damals machen kann.
00:51:51: Da sehen die Sprites noch sehr abstrahiert aus, aber sie sehen nicht aus wie im Fernsehen.
00:51:56: Und genau das soll jetzt diese Maschine aber leisten. Und The Cure sagt auch,
00:52:00: ja, mein Konzept von Atari, also das, was er 1979 skizziert hat Und was von
00:52:04: Kassar abgelehnt wurde, mit dieser clever konstruierten Beschleuniger-Hardware,
00:52:09: könnte genau das leisten.
00:52:11: Aber nicht nur das, der Dave Morse hat noch weitere Vorgaben,
00:52:14: auch für das Audiosystem, nicht nur für die Grafik.
00:52:16: Das Audiosystem, sagt Morse, soll digitalisierte Klänge und Musik abspielen können.
00:52:21: Die CD ist ja damals gerade neu und en vogue, also digitalisierte Musik und Klänge.
00:52:27: Das ist ein hohes Ziel, aber ein realistisches, technisch durchaus machbar.
00:52:32: Das sind also zwei der technischen Vorgaben von ganz oben. Aber der J-Minor,
00:52:36: also der Hauptverantwortliche für den Chipsatz, der verfolgt auch noch ein eigenes Ziel.
00:52:41: Sein Chipsatz, sagt er, soll realistische 3D-Flugsimulationen berechnen können.
00:52:47: Das ist damals sehr ambitioniert, denn Flugsimulationen, die gibt es schon,
00:52:52: aber die laufen auf riesigen Anlagen für Millionen von Dollar.
00:52:56: Und so etwas will er jetzt auf den heimischen Bildschirm holen.
00:52:59: Er hat auch oft in mehreren Interviews von dieser Inspirationsquelle erzählt,
00:53:03: die kam ihm nämlich beim Besuch eines Simulatorherstellers namens Singer Link.
00:53:08: Ein Freund von ihm hat dort gearbeitet und er hat ihn mal mitgenommen und Singer
00:53:11: Link stellt damals professionelle Simulatoren her für Fluglinien oder für die
00:53:17: Luftwaffe oder auch für die NASA.
00:53:18: Und falls euch der Name Singer bekannt vorkommt, ja, das ist der Nähmaschinenhersteller.
00:53:24: Der ist nämlich in den 60ern gewachsen und ein bisschen expandiert in die Rüstungsindustrie
00:53:28: aus irgendwelchen Gründen und hat dabei auch eine Firma namens Link Flight Simulation übernommen.
00:53:33: Und so entstand eben zeitweise Singer Link. Doch, genau.
00:53:36: Nein, das ist echt die Nähmaschinen, Leute.
00:53:39: Das sind die, ja. Mittlerweile machen die nur noch Nähmaschinen.
00:53:42: Aber damals gab es eben noch diese Rüstungssparte.
00:53:44: Die Singer, das ist ja berühmtermaßen mal die größte Firma der Welt gewesen,
00:53:48: als sie Nähmaschinen gemacht haben.
00:53:50: Und dann haben die Leute aufgehört, Klamotten selber zu schneidern zu Hause
00:53:53: und haben die einfach im Laden gekauft.
00:53:55: Und dann ist dieses ganze Business weggebracht. Das wird immer in so BWL-Vorlesungen
00:53:59: als Beispiel genannt für, guck mal, dein Markt kann verschwinden,
00:54:03: fühl dich nicht zu sicher.
00:54:04: Und jetzt weiß ich, wo sie hingegangen sind zwischenzeitlich.
00:54:06: Sie haben Flugsimulationen gemacht.
00:54:09: Ah, wie nett. Das habe ich nicht gewusst. Das bringt mich weiter. Sehr schön. Danke.
00:54:13: Sehr schön, wieder was gelernt. Ja, also dort entstehen professionelle Flugsimulatoren
00:54:18: natürlich in sehr geringen Stückzahlen.
00:54:20: Das sind riesige Maschinen, aufwendig gekühlt, groß wie Container.
00:54:24: Und meiner ist sehr beeindruckt, sagt sich aber, das kriege ich auch auf einem
00:54:28: Chip unter. Ein Siliziumchip muss reichen.
00:54:31: Und das ist seine persönliche Anforderung an diesen neuen Chipsatz, den er entwickeln will.
00:54:36: Dafür verpasst er diesem Chip auch eine bestimmte neue Fähigkeit,
00:54:40: eine Funktionseinheit, die noch ganz wichtig wird in der Amiga-Geschichte, nämlich den Blitter.
00:54:44: Das ist eine Funktionseinheit, die darauf spezialisiert, dass bestimmte Grafikoperationen
00:54:49: besonders schnell und ohne, dass die CPU sich beteiligen muss, auszuführen.
00:54:53: Wir beschreiben das später noch, wenn es um die technischen Details des Amigas
00:54:57: geht, aber dieser Blitter ist sehr mächtig. Keine ganz neue Idee,
00:55:01: die gibt es anderswo schon, aber die wird später mitentscheidend sein für die
00:55:05: Leistungsfähigkeit des Amigas.
00:55:07: Viel wichtiger als die Sprite-Funktion, die der Amiga natürlich auch bekommt,
00:55:11: wie man sie schon aus dem VCS kennt.
00:55:13: Auch sein Kollege, der Ron Nicholson, der von Apple kommt, der ist mir dieser Technik vertraut.
00:55:19: Der hat nämlich auch mal bei Apple angeregt, einen Blitter in den Macintosh einzubauen.
00:55:24: Für die Beschleunigung der grafischen Oberfläche nämlich, die der Macintosh ja bekommen soll.
00:55:28: Aber das hätte zu lange gedauert und wäre zu teuer geworden.
00:55:31: Deswegen hat Steve Jobs auch das abgelehnt, genau wie die Farbe.
00:55:35: Auch deswegen ist Nicholson sehr gerne natürlich zu Amiga gewechselt,
00:55:39: denn hier kann er genau das realisieren.
00:55:41: Und es gibt noch weitere Folgen, die J-Miners Plan hat, Flugsimulationen darzustellen,
00:55:48: aber dazu kommen wir dann, wie gesagt, später noch bei den technischen Details.
00:55:51: Bei all den technischen Finessen, die sich Miner und Dequeur und Nicholson überlegen
00:55:56: bei der Entwicklung des Amigas, da achten sie immer darauf, den späteren Softwareentwicklern
00:56:01: möglichst viel Spielraum zu lassen.
00:56:03: Das ist eine wichtige Lektion, die sie gelernt haben aus ihrer Erfahrung vom
00:56:07: VCS und später vom Atari 400 und 800.
00:56:10: Also das sind ja die Maschinen, bei denen die Entwickler auch mit den Jahren
00:56:14: immer neue Lösungen gefunden haben, die Hardware auszureizen und die technischen
00:56:18: Grenzen der Plattform zu verschieben.
00:56:20: Und das soll hier auch möglich sein.
00:56:23: Außerdem planen sie von Anfang an, das System offen zu gestalten,
00:56:27: so offen wie der IBM PC oder auch der Apple II und nicht so geschlossen wie
00:56:32: die meisten Konsolen dieser Zeit.
00:56:34: Auch das ist eine wichtige Lehre, die sie mitnehmen von ihrer Erfahrung.
00:56:37: Die Atari Computer, die sie vorher entworfen haben, Miner und die Cure,
00:56:41: die litten ja in den ersten Jahren am Markt stark darunter, dass es zu wenig
00:56:45: Software gab, weil Atari diese Plattform abgeschlossen hat.
00:56:49: Die wollten nicht, dass externe Entwickler Spiele dafür entwerfen.
00:56:52: Die wollten schön das Softwaregeschäft in der eigenen Hand behalten.
00:56:56: Das war ein gigantischer Fehler, aus dem Amiga jetzt von Anfang an lernt.
00:57:00: Die wollen also ihre Plattform öffnen, technische Spezifikationen früh rausgeben,
00:57:05: damit möglichst viele Entwicklerinnen und Entwickler für ihre Plattform Spiele entwickeln.
00:57:09: Und möglichst auch Flugsimulationen, denn das macht der Miner ja nicht selbst.
00:57:14: Gut, aber jetzt geht es um die konkrete Hardware, mit der diese Ziele erreicht werden sollen.
00:57:20: Ja, jetzt geht es um die Wurst, weil jetzt müssen sie sich ja mal festlegen
00:57:24: darauf, was diese Maschine wirklich können soll.
00:57:28: Und das läuft natürlich alles parallel. Wir beschreiben das hier so ein bisschen
00:57:31: als so eine klare Abfolge. Erst den Crash in Ruhe angeguckt,
00:57:34: dann weiterentwickelt.
00:57:36: Wir sind hier im Frühjahr 1983, da läuft der Crash schon noch.
00:57:39: Man macht schon alles gleichzeitig.
00:57:41: Während man an der einen Seite sieht, dass es da auf dem Markt für die Konsolen
00:57:45: ein bisschen schwieriger wird, geht man
00:57:47: an der anderen Seite sofort an die Spezifikationen dieses neuen Gerätes.
00:57:51: Und der Amiga soll ja nun Spieler und Büroarbeiter gleichermaßen ansprechen.
00:57:56: Und das bedeutet, ein umfangreiches Lastenheft müssen sie machen,
00:58:00: das sie in langen Design-Meetings festlegen, wo genau drin steht,
00:58:04: was das Ding alles können soll.
00:58:05: Und diese Design-Meetings, da geht es weniger gesittet zu als bei IBM.
00:58:10: Da haben sie einen Schaumstoff-Baseboard-Schläger dabei und wer was Dummes sagt,
00:58:14: der kriegt den Schläger über den Kopf.
00:58:16: Das tut nicht weh, aber man will trotzdem nicht derjenige sein, der ihn abkriegt.
00:58:20: Wird später noch wichtig, dieser Schläger übrigens.
00:58:23: Wir kommen da noch drauf zurück. Im Frühjahr 1983 sind die Spezifikationen dieser
00:58:27: neuen Maschine dann umrissen.
00:58:29: Der Amiga braucht einen erschwinglichen, aber leistungsfähigen 16-Bit-Prozessor,
00:58:34: der stark genug ist für Multitasking und einen großen Arbeitsspeicher adressieren kann.
00:58:39: Von einer grafischen Oberfläche ist erstmal nicht die Rede, wir sind hier nicht bei Apple.
00:58:43: Der Prozessor wird unterstützt von einem selbstentwickelten Chipsatz für Grafik
00:58:47: und Sound, der über DMA-Kanäle, Direct Memory Access, autark,
00:58:51: also ohne Umweg über die CPU auf den Arbeitsspeicher zugreifen kann.
00:58:54: Eine Tastatur ist enthalten, vielleicht nicht eingebaut, aber enthalten.
00:58:58: Und eine Maus gibt es auf den Zeichnungen von meiner noch nicht.
00:59:03: Ein eingebautes Diskettenlaufwerk soll das Ding erhalten. Der zunächst geplante
00:59:08: Modulschacht weicht dann bald zugunsten eines komplexeren Erweiterungsports.
00:59:13: Besonders umfangreich ist aber die Liste der multimedialen Fähigkeiten des Amigas.
00:59:18: Für die Spiele-Darstellung braucht er natürlich Sprite-Engines.
00:59:21: Und wichtiger als die ist der Hardware-Blitter, den wir eben schon angesprochen
00:59:25: haben, der komplexe Grafikeffekte ermöglichen soll.
00:59:28: Und er soll natürlich eine hohe Auflösung bei hoher Farbpalette darstellen können,
00:59:32: bis zu 4096 Farbtöne, alles Bitmap-basiert und pixelgenau ohne Zeichensatzgrafik.
00:59:38: Die Textdarstellung soll trotzdem 80 Zeichen pro Zeile sein,
00:59:41: Ein wichtiges Merkmal für den Büroeinsatz.
00:59:44: Wir wissen ja, dass das manchen Maschinen geschadet hat, wenn sie die 80 Zeichen
00:59:48: des IBM-PCs auf einer Zeile nicht konnten.
00:59:50: Der C64 schafft ja zum Beispiel nur 40.
00:59:53: Und der Amiga soll einen Fernseher ansprechen können für den Spieleinsatz,
00:59:58: konsolentypisch, aber auch einen professionellen Monitor, weil ohne professionellen
01:00:03: Monitor kann man ja die 80 Zeichen nicht darstellen.
01:00:05: Und mithilfe der GenLog-Funktion soll sich der Amiga mit dem Timing-Signal einer
01:00:09: externen Videoquelle synchronisieren können, was mithilfe zusätzlicher Hardware
01:00:14: die Synthese aus analogen Videos und digital erzeugten Bildinhalten erlaubt.
01:00:20: Es ist ein reines Wunschkonzert. Es ist Wahnsinn. Und im Gegensatz zu den meisten
01:00:23: Computern soll er auch noch Stereo-Sound auf der Basis von digitalen Samples
01:00:26: ausgeben können. Ein reines Wunder.
01:00:29: Der Amiga vereint damit total frische neue Ideen mit etablierten Konzepten,
01:00:34: die die Konkurrenz schon hat.
01:00:35: Er greift in jeden der großen Töpfe zu den Heimcomputern, zu den Bürorechnern,
01:00:40: zu den Workstations und zu den Spielkonsolen und zieht daraus Ideen und wird
01:00:45: zu einer Synthese von Technologien, die auf Ideen basieren.
01:00:50: Die bei Atari und Apple diskutiert wurden, erklärt Nicholson.
01:00:54: Und als Beispiel für von Apple übernommenen Ideen nennt er dir nämlich in einem
01:00:59: Interview, das du geführt hast, neben der späteren Mausteuerung eben diesen
01:01:02: Blitter und den einheitlichen Speicher mit DMA-Technik.
01:01:05: Dabei wird das bei Mac noch gar nicht gemacht. Das wurde dann nur diskutiert.
01:01:09: Und den Blick gegen IBM, den Marktführer, richten sie nicht so stark.
01:01:14: Nicholson sagte dir, den IBM-PC sehen sie in einem völlig anderen Marktsegment,
01:01:18: Die technischen Details waren irrelevant für den Amiga.
01:01:21: Und damit, mit diesen ganzen Entscheidungen, nimmt der Amiga langsam Gestalt
01:01:26: an. Zumindest erstmal im Inneren.
01:01:28: Ja, äußerlich noch nicht. Da wird sich noch ein bisschen was ändern, aber im Inneren.
01:01:33: Und das war ja gerade das Wunschkonzert, also die große Wunschliste an Funktionen,
01:01:37: die der Amiga bekommen soll. Aber das Allermeiste davon wird ja auch tatsächlich später umgesetzt.
01:01:43: Also es ist wirklich eine Wundermaschine, die hier entsteht.
01:01:45: Was andere sich nicht trauen, was Apple und Atari und IBM nicht hinbekommen
01:01:49: oder sich nicht trauen, das macht diese kleine Firma Amiga einfach mal.
01:01:54: Jetzt müssen wir aber mal Nägel mit Köpfen machen. Welche Bauteile sollen dann überhaupt rein?
01:02:00: Sie können nicht alles selbst entwickeln, den Prozessor zumindest nicht.
01:02:03: Den kaufen sie natürlich extern
01:02:04: ein. Und für den Prozessor gibt es drei Anwärter, hat DQ mal berichtet.
01:02:10: Allesamt 16-Bit-Prozessoren, so viel steht schon fest. Da ist der Motorola 68000,
01:02:14: der Zilog Z8000, die hat beide auch schon DQs ursprüngliche Atari-Zeichnung
01:02:20: von 79 genannt, als mögliche Kandidaten.
01:02:23: Und ein dritter kommt noch hinzu, der Intel 8086.
01:02:27: Den kennen wir aus dem IBM-PC, zumindest in der leicht abgespeckten Variante 8088.
01:02:32: Und welcher von den dreien wird es? Nun, die Wahl fällt nicht schwer auf den
01:02:36: günstigsten, nämlich den Motorola.
01:02:39: Den gibt es seit 79, aber bislang wird er nur in recht teuren Minicomputern
01:02:43: und Workstations wie bei HP zum Beispiel eingesetzt.
01:02:46: Aber seit 82 ist er einigermaßen erschwinglich und auch in großen Stückzahlen
01:02:51: verfügbar und damit ist er der Chip der Wahl.
01:02:54: Nicht nur bei Amiga, Atari wird den später ja auch für den ST einsetzen,
01:02:58: Apple benutzt den schon für Lisa und später für den Macintosh.
01:03:01: Also das ist ein prägender Prozessor der 80er Jahre.
01:03:04: So ganz reibungslos läuft diese Wahl aber nicht, wie Meiner 1990 mal erzählt hat.
01:03:10: Der sagte, Zitat, es gab anfangs großen Druck, eine Variante des 68000 zu verwenden, nämlich den 68000-8.
01:03:18: Und das ist die 8-Bit-Version, also die günstigere Version dieses Motorola-Chips.
01:03:23: Zum Glück haben wir, also die Ingenieure, diesen Kampf gewonnen,
01:03:27: denn später ging der Preis des 68000-8 deutlich runter.
01:03:31: Und später hat kaum jemand diese Billigversion dann noch verwendet.
01:03:34: Aber es sind trotzdem Kompromisse nötig. Die Ingenieure wollen immer alles,
01:03:38: vor allem Jay Miner, der will ja einen Supercomputer bauen, aber das Management
01:03:42: bremst ihn dann immer ein und so mussten sie die Idee aufgeben,
01:03:46: Sockel für Koprozessoren einzubauen.
01:03:48: Etwas, was es beim IBM PC gibt, aber beim Amiga wird das gestrichen,
01:03:53: denn das ist ja immer noch primär eine Spielemaschine und dafür ist ein Koprozessor,
01:03:57: ein mathematischer Koprozessor für Gleitkommaberechnungen oder sowas irrelevant.
01:04:01: Und außerdem kostet das zu viel Geld. Brauchen wir einen extra Sockel und extra
01:04:04: Platz im Gehäuse und auf der Platine? Das machen wir nicht, wird also gestrichen.
01:04:08: Und wie viel Speicher bekommt dieser Chip jetzt? Nun, der 68.000 kann eine ganze
01:04:13: Menge Arbeitsspeicher adressieren, bis zu 16 Megabyte.
01:04:17: Aber das ist natürlich eine illusorische Menge. Sowas gibt es erst in den 90ern.
01:04:22: Der IBM PC ist ja anfangs auch noch auf 640 Kilobyte beschränkt.
01:04:27: Und der Lisa von Apple, der kriegt immerhin ein Megabyte.
01:04:31: Aber 16 Megabyte sind dann doch noch etwas zu futuristisch.
01:04:35: So einigt man sich erst mal für die ersten Prototypen von Lorraine auf 512 Kilobyte.
01:04:42: Später treibt das Management diese Menge aber runter auf 128 Kilobyte.
01:04:48: Der Kampf ist noch nicht ganz ausgestanden. Ja, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
01:04:52: Später wird es dann doch wieder ein bisschen mehr. Aber erst mal arbeiten sie
01:04:55: mit der Annahme, dass diese Maschine 128 Kilobyte Arbeitsspeicher bekommt.
01:05:00: Aber die stehen ja nicht nur der CPU zur Verfügung, sondern auch dem Chipsatz,
01:05:05: der ja, wie du es beschrieben hast, über DMA, Direct Memory Access,
01:05:09: direkt auf den Speicher zugreifen kann. Das ist ein ganz wesentliches Funktionsprinzip hier im Amiga.
01:05:15: Und Nicholson, der hat das mal so erklärt, ja, DMA, dieses Prinzip gab es damals
01:05:20: natürlich schon, aber das wurde meistens verwendet dafür, um Daten vom Festplattencontroller
01:05:26: in den Speicher oder zu einer seriellen Schnittstelle zu übertragen.
01:05:29: Aber wir, wir haben diese Technik perfektioniert und verallgemeinert,
01:05:34: sodass per DMA jetzt auch Dinge vom Speicher auf den Blitter oder vom Blitter
01:05:38: direkt auf den Speicher übertragen werden können.
01:05:40: Also jetzt können wirklich alle Bauteile, alle Chips innerhalb dieses Chipsatzes
01:05:46: direkt auf den Arbeitsspeicher zugreifen und dort Daten ablegen.
01:05:50: Also sie vervollkommen nun dieses Prinzip jetzt.
01:05:53: Das ist ganz wesentlich für die Funktionsweise und für die Leistungsfähigkeit des Amigas.
01:05:58: Wie groß muss jetzt dieser Chipsatz überhaupt sein? Bislang ist noch gar nicht
01:06:02: klar, wie viele Chips man überhaupt braucht.
01:06:04: Wir haben ja vorhin die Atari 400 und 800 beschrieben, die haben ja drei Chips,
01:06:09: die der CPU zur Seite stehen und verschiedene Aufgaben übernehmen.
01:06:13: Jetzt ist das Lastenheft definiert. Wir wissen, was überhaupt alles rein soll in den Computer.
01:06:17: Und jetzt ist damit auch klar, wie viel Chipfläche, wie viele Transistoren sie dafür brauchen.
01:06:22: Und dadurch ergibt sich, ja, das passt nicht auf einen Chip,
01:06:26: das passt auch nicht auf zwei Chips.
01:06:28: Der Amiga bekommt drei Zusatzprozessoren.
01:06:31: Also einen Chipsatz aus drei Chips, genau wie bei den Atari-Rechnern zuvor.
01:06:36: Und auf diese drei Chips werden alle geplanten Funktionen jetzt verteilt.
01:06:40: Je nachdem, wo gerade noch Platz ist, wird eine Funktion hingestopft.
01:06:44: Und diese drei Chips, die bekommen auch schon wieder weibliche Codenamen.
01:06:48: Wie ist die Tradition verlangt?
01:06:50: Wir stellen die Chips mal kurz vor. Da ist zunächst mal Portia,
01:06:54: die später allerdings Paula heißt.
01:06:56: Und wir bleiben mal bei diesem Namen, damit es nicht zu verwirren wird.
01:06:59: Also Paula ist später zuständig für die Ansteuerung der meisten Ports,
01:07:03: also Anschlüsse und des Kettencontrollers.
01:07:06: Und auch für die Audio-Funktion.
01:07:08: Für die Grafikfunktion ist Daphne zuständig. Die heißt allerdings später Denise.
01:07:14: Und die bekommt, weil dann halt noch ein bisschen Platz übrig ist auf dem Chip,
01:07:17: auch noch Maus- und Joystick-Steuerung angeflanscht. Und der dritte Chip im Bunde heißt Agnus.
01:07:23: Das ist ein Akronym, denn A-G am Anfang, das steht für Address Generator.
01:07:28: Das Agnus-Chip ist ein Adressengenerator.
01:07:31: Es geht hier um Arbeitsspeicheradressen, denn der übernimmt das DMA-Management.
01:07:35: Also der regelt diesen CPU-unabhängigen RAM-Zugriff für den ganzen Chipsatz.
01:07:41: Der Blitter kommt dann auch noch mit rein, wieder mal, weil gerade Platz drin
01:07:44: ist. Agnus wird aber nicht umbenannt, behält diesen Namen bis zum Schluss.
01:07:49: Was ein bisschen auffällt, das sind ja alles normale Frauennamen,
01:07:53: Paula und Denise zumindest.
01:07:55: Agnes auch, aber eigentlich schreibt sich Agnes mit einem E am Ende.
01:07:59: Agnus im Amiga schreibt sich aber mit einem U.
01:08:02: Und das geht angeblich darauf zurück, dass J. Minor dann eine andere Bedeutung
01:08:07: in diesem Namen sieht, nämlich Agnus, das ist ein lateinisches Wort und das
01:08:11: heißt Lam und das kennt man aus der liturgischen Formel in der katholischen Kirche, Agnus Dei,
01:08:16: Lam Gottes, also Jesus, ja, das ist hier für ihn die Herleitung und deswegen
01:08:21: schreibt man Agnus mit einem U.
01:08:23: Ich weiß nicht, ob Jay Miner ein besonders religiöser Mensch war,
01:08:26: kann sein, vielleicht hat er auch nur ein Faible für die lateinische Sprache.
01:08:29: Naja, und diese drei Chips, die entsprechen ungefähr ihren Vorgängern im Atari
01:08:33: 400 und 800, also Paula entspricht weitgehend Pokey, Denise hat ähnliche Aufgaben
01:08:38: wie CTA und Agnus hat Ähnlichkeiten zu Antic.
01:08:43: Erste Prototypen haben sie dann im Spätsommer 1983 lauffähig.
01:08:47: Zuerst kriegen sie Paula hin und zuletzt dann Agnes.
01:08:51: Noch sind es keine Mikroprozessoren, denn Amiga hat, anders als Commodore,
01:08:55: ja keine eigene Chipfabrik. Der Chipsatz besteht daher noch aus handgefertigten
01:09:00: Platinen mit mehreren tausend Bauteilen, verbunden durch unzählige feine Drähte.
01:09:05: Das stellen sie dann hochkant auf und fächern das auf wie ein Buch,
01:09:09: das ist an einem Meter hoch.
01:09:11: Und das System ist noch nicht alleine lauffähig, es hängt an einer Workstation
01:09:15: vom Typ Sage vor, die auch auf dem Motorola 68000 basiert.
01:09:20: Und zu dieser Zeit geht der Firma das Geld aus. Die Einnahmen aus dem Zubehörgeschäft sind versiegt.
01:09:26: Meiner und Morris helfen mit eigenen Mitteln aus, mit ihrem persönlichen Geld,
01:09:30: nehmen Hypotheken auf, um das Unternehmen am Leben zu erhalten.
01:09:34: The Cure, der ja ohnehin nur Berater ist und als solcher quasi am entbehrlichsten,
01:09:38: muss schon aus Kostengründen im Frühjahr gehen, aber seine eher theoretische
01:09:43: Arbeit am Chip-Design ist da ja auch schon weitestgehend abgeschlossen.
01:09:46: Für die praktische Umsetzung, die Softwareentwicklung und vor allem die Markteinführung
01:09:51: braucht Amiga jetzt aber dringend frisches Geld.
01:09:55: Die Seimers Mutter Intermedics und deren Besitzer Rollins waren bislang die
01:10:00: wichtigsten Geldgeber für das Amiga-Projekt.
01:10:03: Aber das Start-up kann nun nicht mehr auf die bauen, denn die Aussichten erscheinen
01:10:07: den Finanziers jetzt nicht mehr so rosig.
01:10:10: Anfangs ging es um eine günstige Konsole für den boomenden Spielemarkt.
01:10:14: Und jetzt soll das Gerät gegen Apple und IBM antreten können?
01:10:17: Dafür geben sie kein Geld.
01:10:19: Morse kontaktiert dann den Investor Bill Hart, der war zuvor mal wirtschaftlicher
01:10:22: Berater für Amiga, der sucht nach neuen Geldgebern und findet dann bis zum Dezember
01:10:27: 1983 eine kleine Gruppe risikofreudiger Investoren.
01:10:31: Und die verschaffen dem Amiga eine womöglich letzte Chance.
01:10:35: Denn er soll einen Auftritt bekommen auf der Winter CES 1984 im Januar.
01:10:41: Und auf der Messe soll Amiga dann weitere Investoren überzeugen.
01:10:46: Nein, sie müssen dann weitere Investoren überzeugen, sonst ist es aus.
01:10:51: Und in den letzten Tagen des Jahres 1983, kurz vor der CES, erleben die Ingenieure
01:10:56: und Softwareentwickler quasi in den Amiga-Büros und schaffen es in unzähligen
01:11:01: Überstunden schließlich, diesen Prototyp für seinen ersten Messeauftritt vorzubereiten.
01:11:05: Dann wird dieses fragile System sorgfältig verpackt und nach Las Vegas geflogen,
01:11:10: denn von dem Auftritt in Las Vegas hängt alles ab.
01:11:13: Ja, ich kann mir vorstellen, da sind sie ziemlich ins Schwitzen geraten.
01:11:17: Ich fand das immer schon schwierig, einen PC für eine LAN-Party einzupacken
01:11:21: und vorsichtig zu transportieren.
01:11:22: Aber hier haben sie ja nicht mal einen monolithischen Rechner,
01:11:26: sondern sie haben diese riesigen Platinen, die über unendlich viele feine Drähte
01:11:30: miteinander verbunden sind.
01:11:31: Da darf nichts reißen, da darf überhaupt nichts schief gehen,
01:11:34: sonst funktioniert das alles nicht mehr. Also das ist heikel.
01:11:38: Aber es klappt, das Gerät funktioniert tatsächlich in Las Vegas,
01:11:42: dank der Überstunden, die sie da Ende 83 gemacht haben.
01:11:46: Also das war eine Crunch-Phase, wie man sie auch aus der Spielebranche kennt.
01:11:50: Dieser Auftritt auf der Winter-CES ist noch nicht öffentlich.
01:11:54: Also wenn man als gemeiner, normaler, sterblicher Messebesucher dort zu Amiga
01:11:57: kommt, dann sieht man Lorraine nicht.
01:12:00: Der wird nur hinter verschlossenen Türen gezeigt.
01:12:03: Vorne sieht man nur die Joysticks und das Joyboard.
01:12:07: Das, was kein Mensch mehr sehen will, weil der zugehörige Markt längst zusammengebrochen ist.
01:12:11: Das wirklich Spannende und Entscheidende passiert hinter verschlossenen Türen
01:12:16: für ausgewählte Interessenten, Branchenbeobachter und mögliche Investoren wird
01:12:21: dort Lorraine vorgeführt.
01:12:23: Dazu sieht man dann ein paar Skizzen von Jay Miner, der hat ja einige Entwürfe
01:12:27: gemacht dafür, wie der Computer am Ende aussehen könnte, aber ein fertiges Design
01:12:31: kann man hier ja noch nicht präsentieren, deswegen müssen diese Skizzen erstmal reichen.
01:12:35: Und das Ganze ist verknüpft mit einer konkreten Ankündigung,
01:12:38: die sehr ambitioniert ist.
01:12:39: Das ganze System, also der fertige Amiga, soll Ende 1984 erscheinen.
01:12:44: Wir sind hier noch im Januar und weniger als 1000 Dollar kosten.
01:12:49: Das ist mal eine Ansage für einen Supercomputer, der viel mehr kann als zum
01:12:53: Beispiel ein Apple II oder ein IBM PC, aber günstiger sein soll als diese.
01:12:58: Nun, womit zeigt man einen Rechner? Im Idealfall mit Software,
01:13:02: aber die gibt es noch gar nicht.
01:13:03: Denn naja, Spieleentwickler hat Amiga sowieso nicht mehr. Und die Softwareentwickler,
01:13:07: die haben einige Demoprogramme vorbereitet, welche jetzt die technischen Fähigkeiten
01:13:12: dieses Computerprototyps präsentieren sollen.
01:13:15: Da gibt es Berichte über eine Art Hundesynthesizer, den sie geschrieben haben.
01:13:19: Also sie haben Hundegebell aufgenommen, digitalisiert.
01:13:22: Ich glaube nicht das von Mitchie, von dem J-Minor Hund, sondern von irgendeinem anderen.
01:13:26: Und das in eine Art Software-Synthesizer übertragen, sodass man jetzt,
01:13:30: je nachdem welche Taste man drückt, dieses Gebell in einer anderen Tonhöhe abgespielt wird.
01:13:35: Das ist natürlich technisch sehr eindrucksvoll für das Frühjahr 1984,
01:13:39: denn digitalisierte Samples wird man überhaupt nur sehr selten und hier sind
01:13:43: sie ja quasi auch noch interaktiv.
01:13:45: Ein bisschen weniger interaktiv ist eine andere Demo, die aber trotzdem noch
01:13:49: wichtig wird und auch der heimliche Star dieser Vorführung ist.
01:13:53: Das ist die Boeing-Demo.
01:13:54: Klingt nicht so spektakulär, ist aber ganz wichtig für die Zukunft des Amigas.
01:14:00: Das ist so eine Art Fußball, also auf jeden Fall mal ein Ball.
01:14:04: Sehr groß, rund, okay, wenig überraschend.
01:14:07: Und der ist rot und weiß gescheckt. Und der hüpft auf dem Bildschirm so einigermaßen
01:14:11: physikalisch korrekt auf und ab. Mehr nicht. Da ist noch kein Sound dabei.
01:14:15: Der hüpft auch noch nicht nach links und rechts.
01:14:18: Nein, der hüpft einfach nur auf und ab. Das ist trotzdem schon spektakulär genug,
01:14:21: denn sowas hat man auf einem PC bis dahin noch nicht in dieser Güte gesehen.
01:14:27: Später kommt dann noch eine neuere Version dieser Demo, aber auf die kommen
01:14:31: wir später noch zu sprechen. Die hat dann auch Sound.
01:14:34: Nun, die Reaktionen auf das, was dort zu sehen und zu hören ist,
01:14:37: sind sehr positiv in der Presse.
01:14:39: Es gibt ja, wie gesagt, auch einige ausgewählte Pressevertreter,
01:14:42: die Lorraine in Aktion erleben dürfen.
01:14:44: Und die sind durchaus begeistert. Die Creative Computing US-Zeitschrift,
01:14:47: die schreibt damals, Lorraine sei der Hit der Messe gewesen.
01:14:50: Auch wenn der Autor selbst kaum glauben könne, dass diese Maschine ausgerechnet
01:14:54: von den Leuten stamme, die das Joyboard gemacht haben.
01:14:58: Das hat man denen also nicht zugetraut.
01:15:00: Also wenn es J. Miners Plan wirklich war, mit diesen seltsamen Controllern die
01:15:05: Branche in die Irre zu führen, dann ist es ihm gelungen.
01:15:07: Das glaubt keiner, dass das dasselbe Team sein soll. Der Amiga sei die eindrucksvollste
01:15:13: Grafik- und Soundmaschine, die jemals auf dem Consumer-Markt angeboten wurde.
01:15:18: Und das sei ein Gerät, auf das Hunderttausende Grafik- und Soundfans gewartet hätten. Wow.
01:15:24: Er bemängelt auch was, nämlich fehlende Kompatibilität zum kommenden PC Junior
01:15:28: von IBM, denn der würde ja sicherlich der neue Heimcomputer-Standard.
01:15:32: Naja, es kommt anders, aber das kann man damals noch nicht wissen.
01:15:36: Das ist aber auch die einzige Kritik, die die Presse äußert.
01:15:39: Also keine PC-Kompatibilität, alles andere ist fantastisch.
01:15:43: Aber haben sie denn jetzt auch Geldgeber gefunden, Gunnar?
01:15:47: Nee, erst mal nicht, aber die Rettung naht dann trotzdem.
01:15:54: Schon vor der Messe im November 83 hatten Morris & Hart das System einer bekannten
01:15:59: Branchengröße angeboten,
01:16:01: Atari, nämlich genau das Unternehmen,
01:16:04: das die 16-Bit-Vision von Miner & Dequeur 1 zurückgewiesen hat.
01:16:09: Das soll nun einspringen hier bei der Firma, der das Geld ausgeht.
01:16:13: Und Atari war damals zumindest milde interessiert.
01:16:16: Sie haben noch keinen Vertrag gemacht. Es gab so ein Letter of Intent,
01:16:19: so eine Absichtserklärung, mit der Atari nichts weiter zugesagt hat,
01:16:23: als die Technik mal für eine mögliche Lizenzierung zu prüfen.
01:16:26: Und dann hat die Atari-Delegation aber auf der CES halt diese Demo live sehen
01:16:32: können und dann wächst ihr Interesse.
01:16:35: Und nun nehmen die Verhandlungen Fahrt auf. Atari hat nämlich jüngst einen Flop
01:16:39: hingelegt mit dem Modell 5200,
01:16:43: dem Nachfolger des 2600 der Videospielkonsole und ist auf der Suche nach einem
01:16:47: neuen System, will sich aber wegen des eben gerade frisch zusammengebrochenen
01:16:52: Marktes nicht auf eine neue Konsole beschränken.
01:16:54: Sie zeigen auch Interesse an der Verwendung des Chipsatzes für einen Heimcomputer
01:16:59: oder für Arcade-Automaten. In dem Geschäft sind sie ja auch noch.
01:17:03: An einem Konkurrenten auf dem Computermarkt ist Morse nun überhaupt nicht interessiert
01:17:07: für seinen Amiga, aber er kann nicht wählerisch sein und muss deswegen erstmal mit Atari sprechen.
01:17:14: Und so unterzeichnet er dann am 7. März 1984 einen vorläufigen Vertrag mit Atari,
01:17:19: der ihnen das Überleben sichert, aber zu einem sehr hohen Preis.
01:17:24: Das war, sagt Mayener später, eine dumme Vereinbarung, aber wir hatten keine Wahl.
01:17:29: Ja, sie haben keine Wahl. Atari rettet hier Amiga. Das Überleben,
01:17:35: kann man nicht anders sagen.
01:17:36: Aber das lassen sie sich auch teuer bezahlen. Also die kurzfristige Lösung für
01:17:40: die Rettung des Unternehmens, das ja nun mal dringend Geld braucht,
01:17:43: zahlt Atari an Amiga 500.000 US-Dollar.
01:17:47: Das ist ein Sofortdarlehen, das in dieser Form auch gar nicht unbedingt zurückgezahlt werden soll.
01:17:52: Im Vertrag steht aber noch mehr. Es soll nämlich noch eine weitere Million später
01:17:56: folgen, sobald ein finales Lizenzabkommen ausgehandelt ist. Das ist hier noch nicht der Fall.
01:18:02: Erstmal geht es nur um die kurzfristige Rettung und alles Weitere wird dann später geklärt.
01:18:06: Also sobald ein richtiger Vertrag über die Lieferung des Chipsatzes ausgehandelt
01:18:11: ist, kommt noch eine weitere Million hinterher und dann später nochmal 500.000
01:18:15: pro Chip, also 1,5 Millionen für die Lieferung des Chipsatzes an Atari.
01:18:21: Wenn all das abgeschlossen ist, dann hat Amiga also von Atari insgesamt 3 Millionen
01:18:25: Dollar bekommen und soll das Geld dann am Ende auch zurückzahlen,
01:18:28: aber nicht in bar, sondern in Form von Aktien.
01:18:31: Das ist erstmal das, was vereinbart wird. Aber das ist noch nicht alles.
01:18:35: Denn da steht ja also im Raume, dass es noch ein weiteres, ein richtiges finales
01:18:39: Lizenzabkommen geben soll, was die Details dann regelt.
01:18:43: Und für dieses noch auszuhandelnde Lizenzabkommen gibt es in diesem Vertrag,
01:18:48: der am 7. März unterschrieben wird, schon mal einen Vorschlag.
01:18:51: Da ist also genau ausgearbeitet, wie dieses Lizenzabkommen aussehen könnte.
01:18:56: Und nach diesem Vorschlag heißt es, würde Atari den Chipsatz also bekommen für
01:19:01: eine eigene Konsole und für Arcade-Automaten. Und ab März 86,
01:19:06: also nach einer Übergangsfrist, dürfte Atari ihn dann auch in einem eigenen Computer einsetzen.
01:19:11: Das versucht Amiga natürlich möglichst zu verhindern und nach hinten zu schieben,
01:19:14: denn die wollen ja ihren eigenen Computer verkaufen und keine Atari-Konkurrenz.
01:19:18: Aber ab März 86 dürfte Atari das nach diesem Vorschlag dann auch.
01:19:23: Der soll kompatibel sein zum Amiga, ist ja auch der gleiche Chipsatz drin,
01:19:27: aber trotzdem separat verkauft und auch in anderen Geschäften verkauft,
01:19:31: soll einen anderen Markt adressieren. investieren.
01:19:33: Die Lizenzgebühren, die dann auch vorgeschlagen sind erstmal nur,
01:19:36: die wären sehr gering für die Konsolen und die Computer legen die bei nur zwei Dollar pro Stück.
01:19:42: Für die Arcade-Maschinen sind es mehr, da sind es 15 Dollar,
01:19:45: aber da sind ja doch die Stückzahlen nicht so groß.
01:19:48: Nun dieses Lizenzabkommen, was hier skizziert wurde, das ist wie gesagt nur
01:19:51: ein Vorschlag, das hat noch keine rechtliche Bindung.
01:19:54: Ist also eigentlich irrelevant, könnte man meinen, aber so einfach ist es nicht.
01:19:59: Denn diese Vereinbarung vom 7. März, die sagt noch was anderes.
01:20:03: Die sagt nämlich, wenn nicht innerhalb der nächsten drei Wochen, also bis 31.
01:20:08: März 1984, ein finales echtes Lizenzabkommen unterzeichnet wird zwischen Amiga
01:20:13: und Atari, dann muss Amiga das Darlehen von den 500.000 Dollar zurückzahlen. Und zwar bis 30.
01:20:20: Juni plus Zinsen. So, wenn das auch nicht geschieht, wenn sie also diese 500.000
01:20:25: Dollar nicht zurückzahlen können, dann tritt das Lizenzabkommen so in Kraft,
01:20:30: wie es gerade vorgeschlagen wurde.
01:20:32: Aber mit einer nicht unerheblichen Änderung, denn dann muss Atari überhaupt
01:20:36: keine Lizenzgebühren mehr zahlen für die einzelnen Chips.
01:20:39: Das heißt, damit gehört ihnen der Amiga-Chipsatz praktisch mit allen Bauplänen
01:20:43: komplett. Damit können sie machen, was sie wollen.
01:20:46: Das wäre für Atari wirklich ein unschlagbarer Deal.
01:20:49: Wahnsinnig günstig und in kürzester Zeit kämen die jetzt eine komplett neue
01:20:53: Gerätegeneration, die sie für alles mögliche einsetzen können.
01:20:56: Für Amiga wäre das natürlich das Horrorszenario. Die haben dann überhaupt keine
01:21:00: Chance mehr, was eigenes zu bauen.
01:21:02: Allen ist klar, die diesen Vertrag unterzeichnen, Amiga kann diese halbe Million,
01:21:07: diese 500.000 Dollar zum Freikaufen aus eigener Kraft nicht aufbringen.
01:21:11: Die sind ja am Ende, es geht ja gerade ums Überleben.
01:21:14: Die können also 500.000 Dollar bis 30.
01:21:16: Juni nicht zurückzahlen. Und damit ist eigentlich auch allen klar.
01:21:20: Atari hat bald die Kontrolle über die Amiga-Technik.
01:21:23: Der Amiga wird ein Atari-Computer.
01:21:26: Spoiler wird er nicht, aber so sieht es danach aus.
01:21:29: Und Atari fängt dann auch ganz optimistisch an, einen eigenen Computer auf Basis
01:21:34: dieses anstehenden Amiga-Chips zu entwickeln.
01:21:37: Das ist das Modell 1850XLD, also zu der Zeit aktuell ist ja die XL-Heimcomputer-Reihe
01:21:43: immer noch 8-Bit-Computer.
01:21:45: Und innerhalb dieser Reihe soll dann ein Modell namens 1850XLD entstehen, Codename Mickey.
01:21:52: Und das ist also der Amiga-basierte Heimcomputer von Atari. Damit fangen sie
01:21:57: halt schon mal an, weil die haben ja den Chipsatz quasi in der Tasche.
01:22:00: Laut Vertrag müssen die Amiga-Techniker ihnen dabei aber auch helfen.
01:22:04: Die sollen bei Atari gefälligst antanzen und ihnen helfen, diesen Computer zu entwickeln.
01:22:09: Aber so kommt es nicht. Wir haben es ja gerade beschrieben, die erste Deadline ist der 31.
01:22:14: März. Bis dahin soll ein finales Lizenzabkommen unterzeichnet sein.
01:22:18: Das passiert aber nicht.
01:22:20: Dave Morse pokert, pokert richtig hoch und der unterschreibt das einfach nicht.
01:22:25: Der geht kein Lizenzabkommen ein.
01:22:28: Es gibt kein Abkommen zwischen Amiga und Atari, denn Dave Morse will einfach
01:22:33: der Konkurrenz diese Technik nicht überlassen. Es ging ihm nur darum,
01:22:36: das Unternehmen zu sichern.
01:22:37: Der wollte diese 500.000 Dollar, um irgendwie das Geschäft über die nächsten
01:22:41: Wochen zu bringen und nicht alle entlassen zu müssen.
01:22:44: Aber er hat überhaupt kein Interesse daran, mit Atari irgendeinen Deal einzugehen.
01:22:48: Deswegen macht er das nicht. Tja, und jetzt läuft die Zeit. Bis 30.
01:22:52: Juni muss Amiga also einen neuen Geldgeber finden, wieder mal,
01:22:56: die Geschichte wiederholt sich, um dieses Atari-Darlehen zurückzahlen zu können.
01:23:01: Also diese 500.000 Dollar und nicht alles zu verlieren.
01:23:05: Also es ist etwas verworren alles. Es gibt auch ganz andere Darstellungen dieser Geschichten.
01:23:11: Je nachdem, welches Buch man liest und welches Interview man führt.
01:23:15: Es gibt auch Zeitzeugen, die behaupten, Amiga hätte jetzt noch bis zum 30.
01:23:18: Juni Zeit, ein neues Lizenzabkommen mit Atari einzugehen und zu unterzeichnen.
01:23:23: Aber im Vertrag steht das nicht so.
01:23:26: Im Vertrag heißt es, nee, jetzt müsst ihr das Geld zurückzahlen,
01:23:29: sonst kriegen wir alles.
01:23:30: Da ist nicht die Rede von weiteren Verhandlungen.
01:23:32: Es kann sein, dass Atari durchaus noch die Tür offen lässt für weitere Verhandlungen,
01:23:37: dass die noch ein bisschen offen sind.
01:23:38: Aber eigentlich laut Vertrag gilt, Amiga muss bis 30.
01:23:42: Juni dieses Geld aufbringen, um sich freikaufen zu können. Ansonsten geht alles an Atari.
01:23:47: Dann hätte Atari alles und Amiga nix.
01:23:50: So, jetzt brauchen sie also wieder mal einen neuen Geldgeber.
01:23:54: Jemand, der sie zum zweiten Mal rettet. Und wieder mal hängt das Schicksal des
01:23:58: Amigas an einem Messeauftritt, an einer CES. Wie so oft.
01:24:02: Die Wichtigkeit der CES ist echt nicht überzubetonen in diesen Jahren.
01:24:06: Ja, das ist der Ort, wo alles passiert. Am 3.
01:24:10: Juni 1984 beginnt in Chicago die Sommer-CES. Die gibt es ja immer im Winter und Sommer.
01:24:16: Das ist vier Wochen vor Ablauf des Ultimatums und nochmal zeigt Amiga da ausgewählten
01:24:22: Besuchern ein Lorraine-Prototyp, aber schon eine neuere Version mit echten Chips.
01:24:26: Und damit sie die Zweifel potenzieller Investoren zerstreuen,
01:24:30: deuten sie auch an, dass das Ding DOS-kompatibel werden kann,
01:24:34: indem man dann so ein Intel 8088-Prozessormodul da noch drauf tut.
01:24:39: Und außerdem soll ein Modem eingebaut sein und es soll Bürosoftware beiliegen
01:24:43: und es soll auch gar nicht mehr 1000 Dollar kosten, sondern gleich 1500 Dollar
01:24:47: und trotzdem aber Ende 1984 fertig sein.
01:24:51: Ja, wir haben ja vorhin schon gesagt, das ist eigentlich ein Wunschkonzert aus
01:24:54: Features, das hier für den Amiga geplant ist. Und jetzt stopfen sie da noch mehr rein.
01:24:58: Alles, was die Branche will und hören will, DOS-Kompatibilität, ja, ja, kommt rein.
01:25:03: Modem für dieses moderne aufkommende Internet kommt auch mit rein.
01:25:07: Und Software, habt ihr Sorgen, dass es nicht genug Software geben könnte? Ja, kein Problem.
01:25:11: Bürosoftware packen wir auch noch mit rein. Also die versprechen jetzt einfach
01:25:14: alles, um irgendwie, ganz verzweifelt sind die natürlich, um irgendwie einen Investor zu finden.
01:25:20: Aber man muss sich nochmal vergegenwärtigen, welchen Druck die haben.
01:25:23: Es ist der 3. Juni und bis 30.
01:25:25: Juni brauchen sie einen Investor, um sich von Atari freikaufen zu können.
01:25:29: Und sie brauchen ja vor allen Dingen nicht nur den Investor,
01:25:32: sondern auch das Geld schon.
01:25:34: Das ist ja auch immer noch ein Prozess, der ein paar Tage dauern kann,
01:25:36: bis das Geld dann wirklich da ist, selbst wenn sie einen Investor sofort finden.
01:25:40: Aber das ist alles wurscht. Man muss auch gar keine Angst haben.
01:25:43: Die ganzen Erzählungen rund um diese Extrasachen hätte es vielleicht gar nicht gebraucht.
01:25:48: Sie haben ja ihre Geheimwaffe dabei und das ist die Boeing-Demo.
01:25:51: Sie haben jetzt eine neue, eine verbesserte Demo dieses Balles.
01:25:55: Der bewegt sich jetzt auch seitwärts. Es gibt ein tiefes metallisches Prallgeräusch,
01:25:59: das entstand, als der Softwareentwickler Bob Pariseau einen Schaumstoffschläger
01:26:03: gegen ein Garagentor geschlagen hat. Wir hören mal kurz.
01:26:14: Genau, wahrhaft multimedial. Und der Ball wirft sogar noch einen Schatten.
01:26:19: Das ist halt sensationell damals.
01:26:21: Und dann haben sie noch eine Demonstration einer Sprachsynthese-Software namens Softvoice.
01:26:26: Für die hat Amiga eine Lizenz gekauft und eine Regenbogendemo,
01:26:30: die alle 4096 Farben zeigt.
01:26:33: Wow! Und da braucht man gar nicht mehr so viele Versprechungen eigentlich.
01:26:36: Die können ja zeigen, ja, show not tell.
01:26:38: Die können ja zeigen, was da geht mit dem Gerät. Und die Compute ist hingerissen.
01:26:42: Sie nennt den Amiga den fortschrittlichsten jemals entwickelten PC,
01:26:46: denkt, dass er eine neue Generation einläuten könne und stark genug sei,
01:26:50: um einen IBM-PC wie einen Taschenrechner wirken zu lassen.
01:26:54: Wow.
01:26:55: Als der Redakteur dann diese Regenbogendemo in seinem Artikel erwähnt,
01:26:58: fühlt er sich noch bemüßigt dazu zu schreiben, dass das kein Tippfehler sei
01:27:02: mit den 4096 Farben, das sei dann doch echt.
01:27:05: Und diesmal ist nicht nur die Presse davon begeistert, sondern ein potenzieller
01:27:10: Investor hört hier an dieser Stelle auch zu.
01:27:13: Ja, jetzt kommt nämlich Commodore ins Spiel.
01:27:17: Auf der Juni-Messe, die das Amiga-Projekt retten soll, präsentiert das Amiga-Team
01:27:21: diesen Prototyp in seiner neuesten Version natürlich weiteren möglichen Investoren,
01:27:26: darunter auch anderen Branchengrößen.
01:27:27: Sie bieten sich jetzt auch etablierten PC- und Computerherstellern an,
01:27:31: darunter Sony, HP, Philips, Apple ist dabei, hat aber kein Interesse.
01:27:36: Silicon Graphics und da ist noch ein weiterer Hersteller in dieser Aufzählung,
01:27:39: der natürlich fehlt, Commodore und die sind interessiert.
01:27:43: Das ist ein bisschen erstaunlich, denn eigentlich scheint für Commodore ja eigentlich
01:27:46: alles gerade nach Plan zu laufen.
01:27:49: Die schwimmen gerade auf einer Erfolgswelle.
01:27:51: Sie sind gerade offiziell erkoren worden zum Milliardenunternehmen.
01:27:55: Sie sind also eine richtige Branchengröße. Hätte man gar nicht geglaubt von
01:27:59: dem ehemaligen Schreibmaschinenhersteller.
01:28:01: Und die haben ja jetzt einen Hit nach dem anderen auf den Markt gebracht,
01:28:04: auf den Heimcomputermarkt, zuerst den VC20,
01:28:07: der, könnte man sagen, den Heimcomputermarkt eigentlich erst begründet hat und
01:28:12: 1982 kam dann ja noch der C64, wie wir alle wissen, ein riesiger Hit.
01:28:17: Aber dieser Erfolg, der ist sehr teuer erkauft durch massive Preissenkungen.
01:28:23: Commodore drückt den Preis immer, immer weiter runter, um die Konkurrenz aus
01:28:27: dem Markt zu drücken, aber das geht natürlich auf Kosten der Marge,
01:28:30: also Commodore verdient daran nicht mehr so viel.
01:28:33: Und es fehlt ihnen noch etwas, es fehlt ein Nachfolgemodell.
01:28:37: Denn der C64 ist immer noch eine alte 8-Bit-Maschine, der basiert auch auf dem
01:28:42: 6502, wie so viele andere auch.
01:28:45: Aber es wäre langsam mal Zeit für was Neues, für ein Nachfolgemodell,
01:28:49: einen Heimcomputer der nächsten Generation, nach Möglichkeit ein 16-Bit-Modell.
01:28:53: Aber sowas ist nicht in Sicht.
01:28:55: Commodore hat schon mal einen Nachfolger angekündigt für den C64,
01:28:59: den C128, aber der verspätet sich.
01:29:02: Der braucht noch eine Weile und das ist auch kein 16-Bit-Gerät.
01:29:05: Und auf der Messe, auf der Sie gerade sind, hier auf der CES,
01:29:08: zeigen Sie ein paar neue Modelle, den Plus 4 und den C16.
01:29:12: Aber das sind auch wieder alte 8-Bit-Geräte, Verwandte vom C64,
01:29:16: die zudem aber nicht vollständig kompatibel sind und die auch niemanden wirklich begeistern.
01:29:21: Viele in der Presse und auch bei Commodore selbst fragen sich, was soll denn das?
01:29:26: Das ist nicht die nächste Generation, auf die wir gewartet haben.
01:29:28: Commodore arbeitet schon an einem 16-Bit-Modell. Das heißt unternehmensintern
01:29:32: C900. Hat keinen schönen Frauennamen, ein bisschen enttäuschend.
01:29:36: Und das ist ein 16-Bit-Computer auf Basis dieses Zylog Z8000-Prozessors,
01:29:41: aber der verspätet sich ständig.
01:29:43: Und das ist auch mehr so eine Workstation als ein echter C64-Nachfolger.
01:29:48: Das ist also kein Heimcomputer. Das heißt, Commodore braucht dringend einen neuen Heimcomputer.
01:29:54: Und wie sich später herausstellen wird, wir sind ja heute ein bisschen schlauer
01:29:57: als die Menschen damals, der C128 wird den C64-Erfolg nicht wiederholen,
01:30:02: wird also kein vollwertiger Nachfolger.
01:30:04: Die Modelle Plus4 und C16, die floppen, die werden nach kürzester Zeit wieder
01:30:08: eingestellt. Und der C900, der kommt gar nicht erst raus.
01:30:12: Was man damals auch noch nicht weiß, das Geschäftsjahr, was damals gerade erst
01:30:15: beginnt im Juni 84, das wird Commodore mit Verlusten abschließen,
01:30:20: nach großen Gewinnen im Vorjahr.
01:30:22: Und da kommt noch ein Problem hinzu für Commodore, deren Gründer und langjähriger
01:30:26: Präsident Jack Trammell, der hat das Unternehmen im Januar 84 im Streit verlassen
01:30:31: und viele talentierte Ingenieure sind ihm gefolgt, darunter auch einige aus dem C64-Kernteam.
01:30:37: Das heißt, Commodore ist überhaupt nicht in der Lage, einen vollwertigen Nachfolger zu entwickeln.
01:30:42: Es fehlt also an Entwicklern, es fehlt an Führung und es fehlt an einer Perspektive.
01:30:48: Und das zeigt auch der Aktienkurs. Die Aktionäre verlieren auch das Vertrauen in Commodore.
01:30:53: Im Laufe des Jahres 1984 sinkt der Commodore Aktienkurs von 60 auf 20 Dollar.
01:30:58: Das ist vernichtend für dieses Unternehmen, das eigentlich auf dem Papier doch
01:31:03: gerade so fantastisch dasteht.
01:31:05: Aber es gibt eine Menge Probleme und im Juni 1984 ist Commodore also sehr offen
01:31:11: für das, was das kleine Amiga-Team auf der CES in Chicago präsentiert.
01:31:15: Die haben Interesse.
01:31:18: Direkt nach der Messe am 8. Juni, da versammelt sich die Ingenieursabteilung
01:31:22: von Commodore zur Analyse dessen, was die Mitbewerber da vorgestellt haben.
01:31:28: Und der Commodore-Ingenieur Heini, Dave Heini, der hat dazu erzählt,
01:31:33: das sei das erste Mal gewesen, dass sie von diesem Omega-Computer gehört haben.
01:31:38: Wie heißt der?
01:31:39: Ein Omega-Computer, so wie Alpha, mit einem O.
01:31:43: Und dann beschließt man, sich dieses erstaunliche Gerät mal anzusehen.
01:31:47: Und dann wird es später von meiner vorgeführt bei Commodore Direkt.
01:31:51: Und der erzählt dann den Commodore-Leuten auch erstmal, dass es Amiga heißt und nicht Omega.
01:31:57: Unangenehm.
01:31:58: Bisschen feindlich. Und dann 16-Bit-Architektur, fortschrittliche Grafiktechnologie
01:32:03: und noch kompatibel zum IBM-PC.
01:32:06: Und dann noch dieser niedrige Preis. Das scheint ja genau das zu sein,
01:32:09: was Commodore jetzt braucht.
01:32:10: Und das Amiga-Team braucht dringend Geld und Personal, um ihn fertigzustellen.
01:32:15: Da geht doch was zwischen diesen beiden Firmen. Haney erzählte,
01:32:19: das sieht doch nach der richtigen Richtung aus für ihn.
01:32:21: Deswegen haben sie begonnen zu prüfen, ob sie den Amiga kaufen können.
01:32:25: Aber viel Zeit ist ja nicht mehr, sonst passiert ja hier der GAU und das ganze Ding fällt an Atari.
01:32:32: Also wenn Amiga bis zum 30. Juni, das sind ja jetzt nur noch drei Wochen,
01:32:36: dieses 500.000 Dollar Darlehen nicht zurückzahlt, dann ist der Chipsatz freiwillig für Atari.
01:32:42: Dieses Szenario gilt zu verhindern. Im Juni wird auch bekannt,
01:32:46: dass Chamele, der geschaste Commodore-Gründer, nun die Übernahme seines ehemaligen
01:32:51: Konkurrenten Atari plant.
01:32:52: Und das geschieht auch schon, am 2. Juli wird der Deal vollzogen.
01:32:56: Chamele kauft die Atari-Heimgerätesparte, Warner behält die Arcade-Abteilung
01:33:01: und Chamele kontrolliert damit das Geschäft mit Konsolen und Computern.
01:33:06: Und damit ist dem Amiga-Team nun erst recht klar, dass ihr Rechner unter dem
01:33:11: als rücksichtslos geltenden Tremel gar keine Überlebenschance haben wird.
01:33:15: Commodore ist jetzt die letzte Chance.
01:33:18: Ja, jetzt überschlagen sich die Ereignisse hier im Juni 84.
01:33:22: Sowohl bei Amiga, da geht es ja ums Überleben, als auch bei Commodore.
01:33:26: In gewisser Weise geht es da auch um deren Zukunft.
01:33:28: Die haben alle Angst vor Tramiel, was der mit Atari anstellt.
01:33:31: Der wird ja dort dann den ST rausbringen.
01:33:34: Und die haben Angst um ihren eigenen Markt, um den Heimcomputermarkt.
01:33:38: Die brauchen dringend neue Technik.
01:33:40: Sie ist da zum Greifen nahe, aber jetzt müssen sie schnell Nägel mit Köpfen
01:33:44: machen, um Amiga irgendwie zu retten. Und all das will in wenigen Wochen ausgehandelt
01:33:48: werden und das passiert jetzt auch.
01:33:50: Commodore beschließt, sie wollen die Lorraine-Technik übernehmen.
01:33:54: Es ist noch nicht ganz klar in diesem Moment, was genau das bedeutet,
01:33:58: ob sie jetzt die ganze Firma übernehmen oder erstmal nur den Chipsatz,
01:34:01: ob es nur um ein Lizenzgeschäft geht oder um eine Übernahme.
01:34:05: Aber bevor solche Details ausgehandelt werden können, geht es erstmal darum,
01:34:08: Amiga zu retten. Sie müssen vor Ablauf dieser Frist vor dem 30.
01:34:12: Juni eine Lösung finden für dieses Darlehen. Sie müssen ja 500.000 US-Dollar an Atari zahlen.
01:34:19: Es ist alles sehr, sehr knapp, das sehen wir. Denn am 27.
01:34:23: Juni, also drei Tage vor Ablauf dieser Frist, gibt es ein Meeting zwischen Commodore
01:34:28: und Amiga. Und dort stimmt Commodore also zu.
01:34:31: Ja, wir retten euch. Ihr kriegt einen Scheck von uns, damit ihr euch bei Atari freikaufen könnt.
01:34:37: Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, wie hoch dieser Scheck ist.
01:34:40: 750.000 Dollar sagen die einen, eine Million sagen die anderen.
01:34:45: Es muss mehr sein als 500.000, weil Amiga ja auch noch ein paar andere offene
01:34:49: Rechnungen hat und das Geschäft irgendwie weitergehen muss.
01:34:52: Mitarbeiter wollen bezahlt werden und so weiter. Und sie müssen ja auch noch
01:34:55: Zinsen zahlen auf diesen Betrag von 500.000 Dollar.
01:34:59: Das ist auch alles im Vertrag geregelt. Also 500.000 reichen nicht,
01:35:02: deswegen ist es ein bisschen mehr und das bekommen sie auch. Und am 29.
01:35:08: Juni tauchen dann auch Morse und Hart persönlich im Atari-Hauptquartier auf
01:35:13: und versuchen diesen Check loszuwerden über 500.000 Dollar plus X.
01:35:19: Ja, das ist sehr schön beschrieben in der Dokumentation, die ich vorhin erwähnte.
01:35:23: Das ist wohl gar nicht so einfach, diesen Scheck loszuwerden.
01:35:25: Den will da nämlich keiner haben oder die Leute, auf die sie dort treffen,
01:35:28: sagen, also ich bin hier nicht befugt, Geld in dieser Höhe entgegenzunehmen.
01:35:32: Und im Hintergrund, im Hinterzimmer bei
01:35:35: Atari laufen ja auch gerade die Übernahmeverhandlungen mit Jack Trammell.
01:35:39: Das passiert ja erst Anfang Juli. Also der ist gerade angeblich vor Ort,
01:35:43: sagen einige, und mischt sich auch noch dabei ein und sagt, hey,
01:35:46: wenn euch jemand einen Scheck anbietet in dieser Höhe, nehmt ihn an und stellt später Fragen. Ja.
01:35:51: Ob das jetzt stimmt oder eine Legende ist, weiß ich nicht, aber so oder so,
01:35:55: am Ende werden sie ihr Geld los, am 29.
01:35:57: Juni 1984, ein Tag vor Ablauf der Frist und damit ist es geschafft.
01:36:04: Atari ist aus dem Rennen, Lorraine ist frei, Amiga wird also kein Atari-Produkt
01:36:10: und das 1850XLD-Projekt, das Atari da geplant hat, dieser eigene Heimcomputer
01:36:15: auf Amiga-Technik-Basis, der ist damit auch am Ende schon wieder.
01:36:19: Atari braucht jetzt eine andere Lösung, die gibt es auch schon.
01:36:23: Tramell hat in dieser Zwischenphase zwischen seiner Commodore-Zeit und seiner
01:36:27: Atari-Übernahme mit ein paar Commodore-Veteranen an einem eigenen Computer gearbeitet,
01:36:32: an einem 16-Bit-Computer auf Basis des Motorola 68000.
01:36:36: Und das wird jetzt bei Atari fortgeführt und fertiggestellt.
01:36:40: Das ist denn der Atari ST und das ist ein Thema für eine andere Folge,
01:36:44: auf die ich mich sehr freue.
01:36:45: Aber damit ist das Thema Atari erst mal abgeschlossen.
01:36:49: Jetzt geht es nur noch um Amiga und Commodore. Und die müssen jetzt erst mal
01:36:54: aushandeln, wie wollen wir denn künftig überhaupt zusammenarbeiten? Das ist ja noch unklar.
01:36:59: Wir wurden jetzt erst mal gerettet, vielen Dank, aber was machen wir denn jetzt gemeinsam?
01:37:02: Und es gibt einige Stimmen bei Commodore, die wollen die Minimallösung.
01:37:06: Die wollen eigentlich nur eine Lizenz für den Chipsatz haben und auf der Basis
01:37:10: dann einen eigenen Heimcomputer bauen, einen C64-Nachfolger.
01:37:14: Das reicht. Aber es gibt andere, die favorisieren eine Komplettübernahme.
01:37:18: Und das wird auch auf Seiten von Amiga favorisiert.
01:37:22: Amiga will komplett von Commodore übernommen werden. Zumindest Dave Morris will das.
01:37:27: Das gibt ihm natürlich mehr finanzielle Sicherheit. Und das geschieht dann auch.
01:37:32: Also Morris überzeugt, seine Verhandlungspartner bei Commodore davon,
01:37:36: dass Commodore Amiga jetzt vollständig übernehmen soll.
01:37:40: Und diese Übernahme, die verkünden sie dann am 15. August 1984.
01:37:45: Commodore übernimmt die komplette Amiga Corporation für 24 Millionen Dollar.
01:37:51: Damit steht natürlich fest, dass der finale Amiga ein Commodore-Rechner sein
01:37:55: wird. Und Jay Miner sagte 1988, sie haben uns gerettet.
01:37:59: Ich glaube nicht, dass Atari das getan hätte. Die hätten sich einfach die Chips geschnappt.
01:38:03: Commodore hingegen gab uns das Geld, den ersten Amiga fertigzustellen.
01:38:07: Und das kostete eine Menge. Aus der Amiga Corporation wird nun ein Bestandteil
01:38:12: des Commodore-Konzerns namens Commodore Amiga Incorporated.
01:38:17: Und damit gehen auch personelle Änderungen einher. Rund um die Übernahme verlassen
01:38:21: Hart und Nicholson das Unternehmen. 85 geht auch Morse.
01:38:24: Es gibt dann aber auch Neueinstellungen. Es gibt ein neues Büro im kalifornischen
01:38:28: Los Gatos und neue Arbeitscomputer für das Team. Jetzt müssen sich nicht mehr
01:38:32: mehrere Entwickler einen alten
01:38:33: Sage teilen, jetzt hat jeder seine eigene Sun-Workstation auf dem Tisch.
01:38:38: So ist das bei reichen Firmen. Und der Amiga, der wird wieder mal neu ausgerichtet.
01:38:43: Der Ingenieur Bob Russell von Commodore, der will einen C64-Nachfolger machen,
01:38:48: einen günstigen, spieletauglichen Heimcomputer.
01:38:51: Aber unter Commodores Führung soll der Amiga ja ein Bürorechner werden,
01:38:55: der ebenso die alte Pad-Reihe ersetzt wie das C900-Projekt, aber dem C64 dabei
01:39:02: auch nicht im Wege steht.
01:39:04: Es ist nicht eindeutig, wer diese Umorientierung dann durchsetzt,
01:39:07: aber es ist klar, Miner, unser Freund Jay Miner, der befürwortet sie,
01:39:12: der will ja schon lange IBM herausfordern.
01:39:15: Und diese Umorientierung, die kostet wieder mal viel Zeit. Die Veröffentlichung
01:39:19: im Jahr 1984 wird kassiert, nun wird der Juni 1985 angepeilt.
01:39:25: Das lag einzig und allein daran, dass wir einen echten Computer machen wollten, sagt R.J.
01:39:30: Michael in einem Interview, denn nun braucht der Amiga passende Bürosoftware.
01:39:35: Und noch was fehlt.
01:39:37: Da fehlt noch was, ein GUI, eine grafische Oberfläche. Ja, wir müssen noch mal
01:39:41: kurz innehalten und das noch mal rekapitulieren.
01:39:44: Der Amiga wird jetzt schon wieder neu ausgerichtet. Wie oft ist das jetzt passiert?
01:39:48: Hat jemand mitgeschrieben?
01:39:49: Ursprünglich war das mal eine 8-Bit-Konsole, dann war es eine 16-Bit-Konsole,
01:39:53: heimlich gedacht von J-Minor als Superheim-Computer.
01:39:57: Dann wird es dieser Superheim-Computer und jetzt wird es ein Super-Büro-Rechner.
01:40:01: Ja, es ist ziemlich irre.
01:40:04: Und später, das wissen wir natürlich rückblickend, ist der Amiga dann aber eigentlich
01:40:09: primär eine Spieleplattform.
01:40:12: Aber daran denkt hier bei Commodore niemand. Die wollen daraus jetzt einen super Bürorechner machen.
01:40:18: Warum auch immer. Es ist nicht so ganz eindeutig, wie du schon gesagt hast,
01:40:22: wer überhaupt dafür plädiert, wer diese Entscheidung fällt, aber es spricht
01:40:25: wohl vieles dafür, dass Commodore Amiga da freie Hand lässt.
01:40:30: Die haben die übernommen und sagen denen jetzt, ja jetzt macht mal,
01:40:33: ihr seid die Profis, entwickelt ihr mal, was auch immer ihr wollt,
01:40:36: wir geben euch das Geld und wir geben euch freie Hand.
01:40:38: Und dass Jay Miner jetzt das Sagen hat, der Morris geht ja auch bald,
01:40:43: und das durchsetzt in seinem Team, dass dieser Computer jetzt zu einem Bürorechner umfunktioniert wird.
01:40:50: Nach wie vor Multimedia-fähig, das wird ja alles nicht aufgegeben.
01:40:53: Und diese Spieletauglichkeit, die ist natürlich nach wie vor gegeben,
01:40:56: aber es soll trotzdem primär ein Arbeitsgerät sein und nicht mehr primär ein Spielegerät.
01:41:02: Eine etwas seltsame Entscheidung, wenn man bedenkt, was Commodore groß gemacht
01:41:07: hat, Aber so ist es halt, zumindest zu diesem Zeitpunkt.
01:41:11: Aber was fehlt einem ambitionierten, einem ernsthaften Arbeitscomputer,
01:41:16: wie man ihn im Jahr 1985, das ist ja jetzt das neu angepeilte Veröffentlichungsdatum, erwarten kann?
01:41:23: Ja, da fehlt eine grafische Benutzeroberfläche. Das hat ja der Macintosh berühmterweise
01:41:28: und den gibt es seit Anfang 84.
01:41:30: Hat eine andere auch schon zuvor, aber der Macintosh hat das populär gemacht.
01:41:34: Sowas mit Fenstern und Icons und Maussteuerung.
01:41:37: Und sowas soll der Amiga jetzt auch bekommen.
01:41:42: Commodore überlegt kurz, eine bestehende grafische Oberfläche zu übernehmen
01:41:47: und auf den Amiga zu portieren, denn sowas gibt es ja schon.
01:41:50: Es gibt Windows bei Microsoft noch nicht so ganz, das ist noch in Entwicklung,
01:41:54: das kriegen sie wohl nicht.
01:41:55: Aber bei Digital Research zum Beispiel, da wird GEM entwickelt.
01:41:59: Das kommt dann später beim ST zum Einsatz. Das könnte man böswillig als einen
01:42:04: Klon von der macOS-Oberfläche bezeichnen.
01:42:07: Das sieht dem schon sehr ähnlich, ist aber farbtauglich. Oder es gibt da ja
01:42:11: für den C64 von Berkeley Softworks eine Oberfläche, die heißt Geos.
01:42:15: Auch das gucken die sich mal an.
01:42:17: Aber das reicht alles nicht. Zumindest gibt es einige Ingenieure und Softwareentwickler
01:42:22: bei Amiga oder bei Commodore Amiga, wie die Firma ja jetzt heißt,
01:42:26: die damit nicht zufrieden sind und die meinen, das können wir besser.
01:42:30: Und das ist vor allem der von dir gerade genannte RJ Michael.
01:42:34: Der arbeitet ja jetzt an einer dieser neuen Sun-Workstations,
01:42:39: die gerade fürs ganze Team gekauft wurden.
01:42:41: Und auf dieser Sun-Workstation läuft schon eine grafische Oberfläche.
01:42:45: Es ist nicht so genau überliefert welche, aber laut Michael ist die deutlich
01:42:49: fortschrittlicher als das, was auf dem Markt zu haben ist.
01:42:53: Also viel besser als GEM oder dieses GEOS. Deswegen hat er sehr hohe Ansprüche
01:42:57: und deswegen fängt er einfach mal im Januar 85 selbst an, so eine grafische
01:43:02: Oberfläche zu entwickeln im Alleingang.
01:43:05: Das ist primär ein Ein-Mann-Projekt.
01:43:08: Naja, er muss nicht bei Null anfangen, er kann schon auf dem grafischen Fundament
01:43:12: aufbauen, denn Denise, der zuständige Grafikchip, kann schon Linien zeichnen
01:43:17: und Fenster verschieben, Icons verschieben, Fenster ausfüllen,
01:43:22: einfarbig und so weiter.
01:43:23: All diese Funktionen sind schon definiert in fertigen Software-Bibliotheken,
01:43:28: die kann er also alle nutzen, aber trotzdem ist es natürlich eine riesige Aufgabe,
01:43:32: ein komplettes GUI, also eine grafische Oberfläche für diesen Computer zu bauen.
01:43:37: Und dafür hat er ja nur ein paar Monate Zeit.
01:43:40: Er fängt im Januar an und im Juni wollen sie ja eigentlich schon fertig sein.
01:43:44: Es dauert dann doch noch einen Monat länger, aber in diesen Monaten schafft er es tatsächlich.
01:43:48: Das ist wieder eine Zeit voller Crunch.
01:43:51: Michael sagt dazu, er habe in den meisten Wochen mehr als 100 Stunden gearbeitet,
01:43:56: also auch an den Wochenenden.
01:43:58: Und am Ende kommt tatsächlich eine funktionierende grafische Oberfläche dabei
01:44:02: raus. Die heißt Intuition, also Intuition, was ein wunderschöner Name ist, muss man mal würdigen.
01:44:10: Aber Intuition ist, anders als bei Macintosh, nicht die einzige Schnittstelle
01:44:14: zum Nutzer, sondern es gibt weiterhin eine Kommandozeile.
01:44:18: Also man kann den Amiga auch über Tastaturkommandos steuern wie ein IBM PC.
01:44:22: Das war von Anfang an geplant. Jetzt kommt eben noch diese grafische Oberfläche
01:44:26: hinzu. Und eine Maus ist auch schon länger geplant.
01:44:30: Es ist nicht so genau überliefert seit wann, denn in den allerersten Entwürfen
01:44:34: war die noch nicht dabei.
01:44:36: Aber irgendwann im Laufe der Monate ist also der Plan hinzugekommen,
01:44:39: auch eine Maus beim Amiga mitzuliefern.
01:44:42: Und das kommt dem Michael jetzt natürlich entgegen, denn eine Maus braucht er
01:44:46: für seine grafische Oberfläche ja zwingend.
01:44:48: Diese Maus wird extern entwickelt, das macht also Amiga nicht selbst,
01:44:53: dafür beauftragen sie ein Designstudio, das auch vorher schon das Joyboard und
01:44:59: die Powersticks entworfen hat für Amiga und die dürfen auch die Tastatur bei
01:45:03: der Gelegenheit gleich noch mitentwickeln.
01:45:04: Und so fügt sich das Ganze zu einem Gesamtpaket zusammen.
01:45:10: Die Hardware und die Software nähern sich jetzt der Fertigstellung und mit jedem
01:45:14: Prototyp ist die Serientauglichkeit näher.
01:45:18: Lorraine ist mittlerweile allerdings passé. Auf Lorraine folgt ein neuer Prototyp,
01:45:22: der heißt Velvet und auf Velvet folgt Zorro. Ich weiß nicht,
01:45:26: ob das der Name irgendeiner Ehefrau ist, vermutlich nicht.
01:45:31: Und auf Zorro folgt schließlich der fertige Amiga. Aber vorher sind noch ein
01:45:37: paar kleine Entscheidungen zu fällen.
01:45:39: Ja, aber wir sind jetzt hier im Endspurt. Dem Management wird klar,
01:45:43: 128 Kilobyte Arbeitsspeicher sind dann doch zu wenig, auch wegen der neuen grafischen Oberfläche.
01:45:49: Meiner plädiert nach wie vor für 512 und einigt sich dann mit Commodore auf
01:45:55: 256 Kilobyte und eine ebenso große optionale Erweiterung.
01:46:00: Rückblickend ist Meiner nicht glücklich mit der Lösung, denn mit den ständig
01:46:04: sinkenden Speicherpreisen wäre im Jahr 1985 dann mehr möglich gewesen.
01:46:08: Aber da ist es zu spät, sagt er.
01:46:10: Das ist eins seiner größten Ärgernisse in seiner gesamten Karriere gewesen,
01:46:13: die kurzsichtigen Marketingleute.
01:46:16: Es ist immer dasselbe. Das Marketing ist schuld oder der Vertrieb.
01:46:20: Und die Ingenieure nie. Andere Entscheidungen in der Spätphase der Entwicklung sind weniger strittig.
01:46:25: Sie hatten ein 5,25 Zoll Laufwerk geplant, das kommt jetzt nicht mehr.
01:46:28: Es wird ein moderneres 3,5 Zoll Modell, wie es auch der Macintosh und der ST hat.
01:46:33: Das interne Modem wird wieder gestrichen, das wäre mit 300 Baut auch nicht mehr zeitgemäß gewesen.
01:46:39: Und auch äußerlich nimmt der Amiga jetzt seine finale Form an.
01:46:43: Der schwarze Metallkasten von Lorraine weicht einem seriösen Kunststoffgehäuse
01:46:48: im zeitgenössischen Beige, wie man das damals machen musste,
01:46:52: gestaltet und gefertigt in Japan bei Sanyo.
01:46:55: Das ist nicht so futuristisch wie die schwungvollen Entwürfe,
01:46:59: die der Miner gezeichnet hat.
01:47:00: Es ist halt eher so ein klassischer monolithischer kantiger Quader,
01:47:04: aber halt näher an der Serientauglichkeit und auch näher am Look and Feel von den IBM-Maschinen.
01:47:11: Und wer das Gehäuse öffnet, der entdeckt im Inneren des Kunststoffdeckels die
01:47:15: eingravierten Namen des Entwicklerteams, genau wie das beim Apple Macintosh der Fall ist.
01:47:20: Und neben den Unterschriften von Meiner, Nicholson, Michael und anderen ist
01:47:25: auch ein Pfotenabdruck zu sehen, nämlich der von Mitchie, der Hündin von Meiner.
01:47:30: Die genießt nämlich auch bei Commodore Amiga den Status einer offiziellen Mitarbeiterin.
01:47:36: Man sieht, der Amiga mag sich oft gewandelt haben im Laufe der Jahre,
01:47:40: aber manche Dinge nicht.
01:47:41: Ändern sich nicht. Computer kommen und gehen, Hunde Pfoten bleiben bestehen.
01:47:46: Ah, schön.
01:47:48: Im Juli 1985, nach drei Jahren Entwicklung und ebenso vielen Konzeptänderungen,
01:47:53: ist der Amiga nun endlich bereit für die Weltöffentlichkeit.
01:47:58: Henner, für die Revolution.
01:48:00: Ah, endlich. Das war aber auch eine wilde Entstehung. Ich habe zwischendurch
01:48:04: noch gedacht, das wird nichts, der Amiga kommt nie.
01:48:08: Obwohl ich es besser wissen sollte, rückblickend. Ich habe ja schließlich Speedball 2 draufgespielt.
01:48:13: Aber wie dieser Computer am Ende im Detail aussieht, wie er funktioniert,
01:48:17: wie er eingeführt wird und vom Markt angenommen, ob die Menschen in ihm eine
01:48:21: Büromaschine sehen oder doch eine Spielemaschine, wie der Amiga weiterentwickelt
01:48:26: und weiter gedacht wird, wie er schrumpft und dabei über sich hinauswächst,
01:48:30: das besprechen wir in der nächsten Folge.
01:48:32: Bis dahin sage ich vielen Dank, Henner, und vielen Dank euch fürs Zuhören. Wir hören uns.
01:48:37: Bis dahin.