Stay Forever

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00:00:07: Hallo liebe Hörerinnen und Hörer und moin Christian.

00:00:10: Moin Henner.

00:00:11: Christian, wir hörten ja gerade die Stimme Erich Honeckers, der war einst das

00:00:16: Staatsoberhaupt der DDR.

00:00:17: Und dieses Zitat, das kanntest du bestimmt schon, aber weißt du auch,

00:00:21: bei welcher Gelegenheit Honecker das zuerst gesagt hat?

00:00:26: Ich hätte jetzt gesagt, bei irgendeinem Parteitag oder irgendeiner Parteiversammlung oder sowas.

00:00:34: Da hat das auch gesagt, ja.

00:00:35: Ja, Punkte für mich, auf jeden Fall.

00:00:40: Zum ersten Mal zumindest dokumentiert, hat er diese Worte von Ochs und Esel,

00:00:46: die den Sozialismus nicht aufhalten können, gesagt am 14. August 1989.

00:00:53: So spät?

00:00:53: Ja, kurz vor dem Ende der DDR. Da hat er im Erfurter Kombinat Mikroelektronik

00:01:00: das erste Exemplar eines neuen DDR-produzierten Prozessors überreicht bekommen.

00:01:05: Das war der erste 32-Bit-Prozessor der DDR, mit dem das Land endlich den Anschluss

00:01:10: finden sollte an die Computerindustrie im Westen.

00:01:13: Und wie es dazu kam, ob es überhaupt dazu kam und wie oft das versucht wurde,

00:01:19: das werden wir jetzt erörtern, denn wir sprechen über Computer aus der DDR,

00:01:24: vor allem über zwei Reihen von Heimcomputern.

00:01:27: Das ist ja schon bezeichnend, dass der Herr Honecker angesichts eines solchen

00:01:31: technischen Wunderwerks an Ochs und Esel denkt, an das altehrwürdige Gespann,

00:01:38: das auf dem Feld eingesetzt wird.

00:01:40: Aber ja, meine Gedanken an die DDR-Computertechnik oder DDR-Computer waren,

00:01:45: glaube ich, auch nicht allzu weit davon entfernt von diesem Gedanke.

00:01:49: Erst mindestens mal der Strom, der davon notwendig ist, noch von dem Ochsen

00:01:52: erzeugt wird, der hinterm Haus im Kreis läuft.

00:01:54: Denn wir beide sind ja alt genug, dass wir den Mauerfall miterlebt haben.

00:01:59: Ich war damals 13, als die Mauer gefallen ist.

00:02:02: Und mit 13 hatte ich nur ein sehr eingeschränktes Verständnis von Weltpolitik.

00:02:07: Aber das reichte schon für so einen westlichen Snobismus.

00:02:11: Als wir dann damals auf Klassenfahrt rübergefahren sind nach Sonneberg in Thüringen,

00:02:15: da wurde mein persönliches Vorurteil bestätigt, dass ich von unserem deutschen

00:02:21: Nachbarstaat hatte, nämlich da war alles gelöst.

00:02:23: Trist und grau und rückständig. Und ich hatte das Gefühl,

00:02:27: ich bin hier in der Zeit zurückgereist und in einem Land gelandet,

00:02:30: das Jahre bis Jahrzehnte hinterher ist und dachte natürlich automatisch,

00:02:35: das muss auch für die Computertechnik gelten, wenn es denn überhaupt eine gibt da drüben in der DDR.

00:02:39: Das wusste ich nämlich damals nicht. Und um ehrlich zu sein,

00:02:41: wusste ich es bis vor kurzem, bis ich dein Dossier gelesen habe, auch nicht so richtig.

00:02:47: Denn ich habe mich nie vertieft oder überhaupt mit der Computertechnik und den

00:02:52: Heimcomputern in der DDR auseinandergesetzt bisher.

00:02:56: Und ich bilde mir ein, das geht vermutlich einem Gutteil unserer westlichen

00:03:00: Zuhörerinnen und Zuhörer auch so.

00:03:03: Und da freue ich mich doch sehr, dass wir diejenigen heute mit auf eine Reise

00:03:08: nehmen können, die ihnen das Ganze näher bringt, was diejenigen von unseren

00:03:12: Zuhörerinnen und Zuhörern, die im Osten aufgewachsen sind, vermutlich noch aus

00:03:15: eigenem Erleben kennen werden.

00:03:17: Ich wusste bis vor einigen Jahren auch nicht allzu viel darüber.

00:03:20: Darüber dann allerdings habe ich ein Buch zum Thema gelesen und mich selbst

00:03:23: auch mit meinem eigenen DDR-Heimcomputer befasst, der hier auch neben mir steht.

00:03:28: Und ich habe durchaus Respekt gewonnen durch diese Beschäftigung mit dem Thema

00:03:33: für die Leistung der Ingenieure aus der DDR, die eigene Heimcomputer erschaffen

00:03:39: haben unter sehr schwierigen Bedingungen.

00:03:41: Aber dazu kommen wir gleich noch in unserer Erzählung. Ich habe meine Recherche

00:03:46: zu diesem Thema, um das Ganze nochmal aufzufrischen, wie so oft begonnen mit

00:03:50: einem Blick in Vinnie Forsters Nachschlagewerk Spielkonsolen und Heimcomputer.

00:03:54: Und weißt du, Christian, was in diesem Buch steht über die Heimcomputer der DDR?

00:03:59: Wenn du schon so fragst, nichts. Ja, genau. Echt? Nichts.

00:04:04: Nichts. Die werden nicht erwähnt. Ganz viele obskure Systeme werden genau beschrieben,

00:04:09: sowas wie ein Sharp MZ80, von dem hier auch noch nie jemand was gehört hat,

00:04:14: aber kein DDR-Heimcomputer, obwohl das veritable Spielegeräte sind.

00:04:19: Ich glaube, wir, die wir im Westen sozialisiert wurden mit Commodore und Atari,

00:04:24: wissen einfach noch zu wenig über diese Geräte und das wollen wir heute ändern.

00:04:28: Auf jeden Fall, das machen wir. Okay, dann galoppieren wir mal los wie Ochs

00:04:31: und Esel. Wo fangen wir an, Henner?

00:04:33: Wir sprechen ja üblicherweise zu Beginn lang und breit über die Entstehung und

00:04:38: die Historie eines einzelnen Unternehmens.

00:04:41: Aber heute ist die Vorgeschichte vor allem die Geschichte eines ganzen Landes, nämlich der DDR.

00:04:47: Dort gab es keine eigenständigen Unternehmen, wie wir sie im Westen kennen.

00:04:51: Dort waren Politik und Wirtschaft sehr eng miteinander verbunden.

00:04:55: Wir erzählen also gleich ausführlich, wie es in der DDR zum Aufkommen einer

00:04:59: Computerindustrie kam, welche Höhen und Tiefen sie erlebt hat,

00:05:03: bis sie schließlich die Heimcomputer hervorgebracht hat, die wir heute näher behandeln.

00:05:08: Klären wir noch ein paar Grundlagen für all die Spätgeborenen,

00:05:11: die nicht wie wir beide damals noch in der DDR waren zu Besuch,

00:05:15: die vielleicht sogar die Existenz dieses Staates überhaupt nicht mehr miterlebt

00:05:20: haben, denn den gab es ja nur bis 1990.

00:05:23: Also in aller Kürze fasse ich mal kurz 41 Jahre DDR zusammen in ungefähr 41

00:05:30: Sekunden, damit es diejenigen, die schon Bescheid wissen, nicht zu sehr langweilt. Ich versuch's mal.

00:05:36: Die Deutsche Demokratische Republik, DDR, wurde 1949, kurz nach dem Zweiten

00:05:41: Weltkrieg, gegründet in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands.

00:05:44: Dadurch war sie ein Teil des sogenannten Ostblocks, eng gebunden an die UdSSR.

00:05:48: Sie wurde totalitär regiert durch

00:05:50: die nicht frei gewählte Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, SED.

00:05:54: Statt freier Marktwirtschaft herrschte zentralisierte Planwirtschaft,

00:05:57: der Staat bestimmte Produktionsgüter und Mengen der Industrie.

00:06:00: Viele Unternehmen und Spezialisten wanderten daher in den Westen ab.

00:06:03: Zudem kam es in den 60ern zu einer Verschlechterung der Versorgungslage und

00:06:07: damit zur Massenflucht, die 1961 durch Grenzschließung gestoppt wurde.

00:06:11: Aber nach einer friedlichen Revolution samt Mauerfall 89 ging die DDR schließlich 1990 in der BRD auf.

00:06:19: So, haben wir das hinter uns.

00:06:21: Zu riesigen und nebenwöchigen. Das war ein flottes Tempo. Sehr gut.

00:06:29: Ja, wenn wir jetzt dann über die Geschichte sprechen werden,

00:06:32: der Heimcomputer, dann hat das natürlich eine Herleitung, die Jahrzehnte überspannen

00:06:36: wird, aber der Schwerpunkt liegt auf den 80er Jahren, muss er ja auch, denn wie gesagt,

00:06:40: 1989, 90 ist es dann vorbei mit der DDR und nur nochmal kurz als Kontext,

00:06:45: die 80er Jahre sind im Westen, in der BRD und auch in den USA und so weiter,

00:06:50: die Zeit, in der die Heimgeräte in die Haushalte kommen.

00:06:55: Also erst 8-Bitter, sowas wie VC20, der C64,

00:06:59: Atari 8-Bit und sowas oder auch erste Heimkonsolen, das Atari 2600,

00:07:04: das NES und es ist gegen Ende der 80er dann auch der Anfang des 16-Bit-Zeitalters

00:07:08: mit sowas wie Amiga und ST.

00:07:10: Also das ist sozusagen der Kontext im Westen, die Schablone,

00:07:14: gegen die wir dann alles halten, was in der DDR passiert.

00:07:17: Aber wenn wir nochmal ein Stück weiter zurückspringen und diese Geschichte dann

00:07:21: aufrollen, der ganzen Halbleitertechnik, der Computerelektronik und so weiter

00:07:25: in der DDR, dann haben wir als Ausgangspunkt grundsätzlich das Jahr 1947.

00:07:29: 1947, da wird der moderne Transistor entwickelt und in den westlichen Industrienationen

00:07:35: leitet sich daraus dann die Informationstechnik ab.

00:07:38: Das beginnt in den 50er Jahren und das führt dann ziemlich schnell zu einem

00:07:41: bestimmenden technologischen und wissenschaftlichen und auch wirtschaftlichen

00:07:45: Faktor, der neue Wirtschaftszweige hervorbringt und dann auch durchsickert in

00:07:50: alle gesellschaftlichen Bereiche.

00:07:52: So ist das im Westen. Und dann haben wir ja aber die sozialistischen Länder

00:07:56: des Ostblocks, die durch den Warschauer Pakt von 1955 zusammengehalten werden

00:08:01: und dazu gehört auch die DDR.

00:08:03: Und da wird generell die Halbleitertechnik viel langsamer angenommen.

00:08:08: Und das, obwohl die Voraussetzungen für ein Erblühen dieser neuen Technologie

00:08:14: im Osten und insbesondere in der DDR eigentlich erstaunlich gut sind.

00:08:18: Genau, denn dort auf dem Gebiet der DDR werden schon seit Jahrzehnten klassische

00:08:24: mechanische Büromaschinen gebaut und aus dieser Büromaschinenindustrie entwickelt

00:08:29: sich ja die Computerindustrie.

00:08:31: Man denke an IBM, das den westlichen Computermarkt im 20.

00:08:35: Jahrhundert lange dominiert und das ebenfalls angefangen hat mit solchen klassischen

00:08:41: Büromaschinen wie Lochkartensortierern oder Tabelliermaschinen.

00:08:46: Wir hatten das ja neulich auch erst bei Commodore, die haben ja auch erst mit

00:08:49: Schreibmaschinen angefangen und dann Taschenrechner und kamen dann zu den Computern.

00:08:53: Ganz genau. Und solche Büromaschinenhersteller, die gibt es eben dort schon.

00:08:57: In Städten wie Chemnitz oder Erfurt oder Leipzig, da stehen schon seit dem frühen 20.

00:09:03: Jahrhundert entsprechende Fabriken für Tischrechenmaschinen und andere Arten von Büromaschinen.

00:09:09: Es geht sogar so weit, dass vor dem Zweiten Weltkrieg sich ungefähr 80 Prozent

00:09:14: der gesamten deutschen Büromaschinenindustrie auf das Gebiet der späteren DDR konzentrieren.

00:09:20: Das heißt, da gibt es viel mehr als im Westen.

00:09:24: Und direkt nach dem Krieg läuft dort auch die Produktion schon wieder an.

00:09:28: Die Produktionszahlen erreichen sogar sehr bald schon das Vorkriegsniveau und

00:09:33: übertreffen es, obwohl ja viele industrielle Anlagen in der DDR durch die Sowjetunion

00:09:39: demontiert und nach Russland geschickt wurden.

00:09:42: Und es gibt noch einen wesentlichen Standortfaktor, nämlich das Unternehmen

00:09:46: Carl Zeiss, das ja bis heute existiert in Jena.

00:09:49: Das ist damals schon ein weltweit führendes Unternehmen auf dem Gebiet der Feinmechanik

00:09:53: und auch Carl Zeiss hat eben seinen Sitz in der DDR.

00:09:57: Und es gibt nicht nur industriell gute Voraussetzungen für dieses Aufblühen

00:10:03: der Computerindustrie in der DDR, es gibt auch eine entsprechende Forschungslandschaft in der DDR,

00:10:08: denn die moderne Rechentechnik ist ja nur möglich mit Grundlagenforschung und

00:10:13: mit konstanter Weiterentwicklung auf mehreren Gebieten, Mikroelektronik, Physik und Chemie.

00:10:19: Auch dafür sind die Voraussetzungen in der jungen DDR sehr gut mit renommierten

00:10:24: Forschungsinstitutionen, industriell und universitär.

00:10:28: Es gibt sechs Universitäten und drei TUs auf dem DDR-Gebiet,

00:10:32: die auch schon 1945, direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, wieder zu forschen beginnen.

00:10:39: Und in den folgenden zehn Jahren werden auch viele weitere Hochschulen gegründet,

00:10:42: mehr als im Westen, als in der BRD.

00:10:45: Also auch in der Hinsicht eigentlich beste Voraussetzungen für eine weltweit

00:10:49: führende, vielleicht sogar Computerindustrie in der DDR.

00:10:52: Und trotzdem hat diese neue Computertechnik, die da aufkommt in den 50er Jahren,

00:10:58: einen erstaunlich schweren Stand in der DDR.

00:11:01: Das gibt zwar ab 1959 an der Technischen Universität in Dresden schon einen

00:11:07: frühen transistororientierten Computer, den D4A,

00:11:10: aber das ist ein Einzelstück, das bleibt zunächst eine Ausnahme,

00:11:14: denn die Forschung in der DDR ist ja staatlich gesteuert und reglementiert und

00:11:19: die Fokussierung, die Vorgabe von oben heißt, bitte produktorientiert forschen,

00:11:23: industrieverbunden forschen.

00:11:24: Also es gibt jetzt nur in Ausnahmefällen eine freie Forschung,

00:11:27: wo so technologisches Neuland erkundet werden könnte.

00:11:30: Die SED-Führung hat da den Finger drauf.

00:11:33: Und dementsprechend sind die Universitäten, die Forschungseinrichtungen darauf

00:11:36: angewiesen, was die SED-Führung wiederum erkennt als eine zukunftsfähige Technologie.

00:11:41: Und dazu gehören die Halbleitertechnik und die Computerindustrie erstmal nicht.

00:11:47: Im Gegenteil, das gilt eigentlich als etwas, was so ein industrialistischer

00:11:52: Auswuchs des Kapitalismus ist, des Klassenfeinds.

00:11:54: Aber es gibt natürlich auch noch die Herstellerseite in der DDR und auch die

00:11:58: sind eigentlich ganz zufrieden mit dem Status Quo.

00:12:01: Und dementsprechend dauert es also ziemlich lange, bis der erste Digitalkomputer

00:12:05: in der DDR entsteht. Der ist noch Relais-basiert, ein Großrechner, der heißt Oprema.

00:12:10: 1954 findet das statt. Nicht bei einem der etablierten Büromaschinenhersteller,

00:12:16: von denen du vorhin schon gesprochen hast, sondern bei Carl Zeiss in Jena,

00:12:19: bei dieser Vorzeigefirma.

00:12:21: Und damit ist jetzt formell das Computerzeitalter auch in der DDR angekommen,

00:12:26: aber auch hier wieder der Oprema bleibt ein Einzelstück und die Industrie bleibt

00:12:31: auf dem Kurs. Wir machen weiterhin unsere Büromaschinen.

00:12:35: Sogar im Jahr 1960 arbeiten die Archimedes-Werke in Glashütte mit einem Team

00:12:42: noch an mechanischen Rechenmaschinen.

00:12:45: Also die sind zu diesem Zeitpunkt schon längst überholt.

00:12:48: Aber bald schon wird es schwer, diese veralteten Geräte ins Ausland zu verkaufen.

00:12:52: Das ist natürlich auch ein Fokus der DDR-Industrie, Geräte für den Export herzustellen,

00:12:58: aber die will halt irgendwann niemand haben.

00:13:01: An der Tatsache, dass die DDR-Industrie da schon bis zum Anfang der 60er in

00:13:06: den Rückstand gekommen ist, ist aber dieses Ausland auch nicht ganz unschuldig.

00:13:10: Ja, das stimmt. Der Zweite Weltkrieg ist ja vorbei,

00:13:14: aber auf ihn folgt ein neuer Krieg, nämlich der Kalte Krieg,

00:13:18: der geprägt wird durch den Wettstreit der Systeme Sozialismus im Osten und damit

00:13:22: auch die Planwirtschaft und Demokratie und Marktwirtschaft im Westen.

00:13:26: Der Warschauer Pakt gegen die NATO oder gegen den ganzen kapitalistischen,

00:13:31: angeblich imperialistischen Westen.

00:13:33: Und dieser westliche Komplex, angeführt von den Vereinigten Staaten,

00:13:37: der möchte verhindern, dass die Sowjetunion, dieser große, böse Systemfeind,

00:13:42: Zugriff erhält auf moderne technologische Entwicklungen aus dem Westen.

00:13:46: Also die westlichen Staaten, die tauschen sich alle untereinander aus.

00:13:49: Da gibt es ja freie Wirtschaft und auch freie Wissenschaft.

00:13:53: Die Wissenschaftler können sich durchaus austauschen.

00:13:56: Aber die Sowjetunion darf darauf keinen Zugriff erhalten,

00:14:00: das wünscht die USA und so gründen die westlichen Staaten rund um die USA und

00:14:05: gefördert von den USA im Jahr 49 den Koordinationsausschuss für multilaterale Ausfuhrkontrolle.

00:14:12: Das ist etwas unhandlich, dieser Name, deswegen bleiben wir beim Kürzel.

00:14:16: Der heißt nämlich kurz COCOM, Coordinating Committee.

00:14:22: Und das ist ein Gremium, das Verbotslisten mit Technologien und Produkten erarbeitet,

00:14:27: die nicht an Länder unter sowjetischem Einfluss geliefert werden dürfen.

00:14:31: Das ist also ein Handelsembargo und davon betroffen sind vor allem natürlich

00:14:35: Waffen, klar, auch Kernenergie-Technik und dazu gehört auch Mikroelektronik.

00:14:41: Das heißt, westliche Unternehmen dürfen nicht oder sollten zumindest nicht ihre

00:14:47: modernen Entwicklungen an die Sowjetunion oder an Staaten des Ostblocks liefern.

00:14:52: Das schaffen zwar immer mal wieder sowjetische Länder und auch westliche Konzerne,

00:14:57: das zu umgehen, aber das ist ein immenser Aufwand.

00:15:01: Und so schaffen es moderne Computer und Bauteile aus den führenden Industrienationen

00:15:06: wie den USA oder auch Japan kaum durch den eisernen Vorhang.

00:15:10: Das meiste muss also in der Sowjetunion und auch in der DDR in Eigenregie entwickelt werden.

00:15:15: Die können nicht einfach Transistoren

00:15:17: aus dem Westen kaufen und in ihren eigenen Computern verbauen.

00:15:20: Und diese Embargos, die bleiben auch in den folgenden Jahrzehnten bis zum Ende,

00:15:24: bis zum Zusammenbruch des Ostblocks bestehen und die machen der DDR Computertechnik

00:15:30: auch bis zu ihrem Ende schwer zu schaffen.

00:15:32: Das werden wir immer wieder hören in dieser Geschichte. Und das ist besonders

00:15:36: tragisch aus Sicht der DDR-Wirtschaft,

00:15:38: weil die SED-Führung nun so langsam doch mal erkennt, dass die Mikroelektronik

00:15:45: und damit auch die Computertechnik vielleicht nicht so ganz unbedeutend ist

00:15:49: und dass man die Entwicklung forcieren sollte.

00:15:52: Es ist ja ein zentral gesteuertes System, wie wir vorher schon gesagt haben.

00:15:55: Deswegen wird es höchste Zeit, dass nun auch die Partei, die Führungsinstanz das erkennt.

00:16:00: Mitte der 50er Jahre, da ist der Chef der DDR, Walter Ulbricht,

00:16:04: der Vorsitzende des Zentralkomitees der SED und also der Regierungschef und

00:16:08: der läutet dann den Sinneswandel ein.

00:16:10: Zum einen kommen da Impulse aus der Sowjetunion. Da finden ja in der Zwischenzeit

00:16:14: Pionierleistungen statt, wie zum Beispiel der Sputnik-Satellit.

00:16:18: Und zum anderen wird aber halt auch bald in der Industrie klar,

00:16:22: Es muss jetzt in elektronische Datenverarbeitung investiert werden,

00:16:25: sonst kommt man in einen gravierenden Rückstand gegenüber anderen Nationen auf der Welt.

00:16:30: Vor allen Dingen deswegen, weil die elektronische Datenverarbeitung die Arbeit effizienter macht.

00:16:34: Und dieser Mangel an Effizienz schlägt sich dann langsam nieder in der DDR-Industrie.

00:16:39: Ab 1956 gibt es den zweiten Fünf-Jahres-Plan, der die Investitionen und die

00:16:45: Produktion in der DDR festlegt.

00:16:47: Und darin forciert Ulbricht dann die Entwicklung moderner Rechentechnik.

00:16:50: Da steht, Zitat, wir müssen die weitestgehende Mechanisierung und Automatisierung

00:16:55: der Produktion herbeiführen, bestimmte Arten geistiger Tätigkeit maschinell

00:17:00: lösen, zum Beispiel durch die Produktion von Elektronen-Rechenmaschinen, Zitat Ende.

00:17:05: Und mehr noch übrig fordert sogar die Erreichung des Weltstandes auf möglichst

00:17:09: vielen Gebieten der Wissenschaft und Technik.

00:17:12: Und das schließt natürlich auch die Mikroelektronik ein.

00:17:15: Und diesen Worten folgen dann Taten. 1957

00:17:18: wird ein Beirat für naturwissenschaftlich-technische Forschung etabliert.

00:17:22: Im gleichen Jahr wird dann die gesamte Computerentwicklung der DDR in einem

00:17:27: neuen Industriebetrieb in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, gebündelt.

00:17:32: Die Fertigung der nötigen Halbleiterkomponenten wird dann unterstützt durch

00:17:35: einen neuen Dresdner Betrieb für die Herstellung von Sondermaschinen.

00:17:40: Die Aufgabe, westliche Fertigungsanlagen sind nachzubauen.

00:17:45: Bürokratiesprech so schön, Zitat, der Betrieb hat zugleich die Aufgabe,

00:17:50: die aus dem westlichen Ausland importierten Spezialeinrichtungen den Notwendigkeiten

00:17:54: entsprechend zu vervielfachen.

00:17:56: Zitat Ende. Das gefällt mir sehr gut.

00:17:59: 1964 beschließt die SED die Entwicklung und Einführung der elektronischen Datenverarbeitung

00:18:05: in der DDR mit einem Investitionsvolumen von 400 Millionen Mark, also Ostmark.

00:18:11: Eine zentral gesteuerte Wirtschaft hat in dem Fall eines solchen landesweiten

00:18:17: Programms dann durchaus mal auch Vorteile, weil die Staatsführung kann Ressourcen umverteilen,

00:18:22: ohne dass sie jetzt da Profitabilitätsgedanken oder der öffentlichen Meinung groß unterworfen wäre.

00:18:27: Dementsprechend wird zum Beispiel die Fernseherfabrik in Radeberg kurzerhand

00:18:32: umgewidmet und soll in Zukunft elektronische Rechenmaschinen produzieren.

00:18:36: Oder Bergmänner des Braunkohlebetriebs in Oelsnitz werden umgeschult und sind

00:18:42: ab dann Ingenieure für Fertigungstechnik. Und da spielen dann überraschend schnell

00:18:47: auch ideologische Bedenken keine zentrale Rolle mehr.

00:18:50: Im Gegenteil, nun gilt die neue Technik sogar als Voraussetzung für die Realisierung des Sozialismus.

00:18:56: Zitat, mit den elektronischen Rechenmaschinen erhält die Planwirtschaft eigentlich

00:19:01: erst die notwendige technische Grundlage.

00:19:03: Jetzt kann die Planung wesentlich vervollkommnet werden. Das stammt aus dem

00:19:09: Neuen Deutschland, also der zentralen Tageszeitung der DDR, die schreibt das im März 1964.

00:19:15: Und 67 behauptet ein internes Papier der SED sogar,

00:19:19: dass unter sozialistischen Produktionsverhältnissen wesentlich bessere Möglichkeiten

00:19:23: für den Einsatz der Datenverarbeitung mit hohem ökonomischen Nutzeffekt gegeben

00:19:28: sind, als das in den kapitalistischen Ländern möglich ist.

00:19:32: Das ist vielleicht auch so eine Art Ansporn an einen selbst in der sozialistischen

00:19:38: DDR, eine Hoffnung auf die Zukunft, aber das Ganze muss ja jetzt erstmal irgendwie

00:19:41: unterfüttert werden mit Taten.

00:19:43: Ja, halten wir mal kurz inne und stellen fest, es gab jetzt schon zwei Anläufe,

00:19:48: diese Computerindustrie der DDR zum Laufen zu bringen.

00:19:51: 1956 mit dem zweiten Fünfjahresplan, da heißt es, wir müssen die Produktion

00:19:55: automatisieren mit Elektronenrechenmaschinen, da ist jetzt von Computern direkt noch nicht die Rede.

00:20:00: Und 1964 kommt dann der zweite Versuch. Die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung

00:20:07: in der DDR wird dann beschlossen.

00:20:09: Also einmal in den 50ern und einmal in den 60ern.

00:20:11: Und das wird sich noch ein paar Mal wiederholen. Das ist jetzt nicht der letzte

00:20:16: Versuch. Sie versuchen es wirklich immer wieder.

00:20:18: Das ist auch eine Beharrlichkeit, die man bewundern muss.

00:20:21: Es wird halt immer klarer und immer offensichtlicher, dass man diese Technologie

00:20:25: braucht, um Produkte weiterhin für den Weltmarkt produzieren zu können,

00:20:31: die auch eine Chance haben, gegen westliche Produkte zu bestehen.

00:20:34: Denn in immer mehr Produkten kommt ja diese Elektronik zum Einsatz.

00:20:38: Nicht nur in Computern, sondern auch in den Maschinen.

00:20:40: Und die DDR ist über Jahrzehnte hinweg ein wichtiger großer Maschinenhersteller und Exporteur.

00:20:46: Und deswegen ist das durchaus wichtig. Sie brauchen die Maschinen nicht nur

00:20:50: für die eigene Wirtschaft, sondern auch für den Export.

00:20:53: Ja, und einige von den Taten, die da folgen, hast du schon aufgezählt.

00:20:57: Es werden also Unternehmen gegründet.

00:21:01: Kombinate, wie sie dort heißen, und Institute und Beiräte und alle möglichen

00:21:07: Instrumente, um die Weiterentwicklung oder die Entwicklung der Computerindustrie

00:21:12: zu fördern. Und das geht so weiter.

00:21:15: 1966 wird im Industriebetrieb in Karl Marxstadt ein neuer Großrechner entwickelt.

00:21:21: Also es gab ja schon den Oprema-Großrechner, aber dieser hier ist wesentlich moderner.

00:21:27: Das ist der Robotron 300. 100.

00:21:30: Das ist ein Name, das klingt so, als würde der sich bei erster Gelegenheit aus

00:21:33: dem Fertigungsgebäude erheben und die Stadt verwüsten.

00:21:37: Das stimmt. Und es gibt doch auch ein Arcadespiel von 1982, das Robotron 2084 heißt.

00:21:45: Ja, stimmt.

00:21:46: Gibt es da vielleicht sogar einen Kampfroboter, der Städte zerstört?

00:21:49: Ich weiß es nicht, ich habe es nie gespielt.

00:21:51: Das wäre ja fantastisch, wenn das Spiel aus den 80ern sich auf den DDR-Großrechner

00:21:55: aus den 60ern beziehen würde. Aber ich glaube, das ist nicht so.

00:21:59: Das ist natürlich ein zusammengesetztes Wort, da geht es um Robotik und Elektronik

00:22:03: und das ergibt diesen schönen Namen Robotron, der wahrscheinlich auch außerhalb

00:22:07: der DDR einigermaßen bekannt ist.

00:22:09: Also der war mir auch geläufig, bevor ich mich mit dem Thema befasst hatte.

00:22:13: Ist ein schöner Name, finde ich.

00:22:15: Ja, ein gefährlicher Name.

00:22:17: Ja, Robotron 300 ist eben kein Kampfroboter, sondern es ist ein Großrechner,

00:22:22: aber keine Eigenentwicklung, sondern ein Nachbau eines IBM Modells namens 1401.

00:22:28: Das heißt, die Strategie ist jetzt schon langsam erkennbar.

00:22:32: Wir hatten das ja schon vorher gehört, dass da Spezialmaschinen für die Bauteilefertigung

00:22:37: aus dem Westen kopiert werden sollen. Und das geschieht hier auch.

00:22:41: Das ist nicht ehrenrührig. Das kann man der DDR jetzt nicht wirklich vorwerfen.

00:22:45: Sie sind eigentlich darauf angewiesen, Produkte aus dem Westen nachzubauen,

00:22:49: weil es ja keinen offenen Austausch gibt und keine einfache Möglichkeit,

00:22:53: solche Geräte zu importieren.

00:22:54: Auch die Sowjetunion ist da nicht allzu hilfreich, muss man sagen.

00:22:58: Die DDR ist da weitgehend auf sich allein gestellt und die müssen diese Dinge

00:23:02: nachbauen, um einigermaßen mithalten zu können.

00:23:06: Robotron 300, dieser Großrechner, ist also bald fertig und das ist ein Erfolgsmodell,

00:23:12: wird dann auch in Serie gefertigt, naja in geringen Stückzahlen,

00:23:15: das ist ja ein Großrechner, aber er wird mehrfach hergestellt und an diesem

00:23:19: Projekt zur Entwicklung und Herstellung des Robotron Rechners sind mehr als

00:23:24: 20 Betriebe aus der ganzen Nation beteiligt.

00:23:28: Diese Zusammenarbeit, diese landesweite Zusammenarbeit in einem Herstellerverbund

00:23:33: ist so erfolgreich, dass sie dann 1969 zur Gründung eines Kombinats führt,

00:23:39: das den Namen dieses Produkts enthält.

00:23:41: Das ist also die Geburtsstunde des Kombinats Robotronen. Das ist jetzt also

00:23:45: nicht mehr der Name des Computers, sondern auch des Herstellers,

00:23:48: wenn man so will, der dahinter steht.

00:23:50: Jetzt müssen wir allerdings mal erklären, was genau ist denn ein Kombinat?

00:23:54: In der DDR gibt es ja keine Firmen im westlichen Sinn, sondern volkseigene Betriebe, VEBs.

00:24:03: Und diese Betriebe können dann in dem zentral gelenkten Wirtschaftssystem der

00:24:08: DDR zusammengeschlossen werden für den Zweck der Herstellung eines bestimmten

00:24:13: Produktes zum Beispiel, wie eben dieses Robotron-Großrechners.

00:24:16: Und das nennt man dann Kombinate, also diese Verbindung aus mehreren volkseigenen Betrieben.

00:24:21: Im Endeffekt kann man sich das so vorstellen wie einen verzweigten Konzern im Westen.

00:24:26: Nur, dass wir es hier nicht mit selbstständigen Unternehmen zu tun haben,

00:24:30: sondern das sind Betriebe, die einem Ministerium unterstellt sind.

00:24:32: In diesem Fall ist es das Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik.

00:24:36: Das gibt es erst seit 1966. Auch das ist übrigens ein Ausfluss dieses zweiten

00:24:41: Anlaufes, das jetzt ernst zu nehmen mit der Entwicklung der Mikrotechnologie in der DDR.

00:24:47: Und dieses Kombinat Robotron, das ist jetzt auch, wenn man so möchte,

00:24:51: der erste Protagonist in unserer Erzählung, der uns über weite Strecken erhalten bleiben wird.

00:24:56: Auch wenn wir jetzt hier von einem Kombinat, einem Firmenzusammenschluss sprechen

00:25:00: und nicht von einer Person.

00:25:02: Denn das Kombinat Robotron, das nimmt dann fortan eine führende Rolle ein in

00:25:07: der Entwicklung und Herstellung von DDR-Computern.

00:25:10: Diese Computer, die dort entstehen, die werden innerhalb der Republik eingesetzt,

00:25:14: aber die werden auch exportiert, in dem Fall vor allen Dingen in die Sowjetunion.

00:25:18: Im Westen würde man sie schon auch exportieren, nur da haben die schlichtweg

00:25:22: keine Chance, weil sie in ihrer Technologie der Konkurrenz hinterher hinken,

00:25:25: und zwar um 5 bis 15 Jahre.

00:25:27: Das heißt, was von Robotron in die BAD rüberkommt, das sind in erster Linie

00:25:32: Schreibmaschinen nach wie vor.

00:25:34: Und Robotron hat den Stammbetrieb, also den Unternehmenssitz,

00:25:37: wenn man so will, in Dresden, in Sachsen.

00:25:40: Und dort in Sachsen konzentrieren sich dann bald auch die meisten Robotron-Betriebe,

00:25:44: die also zu diesem Kombinat gehören

00:25:45: und auch andere Unternehmen aus der Elektrotechnik und der Elektronik.

00:25:50: Dresden hat einfach den nötigen wissenschaftlichen Hintergrund.

00:25:53: Du hast ja vorhin schon diesen Tischrechner D4A, diesen frühen Transistorrechner

00:25:57: erwähnt. Der ist auch an der TU in Dresden entstanden zum Beispiel.

00:26:00: Da ist also die Dichte an Forschern und entsprechend ausgebildeten Fachkräften relativ hoch.

00:26:05: Und das liegt auch noch an einer anderen kuriosen Geschichte.

00:26:09: Denn die Computerindustrie hochzuziehen, jetzt schon zum zweiten Mal,

00:26:13: das ist nicht der erste Versuch der DDR, eine große eigene Industrie aufzuziehen.

00:26:19: Denn 1954 hat die SED-Führung schon mal so etwas versucht.

00:26:24: Nämlich, sie wollte eine eigene Luftfahrtindustrie aufbauen,

00:26:27: die mit dem Westen konkurrieren kann.

00:26:29: Das hat allerdings nicht geklappt. Die Sowjetunion sollte eigentlich Flugzeuge

00:26:33: bestellen, die war als großer Abnehmer für eigene Flugzeuge aus DDR-Produktion

00:26:38: vorgesehen, aber die hat nichts bestellt.

00:26:40: Und dann wurde 1961 das Ganze wieder eingestellt.

00:26:44: Das ist etwas, was nur in einem zentral gelenkten Wirtschaftssystem möglich

00:26:49: ist, dass einfach mal so ein kompletter Wirtschaftszweig aus dem Boden gestampft

00:26:54: wird, ohne Rücksicht auf Verluste und auf kurzfristige Gewinne.

00:26:58: Aber dann, wenn es nicht klappt, sieben Jahre später auch wieder dichtgemacht.

00:27:01: Und dann werden alle umgeschult, die Experten aus der Luftfahrtforschung.

00:27:04: Und die sollen sich dann künftig um Elektrotechnik und Automatisierung kümmern.

00:27:09: Auch um zu verhindern, dass sie in die Bundesrepublik abwandern.

00:27:12: Und diese Konzentration an Fachkräften, die bildet jetzt Ende der 60er Jahre

00:27:16: die Grundlage für den neuen sächsischen Industriekomplex Robotron.

00:27:22: Dem die Führungsrolle zufällt beim Aufbau der DDR-Computerindustrie.

00:27:26: Und dieses Kombinat, das wächst rasch, wenn auch nicht immer zugunsten des Kerngeschäfts,

00:27:32: wie der ehemalige Entwicklungschef Dr.

00:27:34: Gerhard Merkel später mal in einem Interview berichtet hat.

00:27:38: Er sagte, wenn dem Kombinat Bauleute fehlten, wurde ein Baubetrieb eingegliedert.

00:27:43: Wenn keine Klimatechnik zu haben war, sollten wir einen Klimatechnikbetrieb kaufen.

00:27:48: Das ist wenig effizient, aber es geht nicht anders, weil Robotron ja Maschinen,

00:27:54: Rohstoffe, Bauteile nicht einfach auf dem Weltmarkt beziehen kann,

00:27:58: wie es die westlichen Computerhersteller machen.

00:28:01: Nun entsteht also hier dieser zunehmend aufgeblähte Konzern,

00:28:05: würde man sagen, aus westlicher Sicht, aber eben dieses Kombinat.

00:28:08: Und das bleibt dann aber auch nicht allein.

00:28:11: Uns fehlt noch ein zweiter Protagonist sozusagen, also eine zweite Instanz,

00:28:15: die wichtig werden wird für den späteren Verlauf der Geschichte,

00:28:17: nämlich noch ein zweites Kombinat, das Kombinat Mikroelektronik in Erfurt.

00:28:22: Das wird 1978 aus der Taufe gehoben, weil nämlich in der Zwischenzeit auch außerhalb

00:28:27: des Kombinats Robotron noch andere Betriebe in der DDR sich mit der Herstellung

00:28:33: von Halbleiterbauteilen beschäftigen.

00:28:35: Und die werden dann eben knappes Jahrzehnt später gebündelt zu diesem zweiten Kombinat.

00:28:40: Da gehört zum Beispiel das VEB-Röhrenwerk Mühlhausen dazu in Thüringen,

00:28:45: die zunächst Elektronenröhren machen und dann später auch Halbleiterelemente

00:28:49: und Taschenrechner zum Beispiel produzieren.

00:28:51: Und später werden dann aus Mühlhausen auch Computer kommen. Aber das sind wir

00:28:55: schon in den 70ern, soweit sind wir noch nicht ganz.

00:28:57: Die Tatsache, dass da also erst das eine, dann das andere Kombinat entsteht,

00:29:02: das ist das Ergebnis eines Sinneswandels, eines sogar doppelten Sinneswandels in der SED-Führung.

00:29:08: Wir erinnern uns, die DDR bemüht sich ja in dieser Zeit, also wir sind jetzt

00:29:12: wieder in den 60ern, den Rückstand zum Westen aufzuholen.

00:29:15: Und für dieses 1964 aufgelegte Investitionsprogramm werden dann statt der ursprünglich

00:29:21: geplanten 400 Millionen, die

00:29:23: wir schon genannt haben, bis 1970 sogar 2,6 Milliarden Ostmark ausgegeben.

00:29:29: Aber das reicht immer noch nicht.

00:29:31: Der technische Rückstand bleibt, auch eben, weil dieses CoCom-Embargo existiert,

00:29:36: aber auch, weil die Produktion zu ineffizient ist.

00:29:39: Es mangelt an geeignetem Personal, es mangelt an Material, es mangelt auch an

00:29:43: der Grundlagenforschung.

00:29:46: Und dann erhält im Jahr 1971 die noch junge Computerbranche der DDR einen weiteren Dämpfer.

00:29:51: Denn in diesem Jahr wird Walter Ulbricht entmachtet.

00:29:55: Ein neuer Mann kommt an die Macht und das ist Erich Honecker.

00:29:59: Und wo Walter Ulbricht zumindest noch diesen weiten Blick in die Zukunft hatte,

00:30:05: zu sagen, wir brauchen hier langfristige Strukturpolitik, wir müssen hier in

00:30:08: die Zukunft der Industrie investieren, da hält der Erich Honecker eher weniger davon.

00:30:14: Und unter ihm werden dieser Mikroelektronik-Branche dann die Gelder zusammengestrichen.

00:30:18: Gerhard Merkel sagt über diese Zeit, Zitat, mit Honecker ging es radikal runter mit Robotron.

00:30:24: Wir bekamen wenige Absolventen und die Investitionen gingen runter. Zitat Ende.

00:30:30: Und das zu einer Zeit, wo im Jahr 1971 in den USA, drüben, mit dem Intel 4004

00:30:37: der erste Mikroprozessor in Serie geht.

00:30:39: Und dieser Zukunftsindustrie wird gleichzeitig in der DDR mit Honecker die Zukunft genommen.

00:30:46: Ja, denn Honecker verfolgt einen ganz anderen Plan.

00:30:50: Wir haben ja schon gehört, in der DDR geht nichts ohne langfristigen Plan und

00:30:54: Ulbrichts Plan war sehr langfristig angelegt.

00:30:57: Der Weltstand sollte ja erreicht werden in der Elektroindustrie,

00:31:02: aber Honecker verfolgt solche Ziele

00:31:04: nicht. Sein Credo ist die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik.

00:31:09: Das beschwört er immer wieder bis zu seinem Ende.

00:31:12: Er will den Wohlstand der Menschen steigern durch eine bessere Versorgungslage

00:31:17: mit Versorgungsgütern,

00:31:19: mit Gütern des täglichen Bedarfs, aber auch mit Luxusgütern und damit zugleich

00:31:23: die inländische Wirtschaft ankurbeln und ganz nebenbei auch die Akzeptanz der

00:31:28: SED-Politik in der Bevölkerung erhöhen.

00:31:30: Denn allzu beliebt ist die nicht, wen sollte das wundern, unter einem diktatorischen Regime.

00:31:35: Ja und Halbleiter und sowas sind dafür nicht so entscheidend.

00:31:39: Ihm geht es vielmehr um Konsumgüter, um Staubsauger, um Fernseher, um Transistorradios.

00:31:45: Das, was die Leute wirklich haben wollen. Ganz oft wollen sie das,

00:31:49: weil sie es im Fernsehen gesehen haben.

00:31:51: Nicht im DDR-Fernsehen, sondern im Westfernsehen, was viele verbotenerweise

00:31:55: in der DDR über die Grenze empfangen.

00:31:57: Und dort sehen sie Werbefernsehen aus der BRD und dort viele schöne bunte Produkte

00:32:03: elektronischer Natur und nicht elektronischer und die wollen sie haben.

00:32:07: Und so versucht Honecker eben mit seinem Credo der Einheit von Wirtschafts-

00:32:11: und Sozialpolitik genau diese Konsumgüterindustrie anzukurbeln.

00:32:17: Allerdings hält das wieder nicht allzu lange an. Du sagtest ja schon,

00:32:21: es gibt einen doppelten Sinneswandel.

00:32:23: Also erst streicht Honecker die ganzen Investitionsprogramme für die Mikroelektronik

00:32:27: zusammen, aber dann wird ihm relativ bald klar, dass diese neue Politik den

00:32:32: Export von Maschinen gefährdet. Denn darauf ist die DDR angewiesen.

00:32:37: Das ist ja ein sehr rohstoffarmes Land.

00:32:39: Die müssen zum Beispiel Rohöl aus der Sowjetunion importieren und vieles andere.

00:32:45: Die müssen das ausgleichen durch den Export von produzierten Gütern,

00:32:50: von Maschinen insbesondere.

00:32:51: Und diese Maschinen, die sind halt immer häufiger, wir sagten das vorhin schon,

00:32:56: mit Mikrochips ausgestattet. Man braucht also die Mikroelektronik, um zu überleben.

00:33:02: Und deshalb gilt es jetzt schon wieder mal, das ist der dritte Versuch für alle,

00:33:06: die hier mitzählen, den Rückstand zum Westen aufzuholen in der Mikroelektronik,

00:33:11: in der Computerindustrie.

00:33:12: Und das ist eine schier unlösbare Aufgabe, sagt nicht ich, sondern das sagt

00:33:18: ein ehemaliger DDR-Politiker namens Alexander Schalk-Kolotkowski,

00:33:22: der hat später in einem Buch geschrieben, es gab keine andere Wahl.

00:33:26: Auf dem Weltmarkt würde es keine Maschinen ohne moderne Elektronik mehr geben.

00:33:30: Entweder jetzt eine gigantische Kraftanstrengung oder unser Ende als Industrienation wäre absehbar.

00:33:38: Zitat Ende. Das ist eine dramatische Aussicht, das Ende als Industrienation,

00:33:44: zurück zum Bauernstaat quasi, das will die DDR nicht,

00:33:47: das kann sie sich auch nicht erlauben und so erklärt die SED wieder mal im Jahr

00:33:52: 1977 die Entwicklung und den

00:33:55: Einsatz der Mikroelektronik zur zentralen volkswirtschaftlichen Aufgabe.

00:33:59: Also nach 56 und 64 ist das jetzt der dritte Anlauf.

00:34:04: Und eines der Resultate, du hast es ja gerade schon erzählt,

00:34:07: ist das Erfurter Kombinat Mikroelektronik, das 78 dann ja gegründet wird.

00:34:13: Eine Sache aus Honeckers Idee

00:34:15: von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik bleibt dabei bestehen.

00:34:19: Und bizarrerweise ist das die wichtigste Grundlage dafür, dass jetzt dann in

00:34:25: der Folge Mikro- und Heimcomputer in der DDR entstehen werden.

00:34:29: Nämlich mit dieser Idee von der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik und

00:34:34: der Förderung des Konsums hält eine Konsumgüterquote Einzug in die Industrie.

00:34:40: Das bedeutet, die SED gibt vor, dass alle Betriebe auch Konsumgüter herzustellen haben.

00:34:48: Sogar Betriebe, die bislang ausschließlich Dinge produzieren,

00:34:52: die entweder für die Industrie gedacht sind, um weitere Dinge produzieren zu

00:34:56: können oder für den Export oder sowas.

00:34:58: Und die Vorgabe ist, 5% der Produktion jedes Betriebs muss umgestellt werden

00:35:03: auf die Herstellung von Konsumgütern für den Binnenmarkt.

00:35:07: Und das hat teilweise bizarre Folgen. Also was macht eine Werft zum Beispiel,

00:35:11: wie die Neptun Werft in Rostock?

00:35:13: Naja, die stellen dann halt Flaschenöffner her in ihrer Not.

00:35:15: Oder in Gnaschwitz gibt es ein Sprengstoffwerk.

00:35:18: Auch schwierig. Was sollen die jetzt für Zuhause liefern? Die machen dann Fliegenklatschen.

00:35:23: Ist ja auch logisch, beides knallt.

00:35:25: Und dann haben wir Robotron. Die machen ja auch erst mal Dinge,

00:35:29: die nicht für die Leute zu Hause gedacht sind.

00:35:32: Die müssen in ihrer Node auch irgendetwas herstellen, was man in die Läden stellen kann.

00:35:36: Und die machen in einem Betrieb in Sömmerda Entsafter für die Küche.

00:35:41: Also das ist alles ziemlich bizarr und klingt jetzt auch nicht unbedingt effizient.

00:35:45: Aber nichtsdestotrotz, diese Vorgabe, diese Konsumgüterquote,

00:35:49: die wird gleich noch wichtig.

00:35:51: Ja, ich muss mich aber hier mal entschuldigen. Ich habe gerade laut gelacht

00:35:54: und wir spotten hier ein wenig, aber eigentlich ist das unfair,

00:35:57: denn ich finde, dieser Pragmatismus, der verdient auch Bewunderung.

00:36:02: Das Braunkohlekraftwerk Jenschwalde, ein weiteres schönes Beispiel,

00:36:07: ein Kraftwerk wohlgemerkt, das hat Bügelbretter hergestellt.

00:36:09: Es gibt einen Lokomotivenhersteller der DDR, der Gartenmöbel hergestellt hat.

00:36:15: Das ist alles lustig, aber es heißt auch, die waren nicht zu stolz für sowas.

00:36:19: Sie haben einfach geprüft, wo gibt es Bedarf, wo gibt es Lücken in den Regalen

00:36:24: der Geschäfte und was können sie mit ihren Anlagen und ihrer Expertise herstellen.

00:36:29: Und dann haben sie es einfach gemacht.

00:36:30: Das ist eine Anpassungsfähigkeit, die da auch dahinter steckt, zweifellos.

00:36:56: Ein Auswuchs dieser Industrie und dieser Konsumgüterquote ist eben der Heimcomputer,

00:37:02: zu dem wir jetzt langsam kommen.

00:37:05: Der Westen erlebt in der zweiten Hälfte der 70er Jahre die PC-Revolution.

00:37:11: Der Computer wird persönlich, er verlässt das Rechenzentrum und gelangt auf

00:37:15: den Schreibtisch eines einzelnen Nutzers. Dafür schrumpft er erstmal zum Mikrocomputer,

00:37:20: während seine Leistung wächst.

00:37:22: Er wird erschwinglicher und

00:37:23: dabei nützlicher. Das führt uns etwa zum PC-Urvater Altair 8800 von 1975.

00:37:31: Okay, der ist noch von überschaubarer Nützlichkeit.

00:37:34: Vor allem aber führt uns das zur Dreifaltigkeit von 1977 aus Apple II,

00:37:40: Commodore PET und Tandy TRS-80 und 79 dann zum Atari 400, dem vielleicht ersten

00:37:48: echten Heimcomputer, günstig, nutzerfreundlich, spieletauglich.

00:37:52: Und auch in der DDR werden in den späten 70ern die Weichen gestellt,

00:37:57: die schließlich zu solchen Geräten führen.

00:37:59: Unter anderem bringt die landeseigene IT-Industrie die nötige technische Grundlage

00:38:04: für solch einen Computer hervor, den Prozessor.

00:38:08: Genau, was braucht man, um so einen Computer zu machen? Einen Prozessor.

00:38:12: Und zu diesem Robotron-Kombinat gehört in Dresden auch das Zentrum für Forschung und Technik.

00:38:17: Dort beginnt 1974 die Arbeit an dem ersten Mikroprozessor der DDR.

00:38:22: Das ist ein 8-Bit-Chip und der heißt U808. Und diese CPU, wobei wir sollten

00:38:28: im DDR-Jargon bleiben, da heißt es natürlich ZRE für Zentrale Recheneinheit.

00:38:33: Also diese ZRE ist keine Eigenentwicklung, sondern auch das ist ein Nachbau,

00:38:38: wie wir es vorher schon gesehen haben und auch in dieser Geschichte noch häufiger hören werden.

00:38:42: In dem Fall ein Nachbau des Intel 8008, der aus dem Jahr 1972 stammt.

00:38:48: Und dieser DDR-Prozessor, der erste, der U808, der steckt dann in diversen Geräten

00:38:53: und Maschinen, also in Tischrechnern zum Beispiel der Reihe Robotron K100X.

00:38:59: Aber für einen echten PC ist der noch zu langsam.

00:39:03: Das heißt, da muss jetzt ein Nachfolgechip her, da würde es sich wieder anbieten,

00:39:07: ein West-Modell zu klonen, in dem Fall der Intel 8080, der kommt im Westen im

00:39:12: Jahr 1974 raus und der ist dort der Motor dieser PC-Revolution,

00:39:16: die du gerade schon beschrieben hast.

00:39:17: Das ist zum Beispiel der Prozessor, der in dem Altair 8800 steckt.

00:39:21: Aber die DDR-Ingenieure orientieren sich stattdessen an einem anderen Prozessor

00:39:26: aus dem Westen. Das erzählt Dr.

00:39:28: Merkel so, Zitat, 1977 hieß es dann, wir könnten den Rückstand schneller aufholen,

00:39:35: wenn wir auf Zilog-Mikroprozessoren setzen, Zitat Ende.

00:39:39: Das hat jetzt allerdings nicht

00:39:40: unbedingt technische Gründe, sondern der Hintergrund war laut dem Dr.

00:39:45: Merkel, dass die, Zitat, Beschaffungsorgane an die Unterlagen des No-Name-Anbieters

00:39:50: Zilog besser herankamen als an Intel.

00:39:52: Die wussten ihre Betriebsgeheimnisse zu schützen, Zitat Ende.

00:39:56: Also im Klartext, die Stasi kann halt einen Z80 leichter besorgen als einen Intel-Chip.

00:40:01: Und so entsteht dann der neue 8-Bit-Prozessor, der U-880, der dann ab 1980 durch

00:40:09: das Kombinat Mikroelektronik in Erfurt in Serie gefertigt wird.

00:40:13: Und dessen Grundlage ist, wie gesagt, ein Z80 von Zilog.

00:40:18: Logischerweise ohne Lizenz. Die Geschichte des Computers in der DDR ist eine

00:40:22: Geschichte des Klonens und Abkupferns.

00:40:24: Aber wenn wir ehrlich sind, das ist nicht nur dort der Fall,

00:40:27: denn dieser Z80, der ja in den USA entwickelt wird, ist selbst auch ein Klon des Intel 8080.

00:40:33: Da gucken die Unternehmen halt dann voneinander ab. Aber dieser U-880,

00:40:38: der wird dann tatsächlich zu einem der wichtigsten Prozessoren im Ostblock,

00:40:42: nicht nur in der DDR, sondern auch in anderen sozialistischen Ländern in den 80er Jahren.

00:40:46: Der steckt dann in Computern aus Polen, aus der Tschechoslowakei,

00:40:49: aus Ungarn, aus Rumänien und so weiter.

00:40:52: Aber vor allen Dingen kommt er in der DDR selbst zum Einsatz,

00:40:55: zum Beispiel in Schachcomputern oder Lerncomputern oder auch in dem berühmten

00:40:59: Polyplay, dem Arcade-Automaten aus der DDR, auch in Bürorechnern und natürlich in Heimcomputern.

00:41:06: Aber nicht sofort. Der erste Mikrocomputer der DDR, der 1981 rausgebracht wird,

00:41:12: ist noch kein Heimcomputer, sondern so ein Bürorechner.

00:41:16: Das ist der A5110 mit diesem U880 Prozessor. Der sieht ein bisschen kurios aus,

00:41:22: nicht so sehr wie wir uns einen PC vorstellen, der hat auch keinen Bildschirm,

00:41:26: sondern das ist so eine Art übergroße Schreibmaschine. Da kommt also Papier raus.

00:41:31: Sieht sehr lustig aus. Wenn ihr Kapitelbilder euch ansehen könnt,

00:41:35: dann werft mal einen Blick drauf.

00:41:38: Aber dieses Gerät ist trotzdem der Vorbote der späteren Heimcomputer.

00:41:42: Nun ist also der Prozessor verfügbar innerhalb der DDR mit seinen Systembausteinen

00:41:48: und den nötigen Speicherschaltkreisen.

00:41:51: Das ist alles innerhalb der DDR aus eigener Produktion ohne Westimporte verfügbar.

00:41:55: Das ist die Ausgangslage zu Beginn der 80er Jahre.

00:41:59: Und nun kommt ein Herr ins Spiel, den wir heute noch häufiger hören werden,

00:42:04: der eine ganz zentrale Rolle für unsere Geschichte spielt. Und das ist Herr Dr.

00:42:09: Werner Domschke. Der leitet ab 1982 innerhalb des Betriebs in Mühlhausen die

00:42:16: Abteilung Geräteentwicklung.

00:42:18: Und dort entsteht einer der wesentlichen Heimcomputer der DDR. Ja.

00:42:24: Das liegt daran, dass man auch dort in Mühlhausen Honeckers Konsumgüterquote zu spüren bekommt.

00:42:30: Die stammt ja aus den 70er Jahren, aber in den 80ern wird sie nochmal verschärft.

00:42:35: Das kann aber Herr Domschke am besten mal selbst erklären, denn ich hatte die

00:42:39: Gelegenheit für diese Episode mit ihm persönlich zu sprechen.

00:42:43: Es waren damals zu der Zeit die Läden in Deutschland, also in Ostdeutschland,

00:42:48: ziemlich leer, was so Konsumgüter betrifft. Deswegen wurde jedem Betrieb nahegelegt,

00:42:54: irgendein Konsumgut zu produzieren.

00:42:56: Und nicht unbedingt Dinge, die jetzt für die Firma Relevanz sind,

00:42:59: sondern eben um Konsumgüter zu produzieren.

00:43:02: Ja, was lag also näher beim Kombinat Mikroelektronik und auch bei Robotronen,

00:43:07: bei der Konkurrenz sozusagen, als einen Heimcomputer zu entwickeln, als Konsumgut?

00:43:13: Und hier wie dort arbeiten, wie es der Zufall will, Mitarbeiter sowieso schon

00:43:18: ohne Auftrag von oben an Machbarkeitsstudien für solche massentauglichen Computer,

00:43:24: für solche Mikrocomputer, für jedermann.

00:43:26: Deswegen kommen sie dieser staatlichen Forderung, jetzt endlich mal Konsumgüter

00:43:30: herzustellen, ganz gerne nach.

00:43:33: Und so beginnt zuerst bei Robotron die Entwicklung eines Heimcomputers.

00:43:38: Ja, schon seit 1979 denken die Robotron-Ingenieure über den Bau eines Kleinstrechners

00:43:45: nach, der programmierbar sein soll und den damals ja noch kommenden U880-Prozessor benutzen soll.

00:43:52: Gedacht ist es als Nachfolger von diesen Tischrechnern der K100X-Serie,

00:43:57: die wir schon kurz erwähnt haben und dementsprechend auch für den professionellen Einsatz gedacht.

00:44:01: Ich dachte also jetzt nicht als Heimcomputer für jedermann, was auch schlichtweg

00:44:04: an den Kosten liegt, denn damals schätzt man bei Robotron, dass so ein Gerät

00:44:08: ungefähr 5000 Mark kosten würde und das kommt deswegen als Konsumgut nicht in Frage.

00:44:14: Aber genau so ein Konsumgut wird ja gefordert von der SED-Führung und ab 1980

00:44:19: sogar noch vehementer als zuvor, weil die Menschen in der DDR durchaus Geld

00:44:24: haben, das sie gerne ausgeben würden,

00:44:27: aber es kaum ausgeben können, weil nicht genügend Konsumgüter da sind.

00:44:31: Dann erarbeiten mehrere Robotron-Betriebe passende Konzepte.

00:44:36: Aus Berlin wird zum Beispiel ein Leer-Computer vorgeschlagen.

00:44:39: In Dresden entsteht ein Konzept für einen programmierbaren Taschenrechner.

00:44:44: Und in Sömmerdahl 1982 die Idee für einen richtigen Heimcomputer.

00:44:49: Nach dem Vorbild das Commodore VC20.

00:44:53: Nur so ein VC20 lässt sich nicht so ohne weiteres nachbauen in der DDR,

00:44:58: denn da stecken ja Spezialchips drin.

00:45:01: Also zum einen natürlich die CPU, die in dem Fall eine 6502 ist und keine Z80-CPU.

00:45:07: Aber zum Beispiel auch der WIC-Spezialchip, der Grafikchip, das VC20,

00:45:12: da hat das Kombinat in der DDR schlichtweg keinen Zugriff drauf,

00:45:16: geschweige denn, dass sie den nachbauen könnten.

00:45:19: Dementsprechend beginnt dann im Januar 1983 die Arbeit an einem eigenständigen

00:45:23: Heimcomputer, der kein Nachbau ist, sondern eine Eigenentwicklung.

00:45:26: Ohne Vorbild eines westlichen Rechners und ohne vor allen Dingen Schaltkreise

00:45:31: oder Bauteil aus dem Westen etwas, was komplett selbst entsteht.

00:45:34: Und dieser Heimcomputer trägt den Namen Z9001.

00:45:38: Bei dem Namen bleibt es allerdings nicht, ohne zu viel vorwegzunehmen.

00:45:43: Was soll dieser Z9001 sein? Was soll er können?

00:45:47: Also das Pflichtenheft, was hier bei Robotron geschrieben wird,

00:45:51: das sieht einen kompakten Rechner vor, einen minimalistischen Rechner,

00:45:55: der aber erweiterungsfähig sein soll.

00:45:58: Also mit weiteren Steckmodulen oder Peripherie, um weitere Fähigkeiten erweiterbar.

00:46:04: Auf Basis des U880 natürlich. Ganz einfach aufgebaut und deswegen günstig herzustellen

00:46:10: und dadurch möglichst günstiger als diese 5000 Mark, die da ursprünglich mal

00:46:15: veranschlagt wurden für einen möglichen Mikrocomputer.

00:46:19: Um Geld zu sparen, sieht man dann auch bestehende Heimelektrogeräte vor,

00:46:24: die beim Konsumenten schon vorhanden sind als Zubehör für die Ein- und Ausgabe.

00:46:29: Sprich, als Laufwerk soll einfach ein Kassettenrekorder dienen,

00:46:33: was die meisten schon zu Hause haben.

00:46:35: Und als Ausgabegerät, als Monitor, ein Fernseher.

00:46:39: Den haben ebenfalls die meisten Menschen, auch wenn das meistens noch ein Schwarz-Weiß-Fernseher ist.

00:46:44: In der Hinsicht unterscheidet sich dieser Z9001 also nicht von den Heimcomputern

00:46:48: im Westen. Die werden ja anfangs auch meistens noch an Kassettenrekorder angeschlossen

00:46:52: oder an die Datasette und an den Fernseher.

00:46:56: Allerdings beim Z9001 ist nicht nur ein Farbmodell vorgesehen,

00:47:00: sondern auch ein Schwarz-Weiß-Modell, das etwas günstiger ist,

00:47:03: weil sehr viele Menschen eben zu Beginn der 80er Jahre noch einen Schwarz-Weiß-Fernseher haben.

00:47:07: Übrigens nicht nur in der DDR, wir hatten auch einen Schwarz-Weiß-Fernseher

00:47:10: damals. Und zur Programmierung, auch das kennen wir im Westen,

00:47:14: soll BASIC, die Programmiersprache, die den Branchenstandard darstellt, zum Einsatz kommen.

00:47:21: Der geplante Rechner, der bei Robotron hier entwickelt wird,

00:47:24: der soll aber keine Rastergrafik darstellen können, also nicht einzelne Pixel

00:47:28: ansteuern, sondern nur Zeichen.

00:47:31: Wobei man aus den Zeichen, die nicht nur Buchstaben sein können,

00:47:35: sondern auch Sonderzeichen, auch einfache Pseudografiken zusammensetzen kann.

00:47:40: Das ist ganz ähnlich wie beim VC20 von Commodore.

00:47:43: Aber dadurch, dass er eben keine Vollgrafik beherrscht, ist er ein bisschen

00:47:46: weniger geeignet für Spiele.

00:47:48: Aber dafür ist er auch nicht primär vorgesehen, sondern es geht hier um die schnelle Textausgabe.

00:47:53: Man darf nicht vergessen, Robotron ist ja nun mal ein Spezialist für Büromaschinen.

00:47:57: Also die Arbeit ist schon noch das, was sie vorwiegend vorsehen als Einsatzbereich

00:48:03: für ihren Rechner, nicht so sehr das Spielen.

00:48:06: Für die Arbeit ist er trotzdem nur begrenzt zu gebrauchen, weil er keine richtige

00:48:10: Schreibmaschinentastatur hat, also das unterscheidet ihn dann doch deutlich

00:48:13: vom VC20, der ja berühmterweise eine sehr gute Tastatur hatte,

00:48:17: zumindest verglichen mit anderen Heimcomputern.

00:48:19: Die kriegt er nicht, denn das ist bei Robotron zu teuer und so entscheiden sie

00:48:24: sich für eine Gummitastatur, wie sie in kleinerer Form auch in Taschenrechnern zum Einsatz kommt.

00:48:31: Das kennen wir auch von Sinclair zum Beispiel.

00:48:34: Die ist sehr viel billiger, aber sie ist wirklich fürchterlich,

00:48:37: aber dazu kommen wir später noch.

00:48:39: Dafür gibt es aber noch eine positive Entwicklung. Während der Entwicklung dieses

00:48:43: Heimcomputers fallen nämlich die Preise für Speicherchips. Das Phänomen kennen

00:48:48: wir auch aus der Commodore-Folge.

00:48:49: Allerdings geschieht es da natürlich im Westen.

00:48:52: In der DDR passiert das Gleiche und so können sie die ursprünglich vorgesehenen

00:48:56: 2 Kilobyte Arbeitsspeicher aufstocken auf 16 Kilobyte. Immerhin.

00:49:03: Das Ganze kommt rasch voran, auch weil die SED-Führung, die ja alles zentral

00:49:08: steuert und alles absegnen muss, dieses Projekt, dieses Heimcomputerprojekt

00:49:12: bei Robotron nach Kräften unterstützt.

00:49:15: Die fördern das, indem sie zusätzliche

00:49:17: Mitarbeiter bereitstellen und auch bürokratische Hürden abbauen.

00:49:21: Denn die sind üblicherweise sehr groß, weil eben alles zentralistisch gesteuert

00:49:25: wird und jeder einzelne Arbeitsschritt von oben abgesegnet sein muss.

00:49:29: Hier hat Robotron etwas mehr freie Hand, um dieses Projekt zu beschleunigen.

00:49:34: Dieser Volksrechner genießt nämlich Priorität, auch wenn er nicht so ganz unumstritten

00:49:41: ist, wie sich im Sommer 83 zeigt. Da ist die Entwicklung noch nicht ganz abgeschlossen,

00:49:46: aber es gibt zumindest einen lauffähigen Prototyp.

00:49:49: Der hat den Spitznamen Shafy, möchte ich das mal aussprechen.

00:49:54: Das ist ein seltsamer Name. Es ist ein Insider. Wir wissen nicht genau,

00:49:59: was es damit auf sich hat.

00:50:00: Das ist wohl der Spitzname einer Entwicklerin, die an diesem Heimcomputerprojekt beteiligt war.

00:50:05: Der war jedenfalls nicht vorgesehen als finaler Produktname,

00:50:09: aber das steht halt noch auf dem Prototyp drauf,

00:50:12: der hier im Sommer 83 auf einer Messe vorgestellt wird, nämlich hochrangigen

00:50:18: Funktionsträgern von Staat und Partei.

00:50:20: Und es gibt einen historischen Bericht der Technischen Sammlung in Dresden,

00:50:24: Zitat, er enthielt nicht ungeteilte Zustimmung.

00:50:28: Das betraf sowohl den Sinn und Zweck des Gerätes, den englisch klingenden Namen,

00:50:33: das geht gar nicht, als auch das verbesserungswürdige Design.

00:50:39: Naja, das Design ändert sich noch, der Name auch.

00:50:42: Das Gerät heißt am Ende ja weder Schafi oder Schäfi noch Z9001,

00:50:48: aber dazu kommen wir gleich noch.

00:50:49: Und schließlich ändert sich ja auch noch der Zweck. Es wird ja am Ende leider

00:50:54: doch kein Heimcomputer, zumindest nicht so wie ursprünglich geplant.

00:50:57: Aber die Entwicklung läuft weiter, trotz dieses Auftritts.

00:51:01: 1984 ist die Entwicklung dann abgeschlossen und der Computer ist serienreif

00:51:06: und die Produktion läuft an im Dresdner VEB Robotronenmesselektronik Otto Schön.

00:51:12: Die einzelnen Betriebe haben da gern mal die Namen von verdienten Politikern

00:51:17: aus der DDR-Geschichte.

00:51:19: 1984, nur um das nochmal aufzumachen, diesen Vergleich, ist das Jahr,

00:51:24: wo im Westen der Apple Macintosh erscheint.

00:51:27: Also je nachdem, wie man zählen möchte, die dritte oder vierte Produktgeneration

00:51:32: allein bei Apple schon nach Apple 1, 2, dem Lisa und dann eben dem Macintosh.

00:51:37: Der C64 ist schon seit zwei Jahren auf dem Markt.

00:51:40: In Japan spielt man schon auf dem Famicom, also der dann als NES auch in den

00:51:45: Westen kommt. Und die DDR hat gerade ihren ersten Heimcomputer zur Serienreife gebracht.

00:51:51: Aber es bleibt nicht bei diesem einen, denn es gibt ja schließlich zwei Kombinate,

00:51:55: nämlich Robotron in Dresden und Mikroelektronik in Erfurt und beide haben diese Konsumgüterquote.

00:52:02: Robotron erfüllt die nun oder möchte sie nun erfüllen mit dem Z9001.

00:52:06: Aber was macht denn eigentlich das Konkurrenzkombinat, die ist Mikroelektronik?

00:52:12: Das steht also auch vor dieser Aufgabe, diese Konsumgüterquote zu erfüllen.

00:52:16: Und das gestaltet sich schwierig, denn in den Betrieben dieses Kombinats entstehen

00:52:20: vor allen Dingen Halbleiterbauteile.

00:52:22: Also Bauteile, die dann anderswo in der Industrie wiederum weiterverwertet werden.

00:52:27: Da gibt es zum Beispiel den volkseigenen Betrieb Anna Segers in Neuhaus.

00:52:31: Da werden Transistoren hergestellt. Oder das Röhrenwerk in Rudolstadt.

00:52:35: Da werden logischerweise Röhren hergestellt. In diesem Kombinat gibt es eigentlich

00:52:40: nur einen volkseigenen Betrieb, nämlich den in Mühlhausen, der Erfahrung hatte

00:52:45: mit Endkundenprodukten für die Allgemeinheit, in diesem Fall in Form von Taschenrechnern.

00:52:50: Das heißt, um die Quote für dieses gesamte Kombinat zu erfüllen,

00:52:54: erhält Mühlhausen jetzt einen weiteren Auftrag.

00:52:57: Du hattest ja mit dem Werner Domschke gesprochen und der sagte,

00:53:02: dass eigentlich das Kombinat Mikroelektronik einen Videorekorder entwickeln

00:53:07: sollte, aber dass das außerhalb der Kompetenzen gelegen sei.

00:53:11: In so einem Videorekorder werden viele mechanische Komponenten verbaut,

00:53:15: die auch sehr präzise sein müssen.

00:53:17: Da gab es keinen geeigneten Betrieb im Kombinat.

00:53:20: Also war jetzt die Frage, was sollen sie denn dann machen in Mühlhausen?

00:53:23: Und das erzählt der Herr Domschke so.

00:53:25: Da kam natürlich jemand in Thüringen, speziell in Mühlhausen,

00:53:30: auf die Idee, Taschenrechner würden ja technologisch ganz gut Kleinkomputer

00:53:34: passen. Deswegen die Idee, dort einen Heimcomputer zu entwickeln.

00:53:40: Also durch die Erfahrung mit den Taschenrechnern liegt auch ein Heimcomputer

00:53:43: nahe und zu dieser Überlegung kommt man in Mühlhausen auch deswegen,

00:53:47: weil die zum Anfang gar nicht wissen, was bei Robotron passiert.

00:53:51: Also niemand im Kombinat Mikroelektronik weiß, dass im Kombinat Robotron auch

00:53:56: an einem Heimcomputer gearbeitet wird.

00:53:59: Domschke selbst arbeitet zu dieser Zeit noch an der Universität in Dresden und

00:54:04: erhält dann eines Tages einen Anruf von seinem alten Studienkollegen Werner

00:54:08: Dennstedt, der mittlerweile da in Mühlhausen arbeitet,

00:54:11: und erzählt ihm, da würde jetzt die Zukunft entwickelt, ob er da nicht mitmachen wolle.

00:54:15: Und so zieht Domschke dann nach Mühlhausen und übernimmt dort die Abteilung

00:54:19: Geräteentwicklung und Dennstedt leitet derweilen das neue Heimcomputerprojekt.

00:54:24: Nach einer Konzeptstudie über die Realisierbarkeit eines solchen Videocomputers,

00:54:29: wie es anfangs genannt wird,

00:54:31: startet dann im April 1983 die Entwicklungsarbeit und zwar als Projekt im Rahmen

00:54:37: eines sogenannten Jugendforscher-Kollektivs innerhalb des Betriebs.

00:54:41: Das wird staatlich gefördert und natürlich auch propagandistisch herausgestellt.

00:54:47: Jugendforscher-Kollektiv heißt, dass das halt vor allen Dingen junge Leute sind,

00:54:51: die innerhalb des Kombinats oder des Betriebs daran arbeiten.

00:54:55: Und dieser Computer, der da entsteht, erhält den Namen HC900.

00:54:59: Das HC steht für Heimcomputer.

00:55:03: Der Herr Domschke, der kümmert sich vor allem um die Software,

00:55:06: also zum Beispiel das Betriebssystem und der Dennstedt mit seiner Gruppe von

00:55:11: jungen Ingenieuren, der schraubt an der Hardware.

00:55:13: Nun hat ja die DDR-Computerindustrie schon so manches durch den Nachbau westlicher

00:55:18: Erzeugnisse erreicht, Computer, Chips und so weiter.

00:55:22: Also warum nicht auch diesmal?

00:55:24: Das kann Herr Domschke auch nochmal erzählen.

00:55:26: Wir haben ja, als ich nach Mühlhausen

00:55:28: gekommen bin, fast alle gängigen westlichen Computer untersucht.

00:55:31: Auf Bauelemente, auf Funktionalität, auf weiß ich was alles,

00:55:35: Software und ähnliches.

00:55:37: Und Commodore ist ja für uns nicht in Frage gekommen, weil wir den Prozessor nicht hatten.

00:55:41: Also blieb dann praktisch der Sinclair ZX81 noch als Variante.

00:55:46: Bloß der hat ja natürlich auch einen in der spezifischen Schaltkreis drin,

00:55:49: der für uns nicht zugänglich war.

00:55:51: Deswegen haben wir gesagt, lassen wir alles Westliche weg und machen was eigenes. Von Null auf.

00:55:56: Da hören wir es. Der Mühlhausen-Rechner hat, genau wie der von Robotron,

00:56:01: kein direktes westliches Vorbild.

00:56:03: Auch wenn sie sich ein bisschen am ZX81 und am Spectrum orientieren.

00:56:07: Die basieren ja schließlich auf dem gleichen Prozessor, also der ZX81 und der

00:56:11: Spectrum auf dem Z80 und die Mühlhausen-Produktion auf dem U880, der ja ein Z80-Klon ist.

00:56:20: Aber sie orientieren sich nur lose daran. Es ist kein kompletter Nachbau.

00:56:24: Und auch andere angebliche Vorbilder sind es nicht.

00:56:27: Also es wird zum Teil kolportiert, dass sie sich an einem Tandy-Computer orientiert

00:56:33: und den nachgebaut hätten. Aber das stimmt nicht.

00:56:35: Da war Herr Domschke sehr deutlich mir gegenüber.

00:56:38: Dieser Heimcomputer, der hier entwickelt wird unter dem Namen HC900 und auch

00:56:42: bei dem Namen bleibt es nicht lange.

00:56:45: Dieser Heimcomputer ist eine Eigenentwicklung aus der DDR. Und was ist mit sowjetischen

00:56:51: Computern, habe ich ihn gefragt, denn es gibt ja innerhalb der Sowjetunion schon

00:56:55: Mikrocomputer zu dieser Zeit.

00:56:56: Es gibt da heimcomputerartige Mikrocomputer, zum Beispiel den Elektronica BK0010

00:57:02: oder sogar einen Apple II Klon namens Agathe.

00:57:06: Aber die spielen überhaupt keine Rolle für die Entwickler, meinte Domschke.

00:57:10: Die hatten keinen Zugriff drauf, die wurden auch aus der Sowjetunion nur sehr

00:57:14: selten exportiert, die wurden primär für den eigenen Markt, den eigenen Bedarf entwickelt.

00:57:19: Das spielt also hier keine Rolle, weder als Vorbild noch als Entwicklungsbasis.

00:57:25: Und so machen sie sich an die Arbeit, etwas Eigenes zu entwickeln.

00:57:29: Und so entstehen dann ab 1983 gleich zwei Heimcomputer in der DDR.

00:57:35: Und das ist überraschend, denn eigentlich sollte sowas in der Planwirtschaft,

00:57:40: in der ja alles von oben gesteuert und abgenickt wird, nicht passieren.

00:57:44: Das ist ja ein ineffizierter Einsatz von Ressourcen, die sehr knapp sind.

00:57:49: Von Manpower, von Entwicklungsarbeit, von Zeit, dass hier zweimal das gleiche

00:57:54: parallel entwickelt wird.

00:57:55: So was sollte eigentlich vermieden werden in der Planwirtschaft und auch die

00:57:59: Konkurrenzsituation, dass sich hier zwei Unternehmen gegenseitig stimulieren

00:58:04: durch Konkurrenz, das soll es eigentlich nicht geben in der Planwirtschaft.

00:58:08: Das ist etwas, was es nur in der bösen kapitalistischen Marktwirtschaft gibt.

00:58:11: Ja, das sieht sehr nach Wettbewerb aus, wenn du mich fragst.

00:58:14: Das wollen wir doch nicht.

00:58:41: Diesen neuen Heimcomputern. Völlig zu Recht.

00:58:44: Und ihnen ist klar, dass ein einzelner Betrieb das nicht alleine stemmen kann.

00:58:48: Deswegen läuft das so weiter. Und es bleibt nicht nur beim Wettbewerb,

00:58:54: obwohl Herr Domschke meint, ja, es gab durchaus Wettstreit.

00:58:57: Der habe beide Teams auch beflügelt und so die Ergebnisse letztlich verbessert.

00:59:01: Aber es gibt durchaus auch Zusammenarbeit. Denn irgendwann erfahren sie natürlich

00:59:04: voneinander und tauschen sich dann auch aus. Wir haben viel,

00:59:17: Also es gibt nicht in jedem Bereich doppelte Arbeit hier, sondern sie tauschen

00:59:22: durchaus auch Ergebnisse aus.

00:59:24: Und die beiden Computer sind auch leicht unterschiedlich ausgerichtet,

00:59:28: sie bedienen also nicht unbedingt die gleiche Zielgruppe.

00:59:31: Das Modell, das Robotron baut, den Z9001, das ist kompakter und günstiger.

00:59:37: Das grafikfähige System von Mikroelektronik, das HC900, das ist dagegen das

00:59:42: etwas leistungsfähigere, das hat ja auch doppelt so viel Arbeitsspeicher, aber ist auch größer.

00:59:47: Der Domschke hat dir gesagt, dass damals beschlossen worden sei,

00:59:51: dass das HC900 ein erweiterungsfähiges System sei.

00:59:54: Und damals ist es ja noch gang und gäbe, dass Computer in einem Gehäuse gebaut

00:59:58: werden, in dem die Tastatur integriert ist.

01:00:00: Also wie zum Beispiel beim VC20 oder dem C64.

01:00:04: So ist es auch beim Z9001. Aber da entscheidet man sich für den HC900 dagegen.

01:00:09: Denn da sagte der Domschke, das hätte schlichtweg nicht Platz gefunden,

01:00:13: diese ganzen Erweiterungsfähigkeiten, die das ja haben soll.

01:00:16: Und dementsprechend entscheidet man sich in Mühlhausen dann dafür,

01:00:19: eine abgesetzte Tastatur zu verwenden.

01:00:21: Das heißt, der Computer, der Rechner sitzt in einem eigenen separaten Gehäuse

01:00:25: und da lassen sich dann Erweiterungsmodule regelrecht drauf stapeln.

01:00:29: Also tatsächlich drauf stapeln, der Domschke sagte auch, man hat da einen richtig

01:00:33: schönen Turm bauen können damit.

01:00:35: Ich finde, das ist eine sehr gute Entscheidung. Ein Computer sieht gleich viel

01:00:38: professioneller und leistungsfähiger und PC-mäßiger aus, wenn er so eine abgesetzte Tastatur hat.

01:00:43: Und wenn sich da Module drauf stapeln.

01:00:45: Ja, je höher der Turm, desto besser, ja. Die beiden Heimcomputer sind dann im

01:00:51: Jahr 84 fertig und werden beide auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1984 vorgestellt

01:00:57: und da erhalten sie auch sehr viel Zuspruch und Aufmerksamkeit.

01:01:00: Klar, es gibt ja die ganzen westlichen Heimcomputer offiziell nicht in der DDR.

01:01:05: Man kann also nicht einfach in einen Laden gehen und einen VC20 kaufen.

01:01:08: Das geht nicht so ohne weiteres, unter anderem wegen dieses CoCom-Embargos.

01:01:12: Und so ist ein Heimcomputer aus eigener Produktion etwas, worauf viele Nerds

01:01:18: oder technisch interessierte Menschen schon lange gewartet haben.

01:01:21: Und die Serienproduktion des Z9001, die läuft dann auch im September 84 an.

01:01:28: Das ist ein Monat früher als mal geplant und zwar um noch den 35.

01:01:33: Jahrestag der DDR-Gründung zu feiern. Da geht es halt nicht um Quartalszahlen

01:01:38: oder so, die man schönen muss, sondern da geht es darum,

01:01:43: die SED-Führung zu würdigen und das Land zu feiern und den Sozialismus und so weiter.

01:01:49: Also einen Monat früher zum Geburtstag und im Oktober, die verpassenden Geburtstag,

01:01:54: folgt dann auch der HC900 aus dem Kombinat Mikroelektronik.

01:01:58: Und damit sind die ersten Heimcomputer der DDR endlich auf dem Markt.

01:02:04: Naja, eigentlich nicht. Zumindest auf dem Papier sind sie es,

01:02:08: aber man kann sie auf dem freien Markt nicht so ohne weiteres kaufen,

01:02:12: denn im Handel tauchen sie kaum auf.

01:02:14: Wir erinnern uns, das war ja eigentlich mal das Ziel. Es ging ja darum,

01:02:18: Konsumgüter zu produzieren, die in den Läden die Regale füllen.

01:02:23: Aber das passiert nur in sehr begrenztem Maße.

01:02:27: Ja, das ist überraschend. Auch unter diesem Gesichtspunkt, den du gerade gesagt hast.

01:02:31: Die Sächsische Zeitung zum Beispiel schreibt anlässlich auch dieses Produktionsstarts,

01:02:36: dass ja jetzt hier Computer auf den Markt kommen,

01:02:39: die für die Freizeitgestaltung von Privatleuten gedacht sind,

01:02:42: also die in Wohn- und Kinderzimmern den spielerischen Umgang mit der neuen Technik vermitteln sollen.

01:02:47: Und nach dem Produktionsstart von dem Z9001 im September sind ja noch ein paar

01:02:53: Monate Restjahr übrig, 1984.

01:02:55: Und die Sächsische Zeitung kündigt damals an, jetzt sollen 500 Exemplare in

01:03:00: diesem Zeitraum entstehen.

01:03:02: Das ist ja jetzt eh schon keine enorme Zahl, zumal wenn zu Hause die Leute darauf

01:03:06: warten, dass sie endlich so ein Gerät kaufen können, tatsächlich entstehen in

01:03:11: dieser Zeit aber nur 100 Exemplare.

01:03:13: Also es ist um das Fünffache überschätzt, die Quote, die Robotron tatsächlich leisten kann.

01:03:18: Und von diesen 100 gelangen wiederum nur ungefähr die Hälfte in den Handel und

01:03:22: die wiederum sind zu kaufen nur in ganzen drei Geschäften im Land.

01:03:26: Eines in Dresden, eines in Leipzig und eines in Berlin.

01:03:30: Der Rest, die andere Hälfte, wird an Schulen und Schülerrechenzentren geliefert.

01:03:35: Und das ist, wie gesagt, das Robotron-Exemplar der Z9001.

01:03:38: Beim HC900, der ja einen Monat später anläuft, sieht es auch nicht besser aus.

01:03:44: Das klingt jetzt auf den ersten Blick ziemlich erbärmlich, aber wir dürfen auch

01:03:48: nicht aus dem Auge verlieren, die Heimcomputer sind ja für diese Kombinate nur

01:03:53: ein Nebenprodukt wegen der Konsumgüterquote.

01:03:55: Die Hauptbeschäftigung ist immer noch die Herstellung von anderen Geräten oder

01:03:59: Bauteilen, also vor allen Dingen bei Robotron auch die Bürocomputer.

01:04:04: Aber nichtsdestotrotz, also auch unter diesem Gesichtspunkt,

01:04:06: dass das ja nun ein heiß erwarteter Beitrag zur Konsumgüterquote ist,

01:04:10: ist das enttäuschend, dass so wenig in den freien Handel kommt.

01:04:13: Und was sich jetzt auch noch ändert, du hattest das schon angedeutet,

01:04:16: ist die Kommunikation, was die Ausrichtung von diesen Computern angeht.

01:04:21: Geplant war ja mal dieses Gerät für zu Hause, für Privatleute.

01:04:25: Da war auf den Messen und in der Berichterstattung im Vorfeld immer die Rede

01:04:29: davon. Jetzt wird es immer häufiger der Lern- und Lehrcomputer.

01:04:34: Und dass diese Neuausrichtung in der Kommunikation passiert,

01:04:38: hat auch einen guten Grund. Dazu können wir nochmal den Herrn Domsch gehören.

01:04:42: Es gab ja wenig Bauelemente und es wurde ja auch von der Regierung festgelegt,

01:04:46: dass das kein Heimcomputer ist, weil die teuren Bauelemente nicht im Heim verbraten

01:04:51: sollen, sondern dass sie sinnvoll eingesetzt werden müssen.

01:04:54: Und deswegen war das ein Kleinkomputer, der auch nicht im Konsumgütersektor angeboten worden ist.

01:04:59: Der war dann im Wesentlichen als Bildungskomputer in Berufsschulen und ähnliches,

01:05:03: Club junger Techniker und so weiter eingesetzt, um dort auch das Computerwissen voranzubringen.

01:05:08: Im Jahr 1985, also im Jahr nach dem Anlauf der Serienproduktion,

01:05:13: beschließt die Staatsführung der DDR dann auch ganz formell,

01:05:16: dass beide Geräte ausschließlich bei Bedarfsträgern, also bei allgemeinen und

01:05:22: berufsbildenden Schulen,

01:05:23: einzusetzen seien und damit sind sie jetzt offiziell keine Konsumgüter mehr.

01:05:28: Das hat ja nicht lange gehalten.

01:05:29: Und was auch nicht lange hält, das sind diese beiden Namen. Wir haben es ja

01:05:33: schon ein paar Mal angekündigt. Die ändern sich jetzt.

01:05:36: Denn als Heimcomputer kann man die beiden Geräte jetzt nicht mehr bezeichnen.

01:05:40: Darf man sie nicht mehr bezeichnen, denn sie sind nicht mehr für den Heimeinsatz

01:05:45: geeignet. Sie werden nur noch an Schulen und andere Einrichtungen geliefert.

01:05:49: Und damit muss aber auch dieses HC aus dem Namen des Mühlhausen-Rechners verschwinden.

01:05:55: Und auf der Frühjahrsmesse 85, die gibt es jedes Jahr in Leipzig,

01:06:01: werden dann die beiden Rechner nochmal vorgestellt, diesmal unter neuem Namen.

01:06:06: Technisch sind sie weitgehend unverändert.

01:06:09: Der Z9001 von Robotron, der heißt jetzt KC85-1, also weil er im Jahr 85 unter

01:06:16: diesem Namen rauskommt.

01:06:17: Und das Mühlhausengerät, der HC900.

01:06:20: Der heißt jetzt nicht mehr HC, sondern KC85-2. Und KC steht natürlich nicht

01:06:26: mehr für Heimcomputer, sondern in beiden Fällen jetzt für Kleinkomputer.

01:06:31: Da wird also durch diese kleine, subtile Änderung klargemacht,

01:06:34: das ist kein Gerät für den Heimeinsatz mehr, sondern es ist einfach nur ein

01:06:38: kleiner Computer und den kann man überall einsetzen, aber er ist nicht mehr

01:06:43: für den freien Handel gedacht. gedacht.

01:06:44: Das impliziert außerdem eine Verwandtschaft zwischen den beiden,

01:06:48: KC 85 I und KC 85 II, die sie aber so gar nicht haben.

01:06:53: Sie entstammen ja zwei verschiedenen Unternehmen, zwei Entwicklungssträngen,

01:06:58: auch wenn sie dasselbe Basic benutzen und auch den gleichen Prozessor und diverse

01:07:02: andere Dinge sich teilen, aber sie sind zueinander inkompatibel.

01:07:05: Wir haben also zwei voneinander getrennt laufende Heimcomputerserien hier etabliert,

01:07:11: die nur eben keine Heimcomputer mehr sein dürfen.

01:07:13: Ich fand das ausgesprochen verwirrend, diese Benennung jetzt im Nachhinein.

01:07:17: Deswegen betonen wir das hier nochmal.

01:07:19: Wir werden immer dazu sagen, wenn wir vom KC 85 I oder 85 II reden,

01:07:24: das sind zwei unterschiedliche Geräte.

01:07:26: Und die würde ich sagen, Henner, schauen wir uns jetzt mal ein bisschen genauer

01:07:29: an und fangen der Nummerierung entsprechend mit dem KC 85 I an,

01:07:34: also mit dem Robotron-Modell.

01:07:37: Das ist von den beiden, wenn man so möchte, das Einsteigermodell.

01:07:41: Das gibt es wiederum in zwei Varianten, sofern man die denn überhaupt bekommt,

01:07:45: nämlich den KC 85 1.10 und den KC 85 1.11.

01:07:51: Und der einzige Unterschied zwischen den beiden ist, dass der 10 eine Schwarz-Weiß-Ausgabe

01:07:57: hat und der 11 eine Farbausgabe.

01:07:59: Und egal, welche von diesen beiden Varianten man kaufen will,

01:08:01: die stecken beide im gleichen Gehäuse. Das ist so ein kompaktes, graues Gehäuse.

01:08:05: Das ist 40 cm breit, also ungefähr so breit wie ein C64, aber ein bisschen tiefer,

01:08:11: 29 cm, und auch ein bisschen höher, 9 cm.

01:08:15: Ganz ähnlich wie beim C64 ist das ein Tasten mit integrierter Tastatur,

01:08:19: in diesem Fall mit einem deutschen Tastatur-Layout im Gegensatz zum C64,

01:08:23: also einem Quarz-Layout.

01:08:25: Allerdings gibt es keine Umlaute auf dieser Tastatur. Es gibt Zahlentasten noch

01:08:29: und einige Sondertasten.

01:08:31: Und diese Tasten bestehen aus Gummi und sind für blindes Schreiben viel zu klein.

01:08:37: Also das sind eher kleine Knöpfe, als dass man das als richtige Tastatur bezeichnen

01:08:42: kann. Eine Person, die in der weiteren Geschichte auch noch häufig auftauchen

01:08:46: wird, ist André Weißflog.

01:08:48: Das ist einer der bekanntesten Entwickler aus der DDR, der dann später bekannt

01:08:53: geworden ist, auch im Westen als Mitgründer des Studion Radon Labs in Berlin.

01:08:57: Das sind die Leute, die unter anderem Drakensang gemacht haben.

01:09:00: Und der ist eben in der DDR aufgewachsen mit diesen Computern und sagt,

01:09:04: zur Tastatur des KC-1, das sei eine reine Tortur gewesen, auf der zu tippen.

01:09:09: Aber immerhin, es gibt vier separate Cursor-Tasten und einen Reset-Knopf, das hat der C64 nicht.

01:09:16: Also in diesen beiden Sachen hat die Tastatur die Nase vorn.

01:09:20: Aber nichtsdestotrotz, also für André Weißflug gilt der KC-85-1 als das Stiefkind

01:09:27: unter den DDR-Rechnern.

01:09:28: Gehen wir mal kurz die technischen Details durch den Prozessor.

01:09:32: Das ist jetzt keine Überraschung.

01:09:34: Das ist natürlich der U880. Der läuft hier mit 2,5 MHz, also ein 8-Bit-Prozessor.

01:09:41: Der Arbeitsspeicher wurde ja im Laufe der Entwicklung erweitert auf 16 KB RAM.

01:09:46: Und der lässt sich auch weiter erweitern mit Modulen, die man einstecken kann

01:09:50: und dadurch vergrößern. Die Bildschirmausgabe...

01:09:54: Geschieht je nachdem, welches Modell man hat, in Schwarz-Weiß oder in Farbe,

01:09:58: aber hier wie dort ist es keine Grafik, das haben wir auch schon beschrieben,

01:10:02: sondern er kann nur Zeichen ausgeben,

01:10:04: also entweder Texte, Groß- und Kleinbuchstaben oder Zahlen oder eben solche

01:10:08: Quasi-Grafik-Symbole, wie sie der VC20 oder auch der C64 auch beherrscht.

01:10:15: Farben gibt es beim Farbmodell 8. Da kann man für jedes einzelne Zeichen wählen,

01:10:20: welche Vorder- und welche Hintergrundfarbe es haben soll.

01:10:23: Dadurch lässt sich durchaus was Ansehnliches generieren.

01:10:26: Also auch für Spiele kann man das theoretisch schon einsetzen,

01:10:29: zumal die Bildausgabe durch diese Zeichengrafik sehr schnell ist.

01:10:32: Der Sound ist nicht so überwältigend. Das ist nur ein einstimmiger Tongenerator, aber immerhin.

01:10:38: Den Ton kann er über einen internen Lautsprecher ausgeben.

01:10:42: Das kann der C64 auch nicht. Der benutzt ihr für den Fernseher oder man schließt

01:10:46: einen externen Verstärker an und an Anschlüssen gibt es einen für den Kassettenrekorder.

01:10:51: Klar, den braucht man als Laufwerk, um Programme laden zu können oder um eigene

01:10:54: Basic-Programme abzuspeichern.

01:10:56: Es gibt einen HF-Ausgang, also einen Antennen-Ausgang, aber da wird nur das

01:11:01: Bild ausgegeben, nicht der Ton. Ein Joystick-Anschluss.

01:11:04: Aha, also doch nicht nur zum Arbeiten gedacht, das Gerät.

01:11:09: Und es gibt noch einen allgemeinen digitalen User-Port, den PIO für universelle

01:11:15: Nutzung, da kann man diverse Erweiterungen oder eigenentwickelte Hardware anschließen.

01:11:20: Die Programmiersprache, auch das haben wir schon erwähnt, ist BASIC und die heißt hier HC-BASIC.

01:11:26: Da bleibt das HC für Heimcomputer offenbar erhalten.

01:11:29: Das basiert auf einem alten Microsoft-BASIC und dessen Hexcode wurde abgetippt

01:11:36: vom Listing aus einer westlichen Computerzeitschrift.

01:11:39: Die Strategie wiederholt sich.

01:11:42: Und Christian, weißt du, wo das passiert ist? Wo dieser Code für das HC-BASIC

01:11:47: abgetippt wurde? Das war nämlich nicht bei Robotron.

01:11:49: Wo könnte das gewesen sein? In irgendeiner Uni, Schule? Keine Ahnung.

01:11:53: Nee, du kommst nicht drauf. Im Forschungszentrum für Tierproduktion Dummers Torf Rostock.

01:11:59: Das waren eigentlich Spezialisten für Tierhygiene und Schweinezucht und offenbar auch für Basic.

01:12:04: Für das Abtippen von Westzeitschriften.

01:12:06: Ja, die brauchten ein Basic und dann haben sie es halt selbst schnell abgetippt.

01:12:10: Da sehen wir wieder diesen Pragmatismus. Ist doch toll. Ja.

01:12:14: Und dieses Basic ist auch wirklich nicht schlecht. Es ist wesentlich leistungsfähiger

01:12:20: als das Basic des C64, das ja berüchtigt dafür ist, wie limitiert es ist.

01:12:25: Zum Beispiel kann man hier einfache Klänge, die klingen ja nicht toll bei diesem

01:12:28: Gerät, aber man kann sie einfach über einen Befehl erzeugen,

01:12:32: indem man einfach den Befehl Sound eingibt innerhalb der Basic-Oberfläche.

01:12:37: Oder man kann Linien auf dem Bildschirm zeichnen mit einfachen BASIC-Befehlen.

01:12:42: Das klingt trivial, aber wer mal das C64-BASIC benutzt hat, das integrierte,

01:12:48: der weiß, dort geht sowas nicht.

01:12:50: Da muss man für einfache Klänge oder grafische Elemente POKE-Befehle mit kryptischen

01:12:54: Speicheradressen eingeben.

01:12:56: Befehle wie SOUND oder LINE, die gibt es da nicht.

01:12:59: Das ist also ein großer Fortschritt hier gegenüber dem Commodore BASIC.

01:13:03: Allerdings, anders als dort, ist die Programmiersprache nicht direkt im Rechner enthalten.

01:13:08: Also beim C64 steckt das BASIC ja im ROM-Chip. Den Rechner muss man nur einschalten

01:13:13: und schon steht es sofort zur Verfügung.

01:13:15: Das geht hier bei dem KC85-1 nicht. Das muss man erst nach dem Einschalten von Kassette laden.

01:13:22: Und dadurch ist der Arbeitsspeicher leider zu einem großen Teil belegt.

01:13:26: Dann bleiben nur noch 5 KB Arbeitsspeicher frei, die man dann mit eigenen Programmen füllen kann.

01:13:31: Kann und der Vollständigkeit halber das Basic ist das gleiche wie beim KC 85 2,

01:13:36: aber trotzdem die beiden Rechner sind weitgehend inkompatibel zueinander,

01:13:41: man kann einfache Code Listings innerhalb von Basic, die man auf dem einen Rechner

01:13:45: geschrieben hat, auch auf dem anderen verwenden,

01:13:48: aber fertige Programme oder gekaufte Programme, die es auch gibt,

01:13:52: die laufen nicht, die sind nicht austauschbar,

01:13:55: obwohl die beiden ja fast den gleichen Namen haben.

01:14:00: Der erweiterbare Computer soll ja eigentlich der KC-85-2 sein.

01:14:04: Das ist der mit den stapelbaren Erweiterungen. Aber auch der KC-85-1 kann erweitert

01:14:09: werden. Der hat vier Steckplätze für Module.

01:14:12: Da gibt es zum Beispiel eine Speichererweiterung logischerweise,

01:14:15: in diesem Fall 16 Kilobyte, ein Druckermodul, ein Netzwerkmodul,

01:14:19: sogar ein einfaches Spracheingabemodul.

01:14:21: Und wenn man auf der Tastatur sich die Finger wundgeschrieben hat,

01:14:26: weil sie, wie André Weißflug sagt, eine Tautur ist, Dann kann man die auch ersetzen.

01:14:30: Da gibt es auch ein spezielles Modul und dann kann man eine elektrische Erika-Schreitmaschine

01:14:34: anschließen an den Computer, an den KC85-1.

01:14:39: Das monochrome Modell, das schwarz-weiße Modell, kostet zur Veröffentlichung 1.550 Mark.

01:14:46: Der Preis ist staatlich festgelegt. Das Farbmodell ist teurer, 1.940 Mark.

01:14:51: Und man braucht natürlich einen Fernseher, um das benutzen zu können.

01:14:55: Wenn man jetzt keinen zu Hause hat, muss man sich einen dazu kaufen.

01:14:58: Ein kleiner Schwarz-Weiß-Fernseher kostet zu dieser Zeit 1.250 Mark.

01:15:04: Also das Schwarz-Weiß-Modell des Rechners ist etwas teurer als ein Fernseher.

01:15:08: Solche Elektrogeräte gelten als Luxusgüter und dementsprechend sind sie auch teuer in der DDR.

01:15:15: Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen liegt 1985 bei nur 1130 Mark.

01:15:23: Also so ein Rechner kostet deutlich mehr als ein typisches Monatsgehalt.

01:15:30: Allerdings muss man dazu sagen, in der DDR sind die Lebenshaltungskosten auch gering.

01:15:34: Also gerade was zum Beispiel die Miete angeht. In der Platte zu wohnen in drei

01:15:38: Zimmern, das kostet weniger als 100 Mark im Monat.

01:15:41: Also je nachdem, womit man es vergleicht, sind die entweder teuer oder auch

01:15:45: günstig, diese Rechner. Im Vergleich mit den Bürorechnern, die ja auch noch

01:15:49: entstehen zu dieser Zeit bei den Kombinaten, also bei Robotron ist der Kleinkomputer

01:15:54: ein regelrechtes Schnäppchen.

01:15:55: Wenn man jetzt von Robotron einen PC des Typs 1715 kaufen möchte,

01:16:00: da steckt der gleiche Prozessor drin, der U880, dann kostet das 25.000 Mark.

01:16:05: Das ist natürlich eine hypothetische Rechnung, weil als normaler Bürger bekommt

01:16:09: man ein solches Ding gar nicht.

01:16:10: Das ist ja nicht für den Heimeinsatz gedacht, aber nur nochmal,

01:16:13: um die Größenordnung zu verdeutlichen.

01:16:15: Man muss bei der Gelegenheit vielleicht nochmal erwähnen, dass es in der DDR

01:16:19: staatlich verordnete Vollbeschäftigung gibt.

01:16:22: Jeder hat einen Job. Es gibt zumindest offiziell keine Arbeitslosigkeit.

01:16:27: Das ist etwas, worauf die DDR auch immer sehr stolz ist, was in der Presse gern

01:16:30: ausgeschlachtet wird und da wird auch viel und genüsslich berichtet über Massenentlassungen

01:16:35: im kapitalistischen Westen. So was gibt es hier nicht.

01:16:38: Jeder hat einen Job und damit hat auch jeder ein geregeltes Einkommen und nur

01:16:42: relativ geringe Ausgaben, weil die Lebenshaltung so billig ist.

01:16:46: Dadurch haben die Leute verfügbares Einkommen in aller Regel.

01:16:49: Und da kommt diese geplante Kaufkraftabschöpfung zum Einsatz,

01:16:54: dieses wunderbar bürokratische Wort, das du vorhin schon mal zitiert hast.

01:16:57: Und das war also die ursprüngliche Planung mit diesen Heimcomputern,

01:17:01: die vorhandene Kaufkraft abzuschöpfen, den Leuten das Geld abzunehmen,

01:17:05: was sie sonst nicht ausgeben können, weil es nichts gibt.

01:17:08: Das gelingt jetzt aber mit diesen Geräten kaum, weil sie nun mal im freien Handel

01:17:12: kaum zu haben sind. Und das ändert sich auch mit dem Nachfolger nur unwesentlich,

01:17:17: denn dieser KC-85-1, der wird weiterentwickelt bei Robotron.

01:17:22: Die Weiterentwicklung beginnt im September 85 und das Modell,

01:17:28: was da entsteht, hat erstmal den Projektnamen Z9002, aber dabei bleibt es nicht.

01:17:33: Das Gerät kommt dann auf den Markt in Anführungszeichen unter dem Namen KC87,

01:17:39: weil es eben im April 87 erscheint.

01:17:42: Und die wesentliche Änderung bei diesem KC87 gegenüber dem KC85-1 ist die Integration des BASIC,

01:17:50: also der Programmiersprache, die jetzt genau wie beim C64 im ROM-Chip enthalten

01:17:55: ist, der dadurch auch ein bisschen größer geworden ist.

01:17:58: Sonst ändert sich nicht viel, aber das ist eine wesentliche Änderung,

01:18:01: denn jetzt muss man zum Programmieren nicht erst Basic von Kassette laden,

01:18:04: sondern es steht sofort nach dem Einschalten zur Verfügung.

01:18:07: Das spart eine Menge Zeit, das spart auch Arbeitsspeicher natürlich,

01:18:10: ansonsten bleibt weitgehend alles gleich.

01:18:14: In den Einzelhandel, ich sagte es ja schon, gelangt dieses KC87-Gerät aber auch nicht wirklich.

01:18:21: Es gibt ein paar Exemplare, die erst 88 freigegeben werden für den Handel,

01:18:26: aber auch nur in ganz geringen Stückzahlen in einigen ausgewählten Warenhäusern in großen Städten.

01:18:32: Und auch dort kann man nicht einfach in den Laden gehen und einen kaufen,

01:18:35: sondern man muss vorher sich eintragen in eine Kundenbedarfsliste und da muss

01:18:40: man ein paar Monate warten und mit sehr viel Glück oder den richtigen Beziehungen

01:18:43: zu jemandem aus der Politik zum Beispiel,

01:18:46: kommt man dann an so einen Computer.

01:18:49: Der KC87 ist allerdings teurer geworden gegenüber dem Vorgänger.

01:18:53: Die Schwarz-Weiß-Version kostet jetzt ungefähr 3.000 Mark und die Farbversion ungefähr 3.400 Mark.

01:19:00: Allerdings sinken die preise recht schnell um

01:19:03: ein drittel im jahr 88 und 1989 kosten

01:19:07: die geräte dann nur noch 1000 respektive 1300 mark

01:19:12: also unterhalb dessen was der kc 85

01:19:15: 1 ursprünglich gekostet hat das ist eine entwicklung die wir aus dem westen

01:19:19: natürlich kennen die rechner werden immer billiger die produktion wird besser

01:19:23: und effizienter und so sinken die preise für die bauteile die produktion von

01:19:28: diesem KC-87 läuft bis zum März 89 und bis dahin werden von dieser Serie,

01:19:33: also beginnend mit dem Z9001 bis hin zum KC-87, 30.000 Exemplare hergestellt,

01:19:41: ungefähr zumindest, es gibt da nur Schätzwerte.

01:19:43: Und sie wird eingestellt zugunsten eines inoffiziellen Nachfolgers des Bildungscomputers

01:19:50: Robotron A 5155, auch bekannt als BIC.

01:19:55: Das ist jetzt nun wirklich kein Heimcomputer mehr. Der Name sagt es schon,

01:19:59: das ist ein Gerät, das nur für Bildungseinrichtungen gedacht ist.

01:20:02: Der ist hardwaremäßig ganz anders als der KC87, der ist eher vergleichbar mit

01:20:07: dem MSX-Standard aus dem Westen und der ist auch wesentlich teurer.

01:20:13: Der ist ja, wie gesagt, nun gar nicht mehr für den Heimgebrauch gedacht.

01:20:17: Deswegen kostet er laut Liste auch 11.000 Mark. Dafür ist allerdings schon ein

01:20:22: Monitor dabei und ein Diskettenlaufwerk.

01:20:26: Der spielt aber keine große Rolle mehr auf dem Markt, weil er so spät kommt.

01:20:30: Und kurz nach Einführung im März 89 fällt dann ja auch schon die Mauer und dann

01:20:36: ist es sowieso vorbei mit dieser ganzen Geschichte.

01:20:39: Der soll heute auch keine große Rolle mehr spielen. Dieser Bildungskomputer ist nur eine Randnotiz.

01:20:44: Viel interessanter sind die Heimcomputer, die bei der Konkurrenz entstehen im

01:20:49: Kombinat Mikroelektronik.

01:20:51: Genau, das war jetzt der Strang von Robotron, der weniger populäre der beiden.

01:20:56: Dann haben wir den KC-85-2 vom Kombinat Mikroelektronik, der sein Leben als HC-900 begann.

01:21:03: Das ist die leistungsfähigere der beiden Alternativen und erweist sich dann

01:21:08: eben auch als die populärere.

01:21:10: Zumal, weil dieser KC-85-2 auch besser für Spiele geeignet ist.

01:21:14: Der sieht auch auf den ersten Blick schon ganz anders aus als das Robotron-Modell.

01:21:18: Wir sagten es vorhin schon, der hat keine integrierte Tastatur,

01:21:21: sondern der kommt in einem schwarzen, quadraförmigen Gehäuse.

01:21:25: Das ist relativ flach, nur knapp drei Zentimeter hoch, dafür dann 39 Zentimeter

01:21:30: breit, 27 Zentimeter tief.

01:21:32: Also es ist kompakter als das Robotron-Gerät. Klar ist ja auch keine Tastatur

01:21:35: drauf. Und da sind dann sämtliche Anschlüsse drin.

01:21:38: Die Tastatur wiederum muss mit einem Kabel angesteckt werden,

01:21:41: die ist eben separat. Und es ist auch eine deutlich bessere Tastatur.

01:21:44: Die hat Kunststofftasten, die aber trotzdem einen besseren Druckpunkt haben als beim KC85-1.

01:21:51: Und wenn man noch höhere Ansprüche hat, dann gibt es sogar noch ein anderes

01:21:53: Tastaturmodell, die sogenannte Komfort-Tastatur, die man dann separat kaufen und anschließen kann.

01:21:59: Und auch hier ein kurzer Blick auf die technischen Details. Auch hier steckt

01:22:02: der gleiche Prozessor drin, also der U880, der aber hier etwas niedriger getaktet ist.

01:22:07: Beim KC85-1 waren es ja 2,5 MHz, hier sind es 1,75 MHz. Dann haben wir dafür

01:22:14: aber mehr Arbeitsspeicher, nämlich 16 KB RAM.

01:22:18: Gut, das ist noch das Gleiche wie beim KC85-1, aber da kommen nochmal 16 KB Grafikspeicher dazu.

01:22:24: Also unterm Strich sind das doppelt so viel und auch hier kann man natürlich

01:22:27: den Speicher mit weiteren Modulen erweitern. Dann haben wir als wesentlichen

01:22:32: Unterschied auch noch die Grafikausgabe.

01:22:34: Der KC85-1 konnte ja nur Zeichen oder kann nur Zeichen, wie du das gesagt hast.

01:22:38: Hier ist es wahlweise ein Textmodus mit Zeichen, in dem Fall allerdings nur

01:22:43: Großbuchstaben, die der anzeigen

01:22:44: kann, oder ein Grafikmodus in einer Auflösung von 320 x 256 Pixeln.

01:22:51: Insgesamt gibt es 16 Farben, die im Vordergrund dargestellt werden können und

01:22:57: 8 Farben als Hintergrund. Die sind allerdings nicht beliebig verwendbar in diesem

01:23:01: Grafikmodus, sondern nur in Pixelblöcken.

01:23:03: Pro 4x8 Pixeln ist jeweils eine Vorder- und eine Hintergrundfarbe einstellbar.

01:23:08: Der Sound ist auch eher dürftig. Es gibt einen zweistimmigen Tongenerator,

01:23:13: der kann nur Rechteckwellen herstellen.

01:23:15: Und hier gibt es keinen internen Lautsprecher, sondern das geht nur bei den externen Verstärkern.

01:23:20: Und hier können wir uns mal kurz anhören, wie der Sound vom KC8502 klingt.

01:23:27: Und das ist ein Beispiel aus dem Spiel Pengu.

01:23:29: Hier hören wir zweistimmige Musik, die immer wieder unterbrochen ist durch Spiele-Sounds.

01:23:46: Ja, also im Vergleich zum C64 mit seinem SID-Chip ist das natürlich jetzt keine Meisterleistung.

01:23:52: Ja, und dann, wir hatten es vorhin schon mehrmals erwähnt, ist das ja auch ein

01:23:56: Computer, der auf Erweiterbarkeit getrimmt ist. Der hat also diverse Anschlüsse.

01:24:01: Auch hier kann man natürlich erstmal einen Kassettenrekorder anschließen als

01:24:04: Massenspeichergerät. Auch hier gibt es einen HF-Ausgang für den Fernseher.

01:24:08: Dann gibt es hier noch einen RGB- bzw.

01:24:10: Composite-Ausgang für einen Fernseher oder Monitörer. Ein Tastaturanschluss

01:24:14: und auch einen universellen Erweiterungsanschluss.

01:24:17: Was hier fehlt, ist der Joystick-Anschluss.

01:24:20: Das ist jetzt nicht als Spielecomputer gedacht. Das stimmt.

01:24:25: Inwieweit Spiele relevant waren für die Entwicklung, das erzählt Herr Domschke später nochmal. mal.

01:24:31: Herr Domschke ist auch zuständig für das Betriebssystem, das Chaos heißt,

01:24:35: C-A-O-S, Cassette-Aided Operating System.

01:24:39: Das sitzt direkt im ROM, also im internen Chip.

01:24:42: Aber Basic, wenn man das benutzen will, muss man genau wie beim KC85-1 am Anfang

01:24:47: nachladen, entweder von Kassette oder über ein Steckmodul.

01:24:52: Zwei solcher Module kann man vorne am Computer einstecken, im Rechnergehäuse,

01:24:57: nicht in der Tastatur und da gibt es natürlich weitere Module,

01:25:01: wie du schon gesagt hast, beim KC 85 1 kann man auch hier Arbeitsspeicher zum

01:25:07: Beispiel nachrüsten oder auch direkt Software Module einstecken und man kann

01:25:11: die Joystick Anschlüsse, die fehlenden nachrüsten,

01:25:14: zwei Stück über ein Modul. Genau.

01:25:18: Wichtigste Erweiterung, sehr gut.

01:25:19: Unbedingt, ja. Und man kann, wie Herr Domschke das ja so schön beschrieben hat,

01:25:24: das Ganze zu einem Turm Umstapeln, denn man kann nicht nur Module vorne reinstecken,

01:25:28: sondern man kann auch große Erweiterungsaufsätze auf diesen Rechner draufstellen

01:25:32: im gleichen Format, also in der gleichen Grundfläche, zum Beispiel weitere Modul

01:25:38: Schächte nachrüsten oder ein Disketten Laufwerk.

01:25:41: Dadurch ist der KC 85 2 ziemlich vielseitig.

01:25:45: Ich habe über dieses Gerät und die anderen noch mit einem weiteren Herrn gesprochen,

01:25:51: der sie aus eigener Anschauung kennt, der auch in der DDR aufgewachsen ist,

01:25:54: nämlich unser Podcaster-Kollege Paul Kautz.

01:25:58: Und der sagte, die Mühlhausen-Geräte, ja, das war die Reihe für den professionellen

01:26:03: Anwender, während der KC-87 eher das Pendant zum Heimcomputer war.

01:26:08: Aber nicht nur für den professionellen Anwender, denn der KC 85 II lässt sich

01:26:12: wegen seiner Vollgrafik und wegen der zweistimmigen Sounds auch besser für Spiele

01:26:18: einsetzen als der KC 85 I.

01:26:21: Aber es gibt Einschränkungen beim Einsatz als Spielgerät. Ja,

01:26:24: die Joystick-Ports muss man erstmal nachrüsten, das auch, aber nicht nur das.

01:26:29: Die Tastatur ist nicht besonders gut. Anders als die vom KC-85 I ist die nicht

01:26:35: so gut für Spiele geeignet.

01:26:36: Sie ist besser, ja, zum Schreiben auf jeden Fall, obwohl ich damit auch nicht

01:26:40: blind schreiben kann. Dafür sind die Tasten viel zu klein.

01:26:43: Größer als beim KC-85 I, aber sie haben noch nicht das Format einer Schreibmaschinentastatur

01:26:47: oder einer richtigen PC-Tastatur.

01:26:50: Die Tastatur im KC-85 II hat aber einen weiteren großen Nachteil.

01:26:54: Sie erkennt keine gleichzeitigen Tasteneingaben. Man kann nicht zwei Tasten

01:26:58: gleichzeitig drücken und das ist nicht nur im Shooter relevant,

01:27:02: sondern auch in dem einfachen Jump'n'Run zum Beispiel, wenn man gleichzeitig

01:27:04: laufen und springen will oder vor allem, wenn man diagonal sich über den Bildschirm bewegen will.

01:27:09: Das geht nicht so ohne weiteres. Immer nur eine Taste zur Zeit wird erkannt.

01:27:14: Deswegen ist es auch wichtig, möglichst schnell einen Joystick anzuschließen.

01:27:18: Vor allem aber hat der Rechner ein Problem, was seine Spieletauglichkeit ein bisschen beschneidet.

01:27:24: Er unterstützt keine Sprites. Das sind ja diese Bildelemente,

01:27:28: die direkt vom Grafikchip berechnet und über den Monitor oder über den Fernseher

01:27:33: bewegt werden, ohne dass die CPU jedes Mal das Bild neu aufbauen muss.

01:27:38: Diese Sprites, wie sie im Atari VCS schon 77 unterstützt wurden und vom C64

01:27:44: natürlich auch und bei allen wesentlichen Heimcomputer der 80er Jahre,

01:27:47: die werden hier nicht unterstützt.

01:27:50: Und so ist der Bildaufbau insgesamt auch sehr, sehr langsam,

01:27:54: auch langsamer als beim KC 85 I mit seiner textzeichenbasierten Grafik.

01:28:00: André Weißflog, mit dem sprach ich ja auch über diese Geräte,

01:28:02: der sagte, ja, die KC-85 II Serie, der kriegt ja noch ein paar Nachfolger,

01:28:07: hat insgesamt bessere Grafik als ein ZX Spectrum, immerhin.

01:28:12: Das liegt vor allem an der höheren Bildschirmauflösung und der höheren Farbauflösung

01:28:17: und an der Farbpalette, die ein bisschen ästhetischer ist, wie André Weißflog

01:28:21: sagt, als beim ZX Spectrum.

01:28:24: Aber das Fehlen von Sprites und diese niedrig getaktete CPU,

01:28:28: die sind schon große Nachteile beim Einsatz als Spielegerät,

01:28:32: insbesondere für schnelle Actionspiele.

01:28:34: Dadurch ist er erheblich weniger geeignet als der Spectrum für Actionspiele, sagt André Weißflog.

01:28:41: Der KC-85 II, der kommt ja unter diesem neuen Namen im Jahr 85 auf den Markt,

01:28:47: daher ja auch dieser Name, und kostet dann 4.200 Mark, also erheblich mehr als das Robotron-Gerät.

01:28:56: Und damit ist er jetzt von einem Konsumgut, auch von einem Luxuskonsumgut für

01:29:00: jedermann sehr, sehr weit entfernt.

01:29:04: Zumindest werden die Nachfolger, die gleich kommen, ein bisschen günstiger. Ja.

01:29:08: Und sie beheben auch die größten technischen Schwächen, die dieser KC 85 II noch hat.

01:29:14: Und Christian, wir müssen kurz über die Namen reden. Die sind wirklich verwirrend.

01:29:19: Also nochmal für alle zum Mitschreiben.

01:29:22: Zuerst hatten wir den KC 85 I. Auf den folgte der KC 87, weil er halt im Jahr 87 rauskam.

01:29:31: Jetzt haben wir den KC 85 II. Und auf den folgt im Jahr 86 der KC 85 III.

01:29:40: Es ist ziemlich unübersichtlich. Sie haben sich, glaube ich,

01:29:42: mit dieser Namensgebung keinen Gefallen getan. Sie hätten die Zahlen einfach umdrehen müssen.

01:29:46: KC I für den Robotron und dann Schrägstrich 85 für die Version aus dem Jahr 85.

01:29:54: Und KC II für das Mühlhausengerät, Schrägstrich 85 für das Modell aus dem Jahr

01:29:59: 85. Und dann kann man einfach die Jahreszahlen hochzählen und der Anfang KC1, KC2 bleibt gleich.

01:30:05: Das wäre viel cleverer gewesen, aber das tun sie nicht.

01:30:07: Das hätte in dem Fall aber nichts genutzt, weil dann hätten sie ja hier den

01:30:11: Nachfolger KC3 genannt.

01:30:13: Trotzdem. Ich weiß auch nicht. Ist ja auch wurscht. Also dieser zweite Strang,

01:30:19: der aus Mühlhausen kommt, wird auch abgedatet und ähnlich wie bei dem ersten

01:30:24: Strang, dem von Robotron,

01:30:25: ist das erstmal so eine Art kosmetische Korrektur, wo nicht unbedingt eine Erweiterung

01:30:30: der Leistungsfähigkeit stattfindet, sondern wo Mängel ausgebügelt werden.

01:30:33: Der KC85-3 bekommt genau wie der KC87 auch erstmal eine integrierte Programmiersprache im ROM.

01:30:43: Also auch hier, man muss das Basic nicht mehr laden vom Modul oder von der Kassette,

01:30:48: sondern das ist schon im ROM-Chip drin und auch hier wieder gilt,

01:30:51: das spart Ladezeit, das spart Arbeitssprecher.

01:30:54: Es ist also ein wesentlicher Fortschritt, aber es ist eigentlich das Ausmerzen

01:30:57: eines Mangels und nicht unbedingt eine Leistungserweiterung.

01:31:00: Und auch hier gibt es noch so kleinere Korrekturen.

01:31:02: Ich hatte vorher nebenbei erwähnt, der KC 85 II kann ab Werk nur Großbuchstaben.

01:31:07: Mit dem KC85 III kriegt er Kleinbuchstaben spendiert. Also großer Schritt für diesen Computer.

01:31:14: Wir hatten vorhin gesagt, im Gegensatz zum KC85 I hat der Zweier keinen internen

01:31:20: Lautsprecher, sondern muss über den externen Stärker angeschlossen werden.

01:31:24: Auch das wird korrigiert. Er kriegt jetzt einen internen Summer,

01:31:27: sodass er Töne ausgeben kann.

01:31:28: Und der kriegt jetzt unmittelbar auch eine Preissenkung damit.

01:31:32: Also eine Marginale sind jetzt nur noch in Anführungszeichen 3.900 Mark,

01:31:37: die dieser Computer kostet.

01:31:39: Also man hat das Gefühl, der KC 85 III ist jetzt das Modell,

01:31:43: das der KC 85 II von Anfang an hätte sein sollen.

01:31:46: Jetzt funktioniert es einigermaßen.

01:31:49: Was viel wichtiger ist eigentlich in dem Zusammenhang ist, dass die Produktionskapazitäten

01:31:53: langsam auch hochgefahren werden.

01:31:55: Das neue Deutschland zum Beispiel jubelt im Juli 1986 darüber,

01:31:59: dass jetzt die Computerproduktion verdoppelt worden sei auf 10.000 Stück.

01:32:03: Also hier ist gemeint 10.000 Stück pro Jahr, nicht etwa pro Monat.

01:32:06: Was aber jetzt für den normalen DDR-Bürger oder Bürgerin nicht viel ändert,

01:32:11: weil die kommen nach wie vor praktisch nicht in den Handel.

01:32:14: Die werden für die Wirtschaft produziert und in der Wirtschaft auch gebraucht.

01:32:17: Auch im neuen Deutschland gibt der Artikel unumwunden zu, Zitat,

01:32:21: für die dynamische Entwicklung unserer Volkswirtschaft entsprechend den Beschlüssen des 11.

01:32:26: Parteitags der SED werden massenhaft computergestützte Arbeitsplätze benötigt.

01:32:30: Und für diese computergestützten Arbeitsplätze ist der KC 85 III gedacht.

01:32:39: Solch einen habe ich übrigens auch hier stehen und ich mag ihn.

01:32:41: Sehr gut.

01:32:42: Egal, wo er ursprünglich mal eingesetzt wurde, vielleicht bei einem computergestützten

01:32:46: Arbeitsplatz, aber er hat seinen Weg zu mir gefunden.

01:32:48: Darüber bin ich sehr froh. Ich mag ihn. Ich mag diese abgesetzte Tastatur,

01:32:52: das sagte ich ja schon, das wirkt sehr PC-mäßig, das wirkt sehr professionell,

01:32:56: auch wenn ich keinen Turm draus bauen kann, weil ich kein Diskettenlaufwerk habe.

01:33:00: Er hat vorne diese schönen altmodischen grünen LEDs, gleich mehrere davon für

01:33:06: Betrieb, für RAM-Zugriff, für ROM-Zugriff.

01:33:09: Alles wird mit eigenen blinkenden LEDs angekündigt.

01:33:12: Das ist schon schön. Ich mag ihn mit dieser silbernen Blende vorne im schwarzen

01:33:17: Gehäuse. Es ist schon ein Hingucker, aber noch hübscher ist der Nachfolger,

01:33:21: denn es kommt noch eine letzte Ausbaustufe dieser Mühlhausen-Reihe, der KC85-4.

01:33:27: Nochmal technisch verbessert und der ist jetzt grau. Der kriegt so ein typisches

01:33:32: Computer hellgrau, weiterhin mit einer silbernen Frontblende.

01:33:37: Die Tastatur wird farblich auch angepasst, die ist jetzt auch hellgrau.

01:33:40: Das ist aber nicht die wesentliche Änderung, sondern die betrifft den Arbeitsspeicher.

01:33:44: Der wird jetzt vergrößert auf 64 KB.

01:33:47: Auch der Grafikspeicher, der separate, wird entsprechend vergrößert.

01:33:50: Diese Änderung ist allerdings etwas gravierender, sodass auch Änderungen im

01:33:54: Speichermanagement nötig sind.

01:33:56: Und so sind einige Programme jetzt nicht mehr so ohne weiteres kompatibel.

01:33:59: Das haben wir vorher gar nicht erwähnt, aber bislang war innerhalb einer Baureihe

01:34:04: immer alles abwärtskompatibel.

01:34:06: Also man konnte alte Software vom KC 85 II auch im KC 85 III verwenden und umgekehrt.

01:34:13: Das geht jetzt nicht mehr so ohne weiteres.

01:34:15: Einige Programme müssen angepasst werden oder einige Programme werden gleich

01:34:19: in zwei verschiedenen Versionen ausgeliefert.

01:34:21: Da findet man dann auf der Kassette halt eine Version eines Programms für die

01:34:25: Generationen 2 und 3 und einmal für den KC85-4 mit dem neuen Speichermanagement.

01:34:31: Das ist aber nicht die einzige interne Änderung. Es gibt auch Verbesserungen beim Bildaufbau.

01:34:37: Das haben wir ja vorhin schon beschrieben. Der war sehr langsam im KC85-2 und 3.

01:34:42: Da gibt es einige Änderungen, die den jetzt deutlich beschleunigen.

01:34:45: Außerdem wird die Farbauflösung noch weiter erhöht.

01:34:49: Also die Farbblöcke können jetzt 1x8 Pixel groß sein jeweils.

01:34:53: Und es gibt auch einen neuen hochauflösenden Farbmodus, in dem sogar jeder einzelne

01:34:57: Pixel einzeln eingefärbt werden kann.

01:34:59: Zumindest mit vier Farben, nicht mit allen 16, aber doch mit vier,

01:35:03: mit Schwarz, Weiß, Rot und Türkis.

01:35:05: Woran erinnert uns das, diese Farbkombination?

01:35:08: In Türkis erinnert mich verdächtig an CGA.

01:35:20: Insgesamt ist dieses Gerät noch deutlich runder als der KC-85 III,

01:35:24: vor allem wegen der Verbesserungen beim Bildaufbau.

01:35:27: Dadurch ist er auch eine noch bessere Spielemaschine.

01:35:30: Trotzdem setzt sich die Reihe jetzt nicht als die große Spieleplattform durch,

01:35:34: aber dazu kommen wir noch. Bei Erscheinen kostet dieser KC-85-4 4.600 Mark,

01:35:42: aber auch dieser Preis fällt natürlich sehr schnell.

01:35:44: Im September schon kostet er nur noch 2.150 Mark im September 1989.

01:35:52: Kurz danach fällt ja die Mauer und der Preis fällt dann auch noch weiter.

01:35:57: Die letzten Exemplare werden noch 1990 produziert und dann auch,

01:36:02: das ist ja die Zeit dann nach der Wende, die Grenze ist offen,

01:36:06: werden dann auch im Westen verkauft oder zumindest wird das versucht.

01:36:10: Die letzten Exemplare werden dort dann verramscht für 100 D-Mark.

01:36:14: Es gibt auch Anzeigen, in denen das Gerät beworben wird.

01:36:18: Das war vorher kaum nötig, weil die Nachfrage sowieso das Angebot überstiegen hat.

01:36:23: Aber jetzt werden die letzten Exemplare noch beworben mit den Worten,

01:36:26: das sei ein liebenswürdiger Ex-Root.

01:36:30: Schön, ein bisschen schwach, wenn das das einzige Argument ist.

01:36:35: Aber sie behaupten auch in dieser Anzeige, das sei der in den letzten Jahren

01:36:38: am häufigsten verkaufte Heimcomputer der DDR.

01:36:42: Da ist das Wort wieder. Es darf wieder offiziell Heimcomputer heißen.

01:36:45: Aber ob das stimmt, das ist umstritten.

01:36:48: Welches Modell ist denn jetzt das meistverkaufte? Herr Domschke schätzt auch,

01:36:52: dass dieses Modell KC85-4 das meistverkaufte sei, also häufiger noch hergestellt

01:36:59: und verkauft als der KC85-3.

01:37:01: Es gibt aber andere Quellen, die sagen das Gegenteil. So ganz zweifelsfrei kann

01:37:06: man das nicht feststellen.

01:37:08: Und insgesamt sagen Schätzungen, dass von dieser Mühlhausen-Serie,

01:37:11: also KC85-2 bis KC85-4, 45.000 bis 50.000 Exemplare hergestellt wurden.

01:37:19: Ich vermute aber, dass die tatsächliche Stückzahl deutlich höher liegt.

01:37:23: Es gibt im Netz Datenbanken mit KC-Computern in den Händen von Sammlern und

01:37:28: dort aufgeführt sind auch die Seriennummern, die auf der Rückseite aufgedruckt sind.

01:37:32: Laut Herrn Domschke beginnen diese Seriennummern in Mühlhausen in der Serienproduktion

01:37:36: immer mit der Nummer 1000 und dann wurde einfach weitergezählt.

01:37:40: Und angesichts der höchsten Seriennummern, die ich in solchen Datenbanken und

01:37:45: bei Ebay und anderswo finden konnte, komme ich auf insgesamt rund 80.000 Exemplare.

01:37:50: Ungefähr 10.000 für den 85.2 und jeweils rund 35.000 für den 85.3 und 85.4 mit

01:37:58: leichtem Vorsprung für den 3er.

01:38:00: Aber egal welcher Zahl man jetzt vertraut, diese Mühlhausen-Reihe ist deutlich

01:38:05: verbreiteter als die konkurrierenden Modelle von Robotron.

01:38:08: Das Berliner Computerspielemuseum nennt sie daher auch die eigentliche Erfolgslinie der DDR.

01:38:14: Aber damit endet die Computerproduktion in Mühlhausen noch nicht.

01:38:18: Ein Gerät kommt da nämlich noch.

01:38:20: Ja, es gibt noch ein letztes kurioses Modell mit dem Namen KC-Kompakt.

01:38:26: Das ist ein kleiner Rechner, der auch gar nicht aus eigenem Antrieb in Mühlhausen

01:38:30: entsteht, sondern das ist eine Auftragsarbeit von oben.

01:38:32: Der staatliche Befehl ergeht, dass ein Westsystem geklont werden solle,

01:38:37: und zwar der Schneider CPC 464.

01:38:41: Dazu muss das Kombinat Mikroelektronik Gussformen für das Gehäuse des von dir

01:38:46: schon erzählten Bildungskomputers BIC von Robotron übernehmen.

01:38:50: Also das ist die Formvorgabe für das Gehäuse. Und da rein soll dieser Klon gebaut

01:38:55: werden, das Schneider CPC.

01:38:57: Davon sind die Ingenieure in Mühlhausen nicht begeistert. Die sind ja stolz

01:39:01: darauf, dass sie alles selbst entwickelt haben bisher mit ihrer KC-Serie.

01:39:05: Aber es hilft nichts, sie müssen sich da fügen. Der Schneider CPC basiert auch

01:39:10: auf einem Z80-Prozessor.

01:39:12: Dementsprechend lässt sich das mit dem U880 relativ leicht nachbauen.

01:39:17: Du hattest ja erzählt, dass ursprünglich die Entwicklung von den Mikrocomputern

01:39:22: in der DDR nicht auf Westsystemen basiert.

01:39:25: Damals, als die entstanden sind, gab es den CPC noch nicht.

01:39:28: Wenn es den schon gegeben hätte, wäre das vielleicht eine Option gewesen,

01:39:31: den nachzubauen. Aber diese Option gab es nicht.

01:39:33: Der kam erst im April 1984 auf den Markt. Da war das ja alles schon in der Entwicklung in der DDR.

01:39:39: Im CPC stecken auch noch andere Spezialchips, aber auch die sind in der DDR als Klone verfügbar.

01:39:45: Also der Original-CPC-benutzenden Videochip von Motorola, der wird im sozialistischen

01:39:51: Bulgarien gefertigt, ein Klon davon als CM607.

01:39:55: Dann steckt im CPC ein Soundchip von General Instrument, der wiederum wird in

01:40:01: der DDR auch geklont, hat dort den Namen U8912.

01:40:04: Also die Bauteile sind beisammen und dementsprechend entsteht dann tatsächlich

01:40:09: dieser geklonte Computer und der ist in seinen technischen Daten auch weitgehend originalgetreu.

01:40:14: Die CPU läuft mit 4 MHz, das ist ziemlich flott.

01:40:17: 64 Kilobyte Arbeitsspeicher steckt da drin.

01:40:20: Der Grafikchip kann maximal 640x200 Pixel darstellen, in dem Fall aber nur im

01:40:26: Zweifarbmodus oder in den niedrigeren Auflösungen bis zu 16 aus insgesamt 27 Farben darstellen.

01:40:34: Auch ziemlich hübschen Farben, hat eine schöne Palette und der Soundchip kann dreistimmige Klänge.

01:40:38: Also das ist jetzt endlich mal ein Heimcomputer, wie man sich das in der 8-Bit-Generation

01:40:42: vorstellt als leistungsfähiges Ding.

01:40:44: Basic ist natürlich ebenfalls drauf, auch das gleiche wie beim CPC.

01:40:48: Das einzige, was fehlt, ist das integrierte Kassettenlaufwerk.

01:40:51: Das muss hier extern angeschlossen werden.

01:40:54: Dafür ist die Tastatur, die jetzt hier auch wieder im Rechnergehäuse steckt,

01:40:59: ein vollwertiges Schreibmaschinenmodell. Also eine, mit der man tatsächlich gut schreiben kann.

01:41:03: Deshalb muss man sagen, unterm Strich ist das tatsächlich ein kompetenter und

01:41:07: gut gelungener Klon, dieser KC-Kompakt.

01:41:10: Er kommt halt nur leider viel zu spät.

01:41:13: Und er ist jetzt nicht mehr kompatibel mit den Vorgängern. Also die alte KC-Serie

01:41:17: aus Mühlhausen, die ist damit beendet

01:41:20: und die Software kann man nicht mehr einsetzen auf diesem KC-Kompakt.

01:41:24: Dafür laufen jetzt Programme von den Schneider oder Amstrad CPC Rechnern vom

01:41:29: 464 oder 664, zumindest weitgehend, gibt ein paar Ausnahmen, aber das meiste läuft.

01:41:35: Es gibt auch kommerziell verkaufte Spiele, dazu kommen wir gleich noch im Einzelnen

01:41:41: und das zeigt auch, das ist jetzt ein richtiger Heimcomputer,

01:41:44: wie du es schon gesagt hast, nicht nur von den Leistungsdaten her,

01:41:47: sondern auch von der Ausrichtung.

01:41:48: Das ist ein richtiger, spieletauglicher Heimcomputer und kein Bildungsgerät mehr.

01:41:53: Der wird enthüllt, der KC-Kompakt, wieder anlässlich eines Republik-Geburtstags.

01:41:59: Die Geschichte wiederholt sich. Diesmal ist es der 40.

01:42:01: Geburtstag der Republik im Oktober 89.

01:42:05: Ein paar Wochen später fällt die Mauer. Das ist also ganz schlechtes Timing

01:42:08: für den KC Compact und damit öffnet sich ja der ganze Markt auch für Systeme aus dem Westen.

01:42:15: Und als der Rechner dann groß offiziell vorgestellt wird, auf der Frühjahrsmesse

01:42:20: wieder im März 1990, interessiert sich kein Mensch mehr für den KC Compact.

01:42:24: Das ist ja schließlich der Klon eines längst veralteten CPC-Rechners.

01:42:29: Trotzdem fangen sie noch sehr optimistisch die Serienproduktion an im April

01:42:33: 1990, aber die 20.000 Exemplare, die geplant werden, die werden wohl nicht mehr produziert.

01:42:40: Wie viele tatsächlich produziert werden, ist nicht bekannt, aber wahrscheinlich

01:42:45: endet die Produktion nach ein paar Monaten.

01:42:48: Jedenfalls ist der KC Compact heute sehr schwer zu bekommen.

01:42:51: Ich habe auch mal geguckt, ob ich einen kriegen kann, aber es ist mir nicht gelungen.

01:42:56: Der ist sehr rar und sehr begehrt unter Sammlern, während man den KC 85 III

01:43:00: und 4 relativ leicht noch bekommt.

01:43:03: Der Einführungspreis von 2300 Mark, der lässt sich so natürlich nicht halten,

01:43:07: weil ja der Markt dann geflutet wird von westlichen Heimcomputern und so sinkt

01:43:11: er sehr schnell auf 1000 Mark.

01:43:14: Das ist aber auch noch zu viel für so einen alten Rechner, dem ja auch noch

01:43:17: das Laufwerk fehlt gegenüber dem Vorbild, dem Amstrad CPC.

01:43:21: Zum Vergleich, 1990 kriegt man in der BRD einen neuen C64 für 250 D-Mark.

01:43:28: Da sind 1000 Ostmark einfach viel zu viel, zumal ja dann im Juli 1990 die Währungsunion folgt.

01:43:36: Es wird also auch im Osten in der DDR die D-Mark eingeführt und so kann man

01:43:42: sich jetzt für die starke westliche Währung Heimcomputer aus dem Westen kaufen

01:43:46: und da will niemand mehr einen KC-Compact haben.

01:43:50: Aber springen wir nochmal ein paar Jahre zurück zur Einführung der allerersten

01:43:56: Heimcomputer der DDR, auch wenn es dann keine Heimcomputer mehr sind, recht bald.

01:44:00: Wie wurden die denn aufgenommen? Ich habe mal geguckt, ob ich aus der DDR-Presse

01:44:06: vielleicht sowas wie einen Testbericht finde,

01:44:09: wie man ihn in westlichen Computerzeitschriften üblicherweise findet.

01:44:12: Das war aber ein bisschen schwierig.

01:44:14: So eine richtige kritische Auseinandersetzung, wie man sie aus der Fachpresse

01:44:19: erwartet, von einem Äquivalent der PC Games Hardware aus dem Osten, sowas gibt es kaum.

01:44:26: Das liegt nicht nur daran, dass die Medien natürlich alle staatlich gelenkt

01:44:30: sind, sondern es liegt auch daran, dass alle einfach ganz ehrlich begeistert

01:44:35: sind von diesen Geräten. Der Herr Domschke sagt das so.

01:44:39: Die Begeisterung war riesengroß, es gab keine Kritik.

01:44:43: Ja, die Berichte beschränken sich

01:44:45: meistens auf rechtssachlich nüchterne Beschreibungen ohne viel Kritik.

01:44:51: Aber sie werden gerne auch mal durchsetzt von ein bisschen Lob für den Sozialismus

01:44:57: und was er alles hervorbringt.

01:44:59: Da wird nicht kritisch verglichen mit den Rechnern aus dem Westen.

01:45:02: Ja, aber ein paar Testberichte mehr oder weniger kritischer Natur habe ich dann doch gefunden.

01:45:08: Das Magazin Jugend und Technik zum Beispiel hat über die Frühjahrsmesse Vorstellung

01:45:14: des HC 900, also des späteren KC 85 II geschrieben. Das Gerät würde dem technischen

01:45:21: Weltstand entsprechen.

01:45:23: Das ist ja dieses Ziel, was Ulbricht seit seines Lebens verfolgt hat.

01:45:27: Die DDR solle den technischen Weltstand erreichen. Das war sein Lieblingswort offenbar.

01:45:33: Und hier wird es behauptet über den HC900, aber es wird nicht weiter belegt

01:45:38: und das ist natürlich auch nicht haltbar,

01:45:40: denn du hast es ja schon beschrieben, seit Anfang 84 ist auch schon der Macintosh

01:45:45: auf dem Markt und damit ist der HC900 nun wirklich nicht vergleichbar.

01:45:50: Das Magazin sieht das aber nicht so kritisch. Die schreiben stattdessen,

01:45:53: was man mit diesen neuen tollen Geräten alles machen kann.

01:45:56: Etwa musizieren, komponieren und archivieren.

01:46:00: Aber auch Spiele spielen hier eine Rolle.

01:46:02: So heißt es in Jugend und Technik im Mai 84.

01:46:05: Bei Bildschirmspielen könne man die eigene Reaktionsfähigkeit und Geschicklichkeit entwickeln.

01:46:11: Bloß keinen Spaß haben. Sonst was lernen dabei.

01:46:16: Das Nachfolgemodell der KC 85 III, das ist eines der Geräte,

01:46:20: die auch mal ein bisschen kritischer beäugt wird.

01:46:22: Da gibt es zum Beispiel die Zeitschrift Radio, Fernsehen, Elektronik.

01:46:25: Und die schreibt im Februar 1987 beim Tippenkomme bald auch der Wunsch nach

01:46:32: einer für den Dauerbetrieb günstigeren Tastatur auf.

01:46:36: Außerdem schreibt sie die Veröffentlichung versprochene Erweiterungen gehe für

01:46:40: die ungeduldigen Nutzer bisweilen noch etwas langsam vor sich.

01:46:43: Und die Redaktion empfiehlt deswegen, manches könnte durch Eigenbau rascher

01:46:47: genutzt werden, ohne damit die Absatzmöglichkeiten des Herstellers ernsthaft zu gefährden.

01:46:52: Dennoch solle man jedoch nicht den bereits jetzt gegebenen hohen Gebrauchswert unterschätzen.

01:46:58: Naja, also ist natürlich trotzdem ein positives Urteil. Der KC87 wird dann in

01:47:04: dem Magazin Mikroprozessortechnik in der Ausgabe 1.87 vorgestellt.

01:47:08: Da kommen auch keine kritischen Töne vor, denn der Artikel ist ein Gastbeitrag

01:47:13: vom Hersteller von Robotron und dementsprechend ziemlich nüchtern.

01:47:17: Da stehen dann zum Beispiel Sätze wie, Zitat, mit diesen Eigenschaften ist der

01:47:21: Computer gut zur Heranführung praktisch aller Bevölkerungsgruppen an Probleme

01:47:25: der Anwendung der Computertechnik geeignet. Zitat Ende.

01:47:29: Na, das macht doch Lust, sich damit zu beschäftigen.

01:47:31: Ist das nicht praktisch ein Advertorial?

01:47:34: Ja, würde man so sagen, wenn denn Geld dafür bezahlt wurde.

01:47:38: Wahrscheinlich nicht.

01:47:40: Wahrscheinlich nicht, ne. Tatsächlich ein Gastbeitrag.

01:47:43: Als dann im Jahr 1990, wo das SED-Regime ja schon am Ende ist,

01:47:48: der KC-Kompakt noch vorgestellt wird, da schreibt zum Beispiel die Zeitschrift

01:47:53: Funkamateur, dass er spät, sehr spät komme, dieser Computer.

01:47:59: Ist aber trotzdem noch froh darüber, dass er jetzt zumindest da ist.

01:48:02: Und dort erhält der Computer selbst dann auch Lob.

01:48:05: Zitat, er weist gegenüber den bisher in der DDR angebotenen kleinen Computern

01:48:09: deutlich verbesserte Leistungsparameter auf und 8-Bit zu Hause sind auch 1990 keine Schande.

01:48:16: Zitat Ende. Aber was wir jetzt alles beschrieben haben, sind Zeitschriften und

01:48:20: Radio- und Fernsehbeiträge aus dem Osten.

01:48:22: In der westlichen Presse spielen diese Geräte auch nach der Wende praktisch

01:48:26: keine Rolle. Es gibt einen Test in der Zeitschrift 64er, in der Ausgabe 7.1990.

01:48:33: Da werden die Rechner aus Mühlhausen, also die KC 85234-Reihe getestet und dort

01:48:41: heißt es, dass die einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen.

01:48:44: Durchaus funktionsfähig, urteilt die 64er, aber extrem schlampig verarbeitet,

01:48:50: Hausbacken, zusammengeschustert, improvisiert.

01:49:00: Ui, ui, ui.

01:49:22: Nur um dann bitter enttäuscht zu werden, denn diese verhinderten Heimcomputer

01:49:27: waren ja kaum zu bekommen.

01:49:29: Es gibt aber Alternativen und ich spreche noch nicht von den westlichen Heimcomputern,

01:49:34: zu denen kommen wir noch.

01:49:35: Ich meine zwei DDR-eigene Alternativen, Lerncomputer und Bausätze.

01:49:41: Als Lerncomputer gelten minimalistische Einplatinenrechner, vergleichbar mit

01:49:47: dem Kim One von Commodore.

01:49:49: Davon gibt es mehrere in der DDR. Zum Beispiel ein Modell aus dem Kombinat Mikroelektronik,

01:49:54: das noch vor dem HC900 erscheint und damit als erster DDR-Heimcomputer gelten darf,

01:50:01: der LC80 von 1984.

01:50:05: Der kostet nur ein paar hundert Mark, aber damit kann man auch nicht viel mehr

01:50:09: machen, als ein paar Erfahrungen mit dieser Technologie zu sammeln,

01:50:12: wie auch im Falle von André Weißflug.

01:50:14: Aber ernsthaft spielen oder arbeiten lässt sich damit kaum, vor allem weil er

01:50:19: keinen TV-Ausgang hat, sondern nur eine Siebensegmentanzeige für ein paar Ziffern.

01:50:24: Interessanter ist seine Entstehungsgeschichte, denn das Kombinat verwendet dafür

01:50:28: Ausschussware, also Prozessoren, die nicht die geplanten Taktraten erreichen

01:50:33: zum Beispiel oder teildefekte Speicherchips.

01:50:35: Und auf diese Weise muss man die Ausschussquote nämlich nicht vor der politischen

01:50:40: Führung rechtfertigen. Wieder mal sehr pragmatisch. Die zweite Alternative sind Computerbausätze.

01:50:48: Dinge selber herzustellen mit viel Improvisation gehört ja zum Alltag in der Mangelwirtschaft.

01:50:54: Und auf diese Fertigkeit setzt zum Beispiel die Zeitschrift Funkamateur ab Ende

01:50:59: 83 mit der Bauanleitung für einen Eigenbaucomputer, den Amateurcomputer AC1, auch auf Basis des U880.

01:51:08: Das Projekt wird immer weiter ausgebaut.

01:51:11: 1989 folgt auch noch die Anleitung zum Bau eines einfachen Joysticks aus einem

01:51:17: Aluminiumrohr und einer Deo-Rollerkugel.

01:51:20: Man sieht schon, hier ist viel Eigeninitiative gefragt. Aber stärker verbreitet

01:51:25: als dieser AC1 und etwas bequemer zu bauen ist ein weiterer Bausatz von Robotron, der Z1013.

01:51:32: Der besteht ebenfalls aus Ausschusskomponenten rund um den U880,

01:51:37: aber zumindest wird hier das Wichtigste mitgeliefert.

01:51:40: Kein Gehäuse, das muss man selber bauen, aber zumindest eine einfache Tastatur

01:51:44: und ein Modulator, sodass er ein richtiges Bildsignal an einen Fernseher ausgeben kann.

01:51:50: Programme kann man mit BASIC programmieren und auf Kassette speichern.

01:51:54: Es ist also ein vollwertiger Heimcomputer, der da im Jahr 85 für 650 Mark auf den Markt kommt.

01:52:01: Und so bildet sich auch schnell eine aktive Fangemeinde rund um den 10.13,

01:52:06: der ungefähr 25.000 Mal hergestellt wird und damit womöglich der meistverbreitete

01:52:13: DDR-Heimcomputer in privater Hand ist.

01:52:15: Das sind de facto auch keine Heimcomputer oder werden nicht so genannt,

01:52:19: sondern das sind ja Lerncomputer, diese Bausätze.

01:52:22: Also wurde es auch mit dazu gehört, dass man den selbst zusammenbaut und dadurch

01:52:26: etwas lernt über die Art und Weise, wie Computer funktionieren. ENDE

01:52:31: So Heiner, jetzt haben wir also die Palette der verfügbaren in der DDR gefertigten

01:52:36: Computer vor uns und unseren Hörerinnen und Hörern aufgebaut und jetzt nähern

01:52:41: wir uns endlich der wichtigsten Frage, was kann man denn darauf eigentlich machen?

01:52:45: Vor allen Dingen, was kann man denn darauf spielen?

01:52:48: Und dazu gehört vorausgesetzt noch die Frage, wer hat denn überhaupt auf diesen

01:52:53: Maschinen etwas programmiert?

01:52:55: Denn um so ein Land zu digitalisieren, das war ja nun in mehreren Anläufen immer

01:53:01: das erklärte Ziel der Parteiführung, brauchst du natürlich auch Leute,

01:53:04: die in der Lage sind, darauf zu programmieren.

01:53:07: Und auch da versucht die Staatsführung der DDR,

01:53:10: möglichst viele Menschen mit der Informatik vertraut zu machen,

01:53:14: zum Beispiel über die günstigen Lerncomputer, über öffentlich zugängliche Computer

01:53:18: in Kabinetten und in Schulen, über Programmierwettbewerbe.

01:53:22: Die werden dann ab 1987 von der Vormilitärischen Massenorganisation Gesellschaft

01:53:28: für Sport und Technik ausgerichtet.

01:53:30: Das wirkt zuweilen planlos. Dafür hat der Herr Domschke dir im Interview auch

01:53:36: ein persönliches Beispiel erzählt.

01:53:38: Meine Frau war im Personalbüro tätig beispielsweise und die wurden verurteilt,

01:53:43: einen Basic-Kurs zu machen. Sie wusste gar nicht, was sie machen sollte damit.

01:53:46: Dort im Computerkabinett hat

01:53:48: sie das gelernt, aber hatte keine Anwendungsmöglichkeiten in der Firma.

01:53:52: Computer und Basic und Personal gingen überhaupt nicht zusammen.

01:53:55: Man hat versucht, das Computerwissen in die Bevölkerung zu bringen,

01:53:59: weil wir gesagt haben, das ist Zukunftstechnologie, aber man hat offensichtlich

01:54:03: nicht gerade den richtigen Weg gefunden.

01:54:06: Aber nichtsdestotrotz, es führt zumindest dazu, dass die DDR eine lebhafte Entwicklerszene

01:54:11: hervorbringt, die dann insbesondere, was die jungen Leute angeht,

01:54:16: vor allem eines im Sinne hat, nämlich Spiele zu programmieren.

01:54:19: Genau, aber welche ist denn die wichtigste Spieleplattform der DDR?

01:54:24: Auf welchem System werden die meisten Spiele entwickelt?

01:54:29: Dazu habe ich einige Experten befragt. Der Herr Domschke ist jetzt nicht so

01:54:33: der Experte für Spiele, aber Herr Weiß flog schon und Paul Kautz auch,

01:54:37: der ja nicht nur Spielejournalist ist, sondern selbst damals auch ein paar Spiele

01:54:41: hobbymäßig entwickelt hat.

01:54:42: Paul Kautz ist ein großer Fan des KC87, sowohl zum Spielen als auch zum Programmieren,

01:54:48: weil er so schön kompakt war, sagt er.

01:54:51: Aber das ist eine Minderheitenansicht. Also damit ist er relativ alleine auf Weiterflug.

01:54:56: Oh Paul, tut uns leid. Ja, sorry.

01:54:58: Eine exklusive Ansicht kann man auch sagen, dann klingt es besser.

01:55:01: Die allermeisten bescheinigen eher der Mühlhausen-Reihe, also KC 85 II bis IV,

01:55:08: dass sie die wichtigsten Spielesysteme der DDR waren.

01:55:11: Das sagt zum Beispiel André Weißflog. Darauf haben sich die Hobbyentwickler gestürzt.

01:55:17: Er sagt, von den heimischen Computern war sicher der KC85 III am populärsten

01:55:22: für die Hobbyspielerentwicklung.

01:55:23: Der sei zwar nicht unbedingt der verbreitetste Computer, das dürfte eher der

01:55:28: Z1013 gewesen sein, also dieser Bausatz.

01:55:31: Aber er war der beste Kompromiss zwischen Verfügbarkeit und Hardwarefeatures,

01:55:36: vor allem durch seine Farbpixelgrafik.

01:55:38: Dann gibt es natürlich noch den KC Compact.

01:55:41: Der ja auch eine sehr kompetente Spielemaschine ist, so wie das Vorbild der

01:55:45: CPC. Und der hat auch den großen Vorteil, dass die CPC-Spiele auf ihm laufen.

01:55:49: Aber für DDR-Entwickler kommt der viel zu spät.

01:55:53: Das sagt auch Weißflug. Der meinte, der kam zu spät, um noch eine Rolle zu spielen.

01:55:57: Und den KC-85-1, den hat Weißflug ganz ignoriert, denn der sei einfach nicht

01:56:03: so viel besser gewesen als so ein Z-1013-Bausatz, zumindest in der Version mit

01:56:08: Schwarz-Weiß-Ausgabe.

01:56:09: Und für diesen Z1013, ja, da gibt es schon eine Menge kleiner Spiele.

01:56:13: Das hat ein weiterer Experte mir erzählt, der René Meier, der ist Leipziger

01:56:17: von Geburt und Kenner der DDR-Computerszene, der hat auch einige Bücher zum

01:56:22: Thema geschrieben, zum Beispiel das Buch Computer in der DDR,

01:56:24: das mir auch bei der Recherche sehr geholfen hat.

01:56:26: Und der jetzt übrigens, während wir das aufnehmen, ein weiteres Buch rausbringt,

01:56:30: von Robotron bis Polyplay, Computer- und Videospiele in der DDR.

01:56:35: Da beschreibt er die Spiele-Szene der DDR nochmal im Detail.

01:56:39: Und der meinte auch, also dieser Z1013, den könne man vernachlässigen,

01:56:44: wenn es um die Spielegeschichte der DDR geht, weil der halt nur Schwarz-Weiß-Bilder

01:56:50: ausgibt, weil er keinen Ton ausgeben kann ohne Erweiterung.

01:56:54: Und die Besitzer sind auch eher Bastler als Spieler. Also der ist nicht so wichtig.

01:56:59: Ebenso nicht so wichtig, aber nur der Vollständigkeit halber,

01:57:02: die diversen Bürorechner, die wir heute nicht behandeln.

01:57:05: Es gibt durchaus auch einige DOS-kompatible, IBM-PC-kompatible Rechner aus der

01:57:09: DDR, aber die sind als Spieleplattform alle nicht wichtig, weil sie viel zu

01:57:14: teuer sind und für einzelne Bürger ohnehin nicht zu kaufen.

01:57:18: Das heißt, die Entwicklerszene der DDR, die vorwiegend eine Hobby-Entwicklerszene

01:57:25: ist, die bevorzugt eindeutig, sorry Paul,

01:57:28: die KC-Rechner aus Mühlhausen, also KC 85 II bis IV.

01:57:35: Aber Christian, gibt es denn für diese Rechner, wenn sie die wichtigsten Spielerechner

01:57:40: der DDR sind, gibt es denn da auch was von EA oder von Activision oder so?

01:57:45: Eine rhetorische Frage, die du da stellst.

01:58:14: Weil man Spiele an die Schulen verkauft. Vielleicht geht das zu einem gewissen

01:58:17: Maße, gerade wenn es Lernspiele sind.

01:58:18: Aber das ist natürlich ein viel eingeschränkterer Markt, als wenn man jetzt

01:58:21: einen Massenmarkt hätte.

01:58:22: Du hast aber gerade die westlichen Firmen angesprochen, also ein EA und ein Atari und so weiter.

01:58:28: Im Westen professionalisiert sich ja dieser kommerzielle Markt sehr schnell.

01:58:31: Da entstehen ja dann große, sogar riesige Firmen.

01:58:34: Also Atari ist ja nun der erste richtige Konzern, der aus den 70er Jahren rausgeht,

01:58:39: in großer Stärke und Milliardenumsätze macht. Für die ist aber der DDR-Markt

01:58:43: mit den KC-Rechnern uninteressant und auch unerreichbar.

01:58:46: Also selbst wenn sie dafür Spiele entwickeln wollen würden, dann würden sie

01:58:50: da überhaupt nicht reinkommen in diesen Markt.

01:58:52: Das muss schon aus der DDR selbst kommen.

01:58:55: Und hier, wie gesagt, haben wir dieses Ding, es fehlt der wirkliche Markt im

01:58:59: Heimatland und dementsprechend sind

01:59:01: wir hier auf Hobbyisten-Niveau und dementsprechend wird also die Szene,

01:59:06: insbesondere die Spieleentwicklungsszene in erster Linie von Hobbyentwicklern getragen.

01:59:11: Wo bekommen die ihre Inspiration denn eigentlich her? Zum Beispiel über Spielezeitschriften,

01:59:15: die ja durchaus über die Grenze kommen von Verwandten aus der BRD zum Beispiel,

01:59:20: die dann sowas halt einfach mitbringen in den Osten oder auch auf Jahrmärkten.

01:59:24: Dort können nämlich durchaus Arcade-Maschinen aufgestellt werden.

01:59:27: Also da kann man auch in der DDR einen Pac-Man spielen oder später einen Outrun

01:59:31: und sowas. Auch André Weißlug zum Beispiel hat ja gesagt, dass er dort Ideen,

01:59:35: Inspirationen für eigene Spiele bekommen hat.

01:59:38: Aber die Inspiration ist das eine. Man braucht ja natürlich auch noch die Fähigkeiten,

01:59:42: das Wissen, um das umzusetzen in Basic oder sogar in Assembler.

01:59:45: Und wie im Westen auch erarbeiten sich die jungen Leute das selbst.

01:59:49: Die haben Programmierhandbücher, die haben teilweise Fachzeitschriften und dadurch

01:59:53: werden sie Autodetakten, die sich das Wissen erarbeiten, wie sie auf diesen

01:59:57: Maschinen programmieren können.

01:59:58: Und so entstehen dann im Laufe der späten 80er Jahre tatsächlich einige gute

02:00:03: Spiele für die KC-Computer.

02:00:06: Und welche das sind, dazu kommen wir gleich noch. Aber was ist eigentlich die

02:00:09: Motivation der Entwicklerinnen und Entwickler, die da in ihrer Freizeit in Computerclubs

02:00:15: und Computerkabinetten oder an Schulen eigene Spiele entwickeln?

02:00:18: Im Westen verfolgen Hobbyentwickler ja oft auch wirtschaftliche Interessen.

02:00:23: Zumindest hegen viele die leise Hoffnung, ihre Werke eines Tages auch mal verkaufen

02:00:28: zu können. Und das geschieht ja auch in vielen Fällen.

02:00:31: In Deutschland vielleicht seltener, aber in Großbritannien zum Beispiel,

02:00:34: wo sich diese jugendliche Entwicklerszene in den 80er Jahren schnell professionalisiert

02:00:39: und kommerzialisiert, was sich dann niederschlägt in zahllosen Unternehmensgründungen,

02:00:43: wie im Fall von Codemasters etwa.

02:00:45: Sodass aus der Homebrew-Kultur ein ganzer Industriezweig entsteht.

02:00:50: Das ist in der DDR nicht denkbar. Da gibt es ja nun mal keine freie Marktwirtschaft.

02:00:55: Also der Gedanke, ein Spiel auf den Markt zu bringen und damit reich zu werden,

02:01:00: den gibt es praktisch nicht.

02:01:02: Das erzählt mir zumindest André Weißflog. Der sagt, Zitat, Monetarisierung hat

02:01:07: eigentlich nie eine Rolle gespielt.

02:01:09: Für seine Spiele Geld zu verlangen, das war quasi undenkbar. Zitat Ende.

02:01:15: Stattdessen entwickeln die Designer oder die Spieleentwickler ihre Spiele vor

02:01:19: allem, um selbst damit spielen zu können und um sie auszutauschen mit anderen

02:01:24: Entwicklern, damit sie neues Spielefutter bekommen.

02:01:28: Und deswegen, das ist auch eine Eigenheit dieses Marktes, geben sie oft ihren

02:01:32: Namen und ihre vollständige Adresse und wenn sie die haben, auch ihre Telefonnummer

02:01:36: im Hauptmenü ihrer Spiele an.

02:01:39: Also bei ganz vielen DDR-Spielen findet sich das, wenn man die startet.

02:01:43: Da steht sofort die vollständige Postadresse. Das würde heute,

02:01:46: glaube ich, keiner mehr machen.

02:01:47: Aber nicht, damit man ihnen Geld schickt und was abkauft, wie beim Shareware-Modell

02:01:52: zum Beispiel, sondern damit man ihnen

02:01:54: schreibt, dass man ihr Spiel mag und vielleicht eigene Spiele schickt.

02:01:58: André Weißflug führt das auch noch weiter aus. Er sagte, es gab ja kein Internet

02:02:01: und kaum jemand hatte ein Telefon zu Hause.

02:02:04: Das musste also weitgehend per Post passieren.

02:02:07: Und ja, er hat recht, ich habe mal nachgesehen, selbst im Jahr 89,

02:02:11: also kurz vor der Wende, haben überhaupt nur 17 Prozent der DDR-Haushalte einen Telefonanschluss.

02:02:17: Also das geht nur mit sehr viel Post und hin und her geschickten Listings oder Kassetten.

02:02:25: Und so entwickelt sich nach und nach ein reges Briefnetzwerk zwischen den Entwicklern

02:02:30: und den Spielern, die meisten sind ja nun mal beides, und auch Unternehmen beteiligen

02:02:34: sich daran oder Betriebe oder öffentliche Institutionen wie Schulen,

02:02:38: überall werden diese Spiele getauscht.

02:02:40: Und auch die Computerclubs des Landes sind natürlich beliebte Umschlagplätze.

02:02:44: Ein weiterer damaliger Entwickler, mit dem ich nicht selbst gesprochen habe,

02:02:48: der aber an anderer Stelle ein Interview gegeben hat, namens Raimo Bunsen,

02:02:52: der hat in einem Interview von einem weiteren Verbreitungsweg für Spiele erzählt, nämlich Messen.

02:02:58: Vor allem die schon oft erwähnte Leipziger Frühjahrsmesse oder auch die Leipziger

02:03:03: Herbstmesse. Der hat, wenn er ein neues Spiel entwickelt hat,

02:03:06: immer die Messestände abgeklappert.

02:03:08: Und bei den meisten Betrieben, die dort ausgestellt haben, stand so ein KC-Computer.

02:03:14: Und dann hat er denen das Spiel gezeigt, die haben sich das kopiert und da an

02:03:18: ihrem Stand laufen gelassen.

02:03:19: Und dann sagt er, in den nächsten Tagen konnte ich beobachten,

02:03:22: wie sich das Spiel explosionsartig auf der Messe verbreitete.

02:03:26: Das kennen wir aus der Kopierszene im Westen.

02:03:31: Aber im Osten passiert das ganz offen, weil es so etwas wie Raubkopien,

02:03:36: in Anführungszeichen, im Osten gar nicht gibt.

02:03:39: Denn es gibt keinen urheberrechtlichen Schutz für Spiele. Man hat also auch

02:03:44: keine entsprechenden Probleme zu befürchten, wenn man Spiele kopiert.

02:03:47: Software gilt, das ist höchstrichterlich mal entschieden worden im Jahr 79,

02:03:53: weder als wissenschaftliches Werk noch als gestalterische Leistung.

02:03:56: Das heißt, es gibt keinen Urheberrechtsschutz für Software und damit auch nicht für Spiele.

02:04:02: Also dieses Phänomen der Raubkopien ist in der DDR völlig unbekannt.

02:04:07: Man kann alles frei kopieren.

02:04:09: Und Paul Kautz erzählte mir dazu auch, vom Konzept eines Copyrights habe ich

02:04:13: erst nach dem Mauerfall erfahren.

02:04:15: Zu DDR-Zeiten hatte ich damit keinerlei Kontakt, sprich die Programme waren

02:04:19: einfach so immer verfügbar.

02:04:22: Das verwundert jetzt vielleicht weniger bei Heimentwicklungen,

02:04:25: bei Hobby-entwickelten Spielen, dass sie frei verfügbar sind und frei kopiert werden.

02:04:31: Es gilt aber auch für kommerzielle Spiele, denn auch solche gibt es.

02:04:35: Ja, es gibt zwar keinen freien Markt in der DDR, wie du es beschrieben hast,

02:04:39: aber es werden trotzdem Spiele verkauft.

02:04:41: Man kann welche kaufen und die kommen von den Herstellern der Computer selbst,

02:04:45: also von Robotron und Mikroelektronik. Die bieten Software für ihre Rechner

02:04:50: an, also Anwendungsprogramme, aber auch Kassetten, auf denen Spiele gesammelt sind.

02:04:55: Und die kommen dann aber nicht von irgendwelchen internen Teams oder gar professionellen

02:05:00: Entwicklungsstudios, sondern von Hobbyentwicklern wie zum Beispiel André Weißflug.

02:05:05: Das erzählte dir Werner Domschke.

02:05:08: Wir haben in dem Club Junger Techniker

02:05:10: ein großes Reservoir gehabt von Spieleentwicklern, will ich mal sagen.

02:05:15: Da hat unsere Softwareabteilung eigentlich im Wesen damit zu tun gehabt,

02:05:19: die besten Spiele rauszufischen und zu testen, welche sind geeignet für unseren

02:05:24: Verkauf. Und die Spiele sind dann von den Leuten abgekauft worden.

02:05:27: Es gab natürlich so eine Art kleine Kommission, nicht nur von Entwicklern,

02:05:32: sondern auch von Buchhaltern waren wir dabei.

02:05:34: Und aus der Produktion waren zwei Leute dabei, die die Spiele angeguckt haben

02:05:38: und getestet haben und dann gesagt haben, ja, das Ding ist verkaufsfähig.

02:05:43: Und du hast ja auch mit André Weißflug gesprochen. Der hat dir dann erzählt,

02:05:46: wie sowas in seinem Fall vonstatten ging. Der hatte da zu dem Zeitpunkt dann

02:05:50: schon eine Handvoll Spiele für den KC 85 III entwickelt und hat dann eines Tages

02:05:54: einen Anruf bekommen aus Mühlhausen.

02:05:57: Und er wurde dann mit anderen Hobbyentwicklern aus der DDR nach Mühlhausen eingeladen.

02:06:04: Er erinnert sich, dass das so um die zehn Teenager waren, die dann da saßen.

02:06:08: Also wie eine kleine Nerd-Intelegation seien sie dann durch den Betrieb geführt worden.

02:06:12: Und dort hat man dann mit ihnen besprochen, dass sie ihre Spiele noch etwas

02:06:15: überarbeiten sollen, zum Beispiel mit einem neuen Vorspann versehen,

02:06:19: wo dann drin steht, welcher volkseigenen Betrieb der Urheber jetzt ist für das jeweilige Spiel.

02:06:24: Falls es Englisch war, sollten sie es ins Deutsche übersetzen.

02:06:26: Und sie sollten es vor allem auf den KC-85-4 portieren, der,

02:06:31: wie du ja vorher erzählt hast, was nicht kompatibel oder nur eingeschränkt kompatibel zum 85.3 war.

02:06:36: Und dann wurden solche Spiele gebündelt und auf Kassetten rausgebracht.

02:06:40: So ist zum Beispiel das Spiel Pango, von dem wir ja schon diesen Sound-Einspieler

02:06:44: gehört haben, als Mühlhausen-Produkt erschienen.

02:06:47: Das stammt von André Weißflog und wurde gebundelt mit anderen Spielen auf der Kassette Spiele 6.

02:06:53: Das ist der offizielle Name.

02:06:56: Das Gold Games des Ostens.

02:06:58: Genau. Und Weißflug hat dir erzählt, dass er in diesem Fall sechs Monate Arbeit

02:07:03: reingesteckt hat in diese Version von Pengo.

02:07:05: Natürlich nach der Schule, er war damals noch Schüler und hat dafür 8.000 Ostmark bekommen.

02:07:11: Und das war ein ziemlicher Haufen Kohle. Wir haben ja vorher gesagt,

02:07:14: der Rechner, für den er das entwickelt hat, der kostete ungefähr 4.000 Mark.

02:07:19: Also er hat den Gegenwert von zwei ganzen Rechnern dann bekommen Das ist schon nicht schlecht.

02:07:24: Diese Kassetten, auf denen diese Spiele zu kaufen sind, sind genau wie die dazugehörigen

02:07:29: Rechner eher selten im Laden zu haben.

02:07:32: Also sind jetzt auch kein wesentlicher Beitrag zur Erfüllung der Konsumgüterquote.

02:07:37: Die werden vorwiegend an Einrichtungen wie die Computerclubs geliefert.

02:07:43: Aber jetzt kommen wir mal zu der Frage, was für Spiele und wie viele Spiele

02:07:48: gibt es denn dann für die KC-Rechner?

02:07:50: Ich habe ein bisschen recherchiert und für die Mühlhausen-Rechner,

02:07:54: also die primäre Spieleplattform der DDR,

02:07:57: die KC 85 2 bis 4 sind insgesamt aus dem VEB in Mühlhausen acht Kassetten erschienen

02:08:05: aus dieser Spiele-Serie.

02:08:06: Du hast ja die Folge Spiele 6 gerade schon erwähnt mit dem Weißflugspiel.

02:08:11: Und neben diesen acht Kassetten, also Spiele 1 bis 8, gibt es noch eine einzelne

02:08:15: Kassette, die aus irgendeinem Grunde Spielprogramme 2 heißt.

02:08:19: Es gibt kein Spielprogramme 1, nur Spielprogramme 2. Sei es drum,

02:08:23: die kosten jeweils 38 Mark und insgesamt,

02:08:27: all diese Kassetten zusammengezählt, sind das ungefähr 30 Spiele von sowas wie

02:08:33: 4 Gewinn, also einfache Brettspiel-Varianten über Schach bis zu Pengo.

02:08:39: Da habe ich jetzt allerdings rechnerspezifische Varianten nicht mitgezählt,

02:08:42: denn wie gesagt, Pengo gibt es zum Beispiel in einer Version für KC 85 II und

02:08:47: einer für KC 85 IV, die habe ich jetzt nicht separat gezählt.

02:08:52: Was ein bisschen verwirrend ist, auf diesen Kassetten steht vorne drauf ganz groß nur KC-85.

02:08:58: Ohne das weiter zu präzisieren. KC-85-1 oder 2, das ist ja ein nicht unwesentlicher Unterschied.

02:09:04: Diese Kassetten laufen nur auf den KC-85-2 bis 4.

02:09:08: Das gab also vielleicht den ein oder anderen Fehlkauf.

02:09:11: Für den KC-85-1, also das Robotron-Modell und den Nachfolger KC-87 sind auch

02:09:18: kommerzielle Spiele bei Robotronen erschienen. allerdings nur halb so viele.

02:09:23: Ungefähr. Dafür gab es zwei dedizierte Kassetten mit Spielprogrammen drauf und

02:09:29: ein paar Basic-Programmsammlungen, die ja ebenfalls Spiele enthielten.

02:09:33: Die kosteten allerdings nicht 38 Mark, so wie die Mühlhausen-Kassetten, sondern 89 Mark.

02:09:39: Das ist schon selbstbewusst für so simple Brett- und Puzzlespiele, die da drauf sind.

02:09:43: Das ist sowas wie Halma oder Otello. Diese hier wurden allerdings anders entwickelt.

02:09:49: Du hast ja gerade beschrieben, die Mühlhausen-Spiele, die wurden bei semiprofessionellen

02:09:54: Hobbyentwicklern eingekauft und dann unter dem Namen Mühlhausen vertrieben.

02:09:58: Bei Robotron läuft das ein bisschen anders.

02:10:00: Das sind überwiegend Spiele, die von den Robotron-Entwicklern selbst stammen.

02:10:04: Die haben sie einfach ursprünglich bei der Arbeit an den Computern,

02:10:07: an den Prototypen für Demonstrationszwecke auf der Messe und so weiter oder

02:10:11: für Testzwecke entwickelt.

02:10:13: Und dann haben sie die einfach, weil sie die sowieso rumliegen hatten,

02:10:16: so veröffentlicht, wie sie waren oder mit minimalen Änderungen.

02:10:20: Wieder sehr pragmatisch. Das zieht sich wie ein roter Faden durch. Wieder pragmatisch.

02:10:25: Ganz genau. Entsprechend sind die auch nicht so aufwendig. Das sind sie aber

02:10:29: ohnehin nicht, weil ja der KC 85 I technisch nicht so leistungsfähig ist wie die Mühlhausen-Reihe.

02:10:35: Aber die allermeisten Spiele gibt es, was mich sehr überrascht hat, für den KC Compact.

02:10:42: Ja, da gibt es eine Serie, die heißt Spielebox und in dieser Serie sind mindestens

02:10:48: 24 Kassetten veröffentlicht worden, die letzte davon im Jahr 1990.

02:10:53: Es gibt jetzt keine vollständige Programmliste, deswegen können wir nicht genau

02:10:57: sagen, wie viele Spiele in dieser Serie veröffentlicht wurden,

02:11:00: aber auch hier waren auf einer Kassette immer mehrere Spiele drauf.

02:11:03: Es sind also insgesamt rund 60 Stück und das wäre dann die größte Auswahl insgesamt

02:11:09: von diesen DDR-Computern, die zumindest kommerziell veröffentlicht wurden.

02:11:13: Das liegt aber auch daran, dass viele von den Programmen in dieser Serie schon

02:11:17: aus dem Westen stammen, von dortigen Entwicklern.

02:11:20: Da kooperiert das Kombinat dann mit einem westdeutschen Verlag,

02:11:23: mit dem DMV Verlag. Die haben ein Magazin namens Amstrad PC International.

02:11:28: Das wird dann im Osten vertrieben über die Vertriebsstrukturen von dem Kombinat

02:11:34: in Mühlhausen und im Gegenzug kriegen sie von dem Verlag CPC Software,

02:11:38: die sie wie gesagt in dieser Serie Spielebox veröffentlichen.

02:11:41: Und es gibt auch das noch als kleine Fußnote dazu,

02:11:44: sogar zwei Fälle, wo es dedizierte Hardware in der DDR gibt,

02:11:50: die fürs Spielen und nur fürs Spielen gemacht ist,

02:11:53: nämlich 1979 ein Gerät namens Bildschirmspiel 01 oder kurz BSS 01 und das ist

02:12:00: die erste und auch einzige Spielkonsole der DDR und zwar einfach ein Pong-Klon.

02:12:06: Da sind vier fest eingebaute Varianten von Pong drin.

02:12:09: Da gibt es also keine separaten Module oder sowas. Das kostet 550 Mark für das, was es leistet.

02:12:15: Zu viel und das nicht rentabel wird deswegen nach zwei Jahren wieder eingestellt.

02:12:19: Und dann haben wir vorhin schon mal kurz erwähnt, es gibt auch einen offiziellen

02:12:22: Arcade-Automaten der DDR.

02:12:25: Das Polyplay 1986 kommt der raus. Auch da steckt der U880-Prozessor drin.

02:12:30: Und der wird in öffentlichen Einrichtungen aufgestellt. Und den gibt es in verschiedenen Versionen.

02:12:35: Da sind dann mehrere Spiele drauf, also sowas wie Hase und Wolf,

02:12:39: was ein Klon von Pac-Man ist, oder UFO, das ist eine Variante von Space Invaders,

02:12:44: oder Lindwurm, das ist eine Variante von Snake.

02:12:47: Da werden so um die 2000 Geräte hergestellt bis zur Wende und dann endet die

02:12:52: Produktion von Polyplay.

02:12:53: Also unterm Strich, wie viele Spiele es jetzt tatsächlich für die KC-Computer,

02:12:58: egal welche Ausprägung, gibt,

02:13:00: ist sehr schwer zu ermitteln, zumal ja auch viele davon einfach reine Hobbyprojekte

02:13:05: waren, die nicht auf irgendwelchen kommerziellen Kassetten veröffentlicht wurden

02:13:08: und dementsprechend dann auch nirgendwo in einem Katalog auftauchen.

02:13:11: Es gibt einen Online-Emulator unter der Adresse lanale.de.

02:13:15: Dort werden über 180 Spiele bereitgehalten für die KC-Computer.

02:13:21: Das ist nur die Mühlhausen-Serie. Da sind die Robotron-Systeme nicht dabei.

02:13:25: Also das ist jetzt auch keine vollständige Ludothek der DDR. DDR.

02:13:30: Aber ist ja auch egal. Das Wichtige ist, es sind jetzt nicht sonderlich viele

02:13:35: Spiele, wenn man das betrachtet mit der Menge an Titeln, die im Westen auf Systemen

02:13:40: wie Atari 8-Bit oder C64 existieren.

02:13:43: Da reden wir über vierstellige Größenordnungen.

02:13:46: Aber nichtsdestotrotz, es gibt eine ganze Reihe.

02:13:49: Ja, und jetzt fragen wir uns also, was wird denn da so gespielt in der DDR?

02:13:54: Sehr viele Spiele, die ich mir angesehen habe, für die Mühlhausen-Rechner vor

02:13:58: allem, erinnern frappierend an westliche Klassiker, sowas wie Boulder Dash oder Donkey Kong.

02:14:04: Das heißt, in sehr vielen Fällen, wir steuern eine Spielfigur in der Seiten-

02:14:08: oder in der Draufsicht durch Labyrinthe oder durch ein Hindernisparcours.

02:14:12: Wir müssen irgendwelche Dinge einsammeln, wir müssen Gegnern ausweichen, wir müssen hüpfen.

02:14:17: Mal ist das eher puzzellastig, mal hat das eher so einen Geschicklichkeitsschwerpunkt.

02:14:22: Aber es gibt auch einige direkte Klone, die gar nicht so tun,

02:14:25: als wären sie eigenständige Werke.

02:14:27: Es gibt also zum Beispiel ein Pac-Man, ein nicht lizenziertes natürlich.

02:14:31: Es gibt ein Breakout, beide übrigens von André Weißflog.

02:14:35: Die allermeisten Spiele beschränken sich auf 2D-Grafik. Klar,

02:14:39: 3D-tauglich sind diese Geräte noch nicht.

02:14:42: Sie verzichten auch meistens aufs Scrolling, obwohl es in beiden Fällen Ausnahmen

02:14:46: gibt. Es gibt zum Beispiel ein Spiel, das heißt Maze.

02:14:49: Das simuliert ein 3D-Labyrinth. Das erinnert so ein bisschen an 3D-Monster-Maze

02:14:53: auf dem ZX81. Oder Gunship 3000.

02:14:57: Das ist keine Hubschrauber-Simulation, sondern das ist so ein Raumschiff-Shoot'em-up.

02:15:01: Und das scrollt vertikal ganz hübsch.

02:15:04: Also einige Spiele holen durchaus eine Menge aus dieser Hardware raus,

02:15:08: die doch sehr limitiert ist.

02:15:10: Aber das sind Ausnahmen. Die meisten sind einfache 2D-Singlescreen-Spiele.

02:15:15: Und die allermeisten davon sind sehr actionreich.

02:15:19: Strategiespiele sind mir nicht allzu viele untergekommen. Und auch sowas wie

02:15:22: Handelssimulationen, wie sie ja im Westen da sehr gerne entwickelt wurden, die sind selten.

02:15:27: Was aber wohl auch mit dem wirtschaftlichen Umfeld zu tun hat.

02:15:30: Also eine Planwirtschaftssimulation spielt sich wahrscheinlich ganz anders als

02:15:34: ein Hanse oder Kaiser oder so.

02:15:38: Die meisten Spiele sind also sehr actionreich, genau wie im Westen ist das das

02:15:43: dominante Genre und auch die Vorbilder, die popkulturellen Vorbilder,

02:15:48: die man hier immer wieder zitiert sieht, sind oft dieselben.

02:15:52: Wenn man zum Beispiel sich das Spiel Wüstenplanet anguckt, kann man schon ahnen

02:15:57: anhand des Namens, worum es da geht.

02:15:59: Wir fliegen über eine Wüste voller Spies und Sandwürmer sind da drin.

02:16:06: Und unser Ziel ist schließlich, einen Todesstern zu zerstören.

02:16:10: Huch, und das mit der Enterprise, Christian.

02:16:14: Ich habe Stargate irgendwie anders in Erinnerung.

02:16:19: So schön.

02:16:20: Das ist alles gar kein Problem, weil es ja nun mal urheberrechtliche Probleme

02:16:24: hier nicht zu befürchten gibt.

02:16:26: Die Konzerne, die hier die Rechte auf all diesen zitierten Universen haben,

02:16:30: die haben in der DDR nichts zu sagen.

02:16:33: Man bekommt also deswegen keine Probleme, Probleme weder mit vermeintlichen

02:16:37: Raubkopien noch mit solchen popkulturellen Anleihen.

02:16:41: Man kann aber durchaus als Spieleentwickler in der DDR Probleme bekommen mit der Staatsgewalt.

02:16:48: Nämlich dann, wenn die Spiele der offiziellen, der verordneten SED-Ideologie

02:16:53: widersprechen. Wie kann das denn passieren?

02:16:56: Ja, wie gesagt, wir sind ja hier in einem diktatorischen Regime,

02:17:00: das stark ideologisch geprägt ist. Und das schlägt natürlich auf die Medien

02:17:04: durch, sehr stark auf die Medien durch.

02:17:06: Letztendlich sind Spiele ja auch eine Form von Medium.

02:17:09: Und das bedeutet zum Beispiel, dass Szenarien, die der Staatsideologie widersprechen,

02:17:14: die anstößig oder problematisch sind in Spielen, so gut wie nicht stattfinden.

02:17:18: Das heißt, in DDR-Spielen geht es fast immer um harmlose oder zumindest sehr

02:17:23: realitätsferne Szenarien.

02:17:25: Wenn überhaupt gekämpft wird, dann gegen Monster oder wilde Tiere oder eben

02:17:29: Todessterne im fernen Weltraum, aber keine realen menschlichen Konflikte.

02:17:35: Also Ballerspiele und Kriegsspiele dürfen in der DDR nicht verbreitet werden,

02:17:39: weil offiziell herrscht ja eine pazifistische Weltanschauung.

02:17:42: Das besteht natürlich im Widerspruch zu der ja quasi paramilitärischen Ausbildung

02:17:47: von Jugendlichen, die dank der Bildungsministerin Margot Honecker in manchen

02:17:52: Schulen ja sogar Handgranatenwürfe trainieren müssen.

02:17:55: Aber offiziell ist das ein pazifistischer Staat, die DDR, und deswegen wird

02:17:59: in den Medien solche Gewaltdarstellung auch nicht toleriert.

02:18:03: Der André Weißflug, der ja damals Spiele entwickelt hat, hat ja auch beschrieben,

02:18:06: was es denn zur Folge gehabt hätte, wenn man da dagegen verstoßen hätte.

02:18:11: Und er sagt, also wenn es da zu Problemen gekommen wäre, dann wäre man vermutlich

02:18:16: jetzt nicht direkt vor ein ordentliches Gericht gezerrt würden oder hätte eine

02:18:19: Ordnungsstrafe bekommen oder sowas, sondern das wären dann erstmal die,

02:18:22: wie er sagt, üblichen, subtilen Erziehungsmaßnahmen gewesen.

02:18:25: Also dann wären ein paar mysteriöse Männer an der Schule aufgetaucht oder an

02:18:29: der Arbeitsstelle oder bei den Eltern und hätten ein ernstes Gespräch geführt

02:18:33: mit entweder realen oder zumindest angedrohten Folgen für den weiteren Lebenslauf,

02:18:37: da mal den Kopf gerade zu rücken von diesen jungen Menschen.

02:18:40: Man könnte annehmen, dass in so einer zentral gesteuerten Medienlandschaft die

02:18:45: Spiele auch genutzt werden für Propaganda, für die offizielle Ideologie, für den Sozialismus.

02:18:51: Diese Idee wird auch durchaus diskutiert im Staat, aber sie kommt kaum zum Einsatz.

02:18:57: Also es lässt sich nicht feststellen, dass irgendein Spiel im staatlichen Auftrage funktioniert.

02:19:02: Entwickelt worden wäre mit dem Ziel, das Bewusstsein für den Sozialismus zu

02:19:06: schärfen oder gegen den Westen zu agitieren.

02:19:09: So etwas ist, soweit es für uns heute feststellbar ist, nicht vorgekommen.

02:19:14: Allerdings, wenn man genauer hinsieht, dann gibt es schon so eine Form von indirekter Propaganda.

02:19:21: Jens Schröder, der ist Autor des Buches Auferstanden aus Platinen über die DDR-Spielszene,

02:19:27: ein wunderbarer Name, hat geschrieben, hinter diesen betont friedfertigen Spielszenarien,

02:19:32: wie du es schon beschrieben hast, stecke eine kalkulierte Harmlosigkeit.

02:19:36: Also eine indirekte Form der Propaganda.

02:19:38: Da die Botschaft ganz unterschwellig ist, in der DDR gibt es nur saubere,

02:19:43: nur menschenfreundliche, ideologisch gute Spiele, denn unsere Spiele sind alle

02:19:48: harmlos, die verherrlichen nicht etwa den Krieg.

02:19:50: In der BRD hingegen, da dominieren die verkommenen Spiele, die militaristischen,

02:19:54: die bösen Spiele. So wird ein

02:19:57: Abbild der jeweiligen Gesellschaft gezeichnet, so wie die SED es sieht.

02:20:02: Und diese Tageszeitung Neues Deutschland berichtet auch regelmäßig und immer

02:20:08: sehr genüsslich über Spiele aus dem Westen.

02:20:11: Nicht nur über das grassierende Problem der sogenannten Raubkopien,

02:20:15: sondern vor allem über die Verbreitung von indizierten,

02:20:19: von gewaltverherrlichenden Spielen oder über Fälle von Nazi-Propaganda,

02:20:23: die in Form von Spielen auf Schulhöfen kursiert.

02:20:26: Die Botschaft lautet also, da drüben im verkommenen, im imperialistischen Westen

02:20:32: werden Spiele gezielt für faschistische und kriegstreibende Propaganda eingesetzt.

02:20:38: Hier bei uns im friedlichen Sozialismus gibt es so etwas selbstverständlich

02:20:43: nicht. Es gibt allerdings einige Fälle, wo das so ist.

02:20:46: Von durchaus politischen Spielen, allerdings nicht staatlich verordnet,

02:20:51: sondern von einigen Entwicklern, die dort ihre politische Sicht ausdrücken.

02:20:56: Das passiert natürlich erst nach der Wende. Zur Zeit der DDR hätte sich das

02:21:00: niemand getraut, vor allem dann nicht, wenn auch noch die volle Anschrift im Spiel abgedruckt ist.

02:21:06: Da gibt es zum Beispiel das Spiel Perestroika aus dem Jahr 1991 für den KC 85 2 bis 4.

02:21:14: Und in der Anleitung steht, hier gehe es darum, mit dem Demokrat,

02:21:19: das ist die Spielfigur, den Bildschirm zu überqueren.

02:21:22: Dabei stört aber der Bürokrat.

02:21:25: Wer könnte damit gemeint sein? Aber wenn er sie zu sehr nervt,

02:21:30: dann ballern sie ihn einfach ab.

02:21:33: Also eindeutig ein Nachwendespiel, wenn auch ein Spiel für einen DDR-Heimcomputer.

02:21:39: Und dass das nach der Wende erst auf den Markt gekommen ist,

02:21:42: das merkt man an noch einer weiteren Stelle.

02:21:45: Denn dieses Spiel wird nicht mehr frei verteilt, sondern es kostet 9 D-Mark.

02:21:50: Da hat also der Kapitalismus sehr schnell Einzug gehalten in die DDR-Entwicklerszene.

02:21:55: Da kommt mir eine super Idee für ein Spiel. Ich stelle mir das so vor,

02:21:59: eine Straße, auf der unten der Demokrat steht und er läuft die Straße schnell

02:22:05: und immer schneller nach oben.

02:22:07: Und von oben kommen Bürokraten, denen man durch Links- und Rechtsdrücken ausweichen

02:22:12: muss, um nicht mit ihnen zu kollidieren.

02:22:14: Ich glaube, sowas programmier ich in Basic mal demnächst.

02:22:17: Das ist eine sehr gute Idee. Hat auch keine mir bekannte Vorlage.

02:22:21: Das ist eine ganz originelle Idee von dir jetzt, oder?

02:22:23: Sehr gut. Dann tut es mir fast leid, dass ich es hier öffentlich gesagt habe,

02:22:27: weil das bestimmt gleich wieder irgendjemand kopieren wird.

02:22:29: Dann tauschen sie irgendwas aus, machen Esel draus oder sowas und auf einmal

02:22:33: ist es ein ganz anderes Spiel.

02:22:36: Naja, apropos Spiele. Jetzt müssen wir natürlich noch ein paar herausheben,

02:22:40: die grundsätzlich als gute Beispiele für gute Spiele für die KC Computer gelten.

02:22:46: Da findet man natürlich auch Listen mit den besten Spielen für die Heimcomputer,

02:22:50: aber nachdem das nicht so ein riesiger Fundus ist, tauchen da fast immer die gleichen Namen auf.

02:22:54: Du hast auch deine Gesprächspartner, also den André Weißflug,

02:22:57: den Paul Kautz, den René Mayer, danach gefragt, was denn so ihre Favoriten sind.

02:23:01: Und unterm Strich sind das vor allen Dingen vier Namen, die da immer wieder kommen.

02:23:05: Das erste heißt Benyon Gappy. Das ist von Raimu Bunsen, 1989 erschienen für den KC 85 III und IV.

02:23:15: Und das ist aus der Seitenperspektive eine Art Labyrinth-Spiel,

02:23:19: wo man wie Pac-Man rumläuft und Münzen einsammelt oder Punkte einsammelt,

02:23:23: aber das Ganze gleichzeitig ziemlich schnell, als ob man Sonic wäre statt Pac-Man.

02:23:29: Und es sind nicht einzelne Levels, die man da abräumt, sondern das ist eine

02:23:33: große, zusammenhängende, verzweigte Spielwelt.

02:23:37: Also so eine Art 2D-Münzsammel-Open-World-Game, wo man auch immer wieder hin

02:23:41: und her geht, Schlüssel findet, dann wieder zu anderen Räumen geht,

02:23:44: um dort was aufzumachen. Es gibt auch ein paar wenige Hindernisse,

02:23:47: also so Oktopusse, die einem den Weg versperren.

02:23:50: Oder man kann Wasser auslösen, was dann so langsam das jeweilige Level füllt,

02:23:54: sodass es also unterm Strich doch ein Actionspiel ist.

02:23:57: Das ist jetzt kein wirklich schönes Spiel. Das ist auch ein Spiel,

02:24:01: das ein bisschen hakelig ist und das flimmert.

02:24:03: Aber ich habe das gespielt, also

02:24:04: jetzt schon auf dem Emulator und bin da richtig dran hängen geblieben.

02:24:08: Das hat ein paar clevere Designentscheidungen. Man sammelst über diese Welt

02:24:13: verteilt dann auch Einzelteile von einem Bild zum Beispiel.

02:24:17: Also das hat auch so einen leichten Rätselanflug. Das ist doch erstaunlich motivierend.

02:24:22: Also ein zwar in seiner Anmutung relativ simples, aber in seiner Spielmechanik ganz cleveres Spiel.

02:24:30: Ja, wir können noch mal kurz reinhören. Spektakulär klingt das nicht,

02:24:33: so wie auch unser Klangbeispiel vorhin, aber trotzdem der Vollständigkeit halber.

02:24:44: Mir hat das auch Spaß gemacht. Open World ist ein großes Wort dafür,

02:24:47: Christian. Also das ist jetzt kein Far Cry.

02:24:50: Ich, ja.

02:24:51: Ja, es ist eine relativ offene Welt. Es ist offener als Pac-Man.

02:24:55: Wir wissen, was ich meine. Man kann vor und zurück gehen. Das ist für mich schon eine offene Welt.

02:25:00: Na gut. Das nächste Spiel, was auf diesen besten Listen immer wieder auftaucht

02:25:05: und auch genannt wurde hier bei meinen Gesprächspartnern, ist Digger,

02:25:08: so wie alle vier Spiele, die wir hier vorstellen, für die Mühlhausen Rechner,

02:25:12: also KC 85 II und folgende.

02:25:15: Ein Spiel von Alexander Lang aus dem Jahr 1988 und das ist nicht mehr und nicht

02:25:21: weniger als ein Boulder Dash Klon.

02:25:24: Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Also man läuft mit dieser Spielfigur

02:25:28: in der Seitenansicht durch die Welt und sammelt Diamanten ein und muss dabei

02:25:33: fallenden Steinen ausweichen.

02:25:35: Die Besonderheit ist hier, dass die Diamanten recht schön animiert vor sich hin blinken.

02:25:40: Das ist ein oft gelobtes und hervorgehobenes Feature, weil es auf dieser Hardware

02:25:45: nicht selbstverständlich ist und auch nur über Tricks realisierbar war.

02:25:49: Trotzdem ist das ansonsten nicht weiter spektakulär. Es ist halt Boulder Dash.

02:25:54: Und als solches macht es mir persönlich nicht allzu viel Spaß.

02:25:57: Ich habe es auch eine Weile gespielt, aber ich bin einfach nicht der größte Boulder Dash Fan.

02:26:01: Anders als Paul Kautz, Der äußert sich ja zu diesem Themenkomplex DDR-Computerspiele

02:26:07: bei vielen Gelegenheiten, auch in anderen Podcasts. Und er erwähnt bei jeder Gelegenheit Digger.

02:26:12: Und immer wenn dieses Spiel erwähnt wird, dann spielt er das wieder für ein

02:26:15: paar Stunden. Also Paul, wenn du das hörst, viel Spaß bei Digger.

02:26:19: Aber mich selbst hat das nur ein paar Minuten motiviert. Aber auch hier hören wir mal kurz rein.

02:26:30: Ja, wegen des Sounds spielt man das jetzt nicht.

02:26:32: Ja, da muss man halt denken bei dem Spiel, Hanna.

02:26:34: Was soll das denn heißen?

02:26:36: Dann ist vielleicht das nächste eher was für dich. Nämlich Jungle von André

02:26:43: Weißflug und Bernd Bayreuther.

02:26:44: Das stammt aus dem Jahr 1989 und der Name legt es schon nahe.

02:26:49: Das spielt im Dschungel.

02:26:50: Das ist auf den ersten Blick ein Spiel, wo man tatsächlich sagen kann,

02:26:53: das sieht einigermaßen hübsch aus.

02:26:54: Das hat leuchtende Farben, das hat dieses satte Grün und ein blaues Wasser.

02:26:58: Das ist wirklich ganz hübsch gestaltet. Und da springt man auf so Grasplattformen

02:27:01: und Lianen immer weiter nach oben und weicht dabei Monstern aus,

02:27:07: die von oben immer ins Bild hineinkommen.

02:27:09: Das Ziel ist es, einen Schatz dabei einzusammeln.

02:27:12: Und das ist, wie gesagt, ein ansehnliches Spiel. Es ist auch ein sehr schnelles

02:27:16: Spiel, was ja auch auf dieser Hardware gar nicht so selbstverständlich ist.

02:27:19: Und es lässt sich mit der Tastatur des KC85 III sogar ganz gut spielen,

02:27:24: was auch keine Selbstverständlichkeit ist.

02:27:26: Aber es ist auch hammerhart. Es ist ganz schön schwer.

02:27:37: Ja, ich bin selten über den ersten Level hinausgekommen, leider.

02:27:41: Dann vielleicht doch, Digga.

02:27:44: Nee, ich habe die meiste Zeit mit dem vierten Spiel verbracht,

02:27:48: mit Mad Breaking von Raimo Bunsen wieder, aus dem Jahr 1990,

02:27:52: also ein spätes Spiel aus der DDR-Entwicklerszene.

02:27:56: Das ist eine Breakout-Variante, aber anders als der Breakout-Klon,

02:28:01: den wir vorhin kurz erwähnt haben, ist diese Variante deutlich erweitert.

02:28:05: Hier kann man nicht nur mit dem Paddle unten rechts und links den Ball auffangen

02:28:10: und nach oben wieder zurückschießen, um die Steine abzuräumen,

02:28:13: sondern man kann auch, wenn man entsprechende Power-Ups eingesammelt hat,

02:28:16: Raketen auf die Steine schießen.

02:28:19: Erstaunlich militaristisch, aber im Jahr 1990 war das vielleicht dann schon wieder okay.

02:28:23: Es sind nur Steine, Henner. Es sind keine Menschen.

02:28:26: Es sind nur Steine, ja.

02:28:27: Auf Steine darf man auch in der DDR schießen.

02:28:29: Naja, aber in gewisser Weise reißt man hier ja eine Mauer ein.

02:28:32: Ah, oh, der Symbol halt, aber gut, ja, 1990er. haben.

02:28:38: Das wäre nicht durchgegangen vorher, glaube ich. Aber das coolste daran ist,

02:28:42: es gibt neben diesen Power-Ups noch weitere Erweiterungen gegenüber dem Originalspiel,

02:28:47: denn der Bildschirm wird in manchen Levels aufgeteilt auf mehrere Bereiche,

02:28:50: die dann jeweils eigene Paddles haben und die über Portale verbunden sind.

02:28:55: Das heißt, dieser Ball fliegt dann zwischen den Portalen durch in einen anderen

02:28:58: Levelabschnitt, in dem ich dann einen separaten Paddle oder Schläger bewege.

02:29:03: Zwischen den beiden muss ich dann selber bei Umschalten und es gibt weitere

02:29:06: Power-Ups und das ist toll.

02:29:08: Das hat mich richtig motiviert, weil ich einfach wissen wollte,

02:29:12: was kommt als nächstes für eine Neuerung.

02:29:14: Da sind nicht nur die Steine anders angeordnet oder haben eine andere Farbe

02:29:17: oder so, sondern es kommt eine neue Spielmechanik hinzu in den ersten Levels

02:29:21: jeweils und das ist super.

02:29:22: Also für mich war das von diesen vier Spielen und auch von einigen anderen,

02:29:26: die ich ausprobiert habe, das mit Abstand beste Spiel. Hast du das auch ausprobiert?

02:29:31: Ne, das habe ich leider nicht ausprobiert, aber jetzt habe ich große Lust,

02:29:33: das nachzuholen. nach deiner Beschreibung.

02:29:35: Ja, das solltest du tun.

02:29:46: Das sind vier gute Beispiele dafür, dass man auf einfache Hardware motivierende

02:29:50: Spiele erstellen kann und dass es Leute gibt in der DDR, denen es gelingt,

02:29:54: auf diesen Plattformen originelle und ordentlich gut spielbare Spiele zu erstellen.

02:29:59: Und das ist durchaus eine Leistung. Zur Wahrheit gehört aber natürlich auch,

02:30:04: dass das schon relativ spät dann in der Lebenszeit von diesen Plattformen ist.

02:30:08: Wir haben ja hier gesagt, die meisten Spiele sind aus 89 oder gar 90 und dass

02:30:13: das natürlich eine Zeit ist, wo diese Spiele in ihrer Anmutung,

02:30:17: in ihrer Gestaltung im Vergleich zu dem, was im Westen da State of the Art ist, weit hinterher hängen.

02:30:22: Also das ist einfach etwas, was man nicht nebeneinander stellen sollte und auch

02:30:27: gar nicht nebeneinander stellen kann, weil die Maßstäbe völlig andere sind.

02:30:30: Was aber nichts daran ändert, dass es trotzdem in sich gute Spiele sind.

02:30:34: Ja, und ich möchte noch ein fünftes ergänzen, weil es die Tradition verlangt.

02:30:38: Ich habe natürlich auch ein Schachprogramm getestet.

02:30:41: Ah, sehr gut.

02:30:42: Und das wurde kommerziell vertrieben für die Mühlhausen Rechner und zwar auf

02:30:47: dieser ominösen Kassette mit dem Namen Spielprogramme 2, zu der es keinen ersten Teil gibt.

02:30:53: Das ist sehr spielstark und selbst auf Stufe 0 von 10 Stufen war es erstaunlich

02:31:00: schwierig dagegen anzukommen.

02:31:02: Dafür ein bisschen umständlich zu steuern, denn man kann das nicht einfach mit

02:31:05: dem Pfeiltasten oder mit dem Joystick steuern, sondern man gibt die einzelnen

02:31:09: Spielzüge wie auch allgemeine Befehle wie New Game per Tastaturkommando ein.

02:31:15: Ein bisschen umständlich. Das Interessanteste an diesem Spiel ist der Name,

02:31:19: denn es heißt Video Chessmaster.

02:31:22: Ja, und da denkt man doch sofort an die Chessmaster-Serie von Software Toolworks,

02:31:27: die glaube ich heute zu Ubisoft gehört, oder?

02:31:29: Genau.

02:31:30: Also denkt man natürlich sofort, ist das wieder ein Plagiat?

02:31:34: Aber nein, das westliche Chessmaster, das gibt es erst 86, aber das hier entstand schon 84.

02:31:40: Und das hat seinen Namen von einem DDR-Schachcomputer mit dem Namen Chessmaster,

02:31:45: der ebenfalls 84 rausgekommen ist.

02:31:47: Das heißt, wenn hier abgekupfert wurde, dann war es diesmal der Westen.

02:31:53: Sehr gut. Oder sie sind unabhängig voneinander auf den Namen Chessmaster gekommen.

02:31:58: Ja, vielleicht liegt er auch nahe.

02:32:00: Was ja bei den Großmeistern im Schach auch nicht so weit hergeholt ist.

02:32:04: Das stimmt, aber es ist ein englischer Name, wie auch dieses ganze Spiel in

02:32:07: Englisch gehalten ist, was mich sehr überrascht hat.

02:32:10: Das ist ja eigentlich nicht Staatsräson im Osten.

02:32:12: Nun haben wir die Hardware im Detail beschrieben. Wir haben auch die wichtigste

02:32:16: Software beschrieben, also die Spiele.

02:32:18: Aber es gibt noch einen wichtigen Aspekt bei diesen KC-Heimcomputern,

02:32:23: der noch wichtiger ist vielleicht als Hard- und Software.

02:32:26: Nämlich die Verfügbarkeit, die Zugänglichkeit. Denn was nützt der beste Computer,

02:32:31: wenn ich ihn nicht nutzen kann?

02:32:32: Wie kam man also ran an diese Geräte, wenn sie doch kaum im Handel waren?

02:32:37: Wie konnten sie die Computerszene prägen, trotz ihrer geringen Stückzahlen?

02:32:41: Und das hat mit den Eigenarten genau dieser DDR-Computerszene zu tun und die

02:32:46: wollen wir jetzt etwas näher beleuchten.

02:32:48: Ja, das ist auch noch ein spannender Aspekt, denn wir haben es ja nun in unserer

02:32:52: Erzählung schon mehrmals erwähnt, die eigentlich mal als Heimcomputer gedachten

02:32:56: Computer kommen dann gar nicht nach Hause, zumindest nicht so ohne weiteres.

02:33:00: Das heißt, diese Nutzungsform, die wir im Westen als Standard kennen,

02:33:04: nämlich dass man halt einen Computer bei sich zu Hause hat, ist in der DDR eher

02:33:09: die Ausnahme, weil die Produktionskapazität der Kombinator allein schon nicht

02:33:13: groß genug ist, als dass genügend Rechner dann auch für den Handel bestimmt werden.

02:33:17: Denn wie gesagt, die gehen in erster Linie mal in Schulen, öffentliche Einrichtungen

02:33:22: oder im Falle der Mühlhausener Rechner auch in die Industrie.

02:33:26: Denn die Wirtschaft hat halt einfach Vorrang. Und wenn dann mal,

02:33:30: was selten genug der Fall ist, so eine Heimcomputerlieferung irgendwo aufschlägt,

02:33:34: dann bilden sich da Schlangen vor den Geschäften, wie der René Mayer, der berichtet hat.

02:33:39: Das heißt, man braucht entweder viel Glück oder die richtigen Beziehungen,

02:33:42: um an so ein Gerät für zu Hause zu kommen.

02:33:45: So war es auch bei André Weißlug. Der hatte eines zu Hause, aber nur deswegen,

02:33:49: weil seine Eltern sich damals mit einem Handwerksbetrieb selbstständig gemacht

02:33:52: haben, was eher eine Ausnahme in der DDR war.

02:33:55: Damit hatten sie dann aber einen eigenen Betrieb und hatten einen Grund,

02:33:59: sich einen kleinen Computer anzuschaffen für die Büroarbeit.

02:34:02: In dem Fall war das dann ein KC85-3.

02:34:05: Und selbst in diesem Fall hat es aber sechs Monate Wartezeit benötigt und natürlich

02:34:10: die Investition von mehreren Monatslöhnen, um diesen Rechner anzuschaffen.

02:34:14: Also ohne dass man Glück, Geduld und im Zweifel auch viel Geld hat,

02:34:19: kommt man als Privatperson an so einen Rechner gar nicht ran.

02:34:22: Auch der Paul hat dir erzählt, dass er niemanden aus seinem Freundeskreis kannte,

02:34:27: der einen KC-Computer zu Hause gehabt hätte.

02:34:29: Es ist tatsächlich so, dass man leichter an einen westlichen Rechner kommt als

02:34:35: einen aus der heimischen Produktion.

02:34:37: Das ist überraschend nach allem, was wir erzählt haben über diesen abgeschotteten

02:34:41: DDR-Markt und über dieses CoCom-Embargo und so weiter.

02:34:45: Aber tatsächlich so ist es. Es gibt in privater Hand mehr westliche als Ostcomputer.

02:34:51: Die DDR hat auch eigentlich gar nichts dagegen, dass Computer vom bösen Systemfeind importiert werden.

02:34:58: Der Westen hat was dagegen. Die haben ja diese Embargos eingerichtet und behindern,

02:35:04: dass hier Geräte auf geregelten Wegen in den Osten ihren Weg finden.

02:35:10: Die DDR hat nichts dagegen. Die freut sich, wenn Hochtechnologie ins Land kommt.

02:35:15: Dieses Embargo betrifft aber ohnehin nur die fortschrittlicheren Rechner und

02:35:20: CPUs, also die 16- und 32-Bit-Systeme.

02:35:23: Diese alten 8-Bit-CPUs und 8-Bit-Computer hingegen, die werden irgendwann,

02:35:28: ich konnte nicht genau ermitteln wann, aber wahrscheinlich in den 80er Jahren,

02:35:31: von der Liste gestrichen, weil der Ostblock zu der Zeit selbst längst in der

02:35:36: Lage ist, 8-Bit-Prozessoren und Computer herzustellen.

02:35:39: Und dann können C64 und andere 8-Bit-Computer auch ganz offiziell in der DDR

02:35:45: gekauft werden, allerdings nicht im Supermarkt und auch nicht in Elektrogeschäften oder so,

02:35:51: sondern nur in speziellen Einrichtungen, in An- und Verkaufläden für Gebrauchtwaren,

02:35:56: also eine Art Proto-Offline-Ebay oder in den Intershops.

02:36:00: Das sind Geschäfte, in denen man nur mit ausländischer Währung bezahlen kann,

02:36:04: also vor allem in D-Mark.

02:36:07: Und dort auch nur zu sehr hohen Preisen. Also es ist nicht der einfachste Weg,

02:36:11: um an diese Geräte zu kommen.

02:36:13: Es ist sehr, sehr teuer, aber es geht zumindest theoretisch.

02:36:18: Die allermeisten Computer kommen aber wahrscheinlich auf anderem Wege in den

02:36:21: Osten, nämlich als Geschenke.

02:36:24: Die werden einfach von wohlmeinenden Besuchern aus der BRD mitgebracht oder auch verschickt.

02:36:30: Es werden in den 80ern jährlich ungefähr 25 Millionen Pakete aus dem Westen in den Osten geschickt.

02:36:37: Da sind dann halt Sachen drin, die es in der DDR nicht so ohne weiteres gibt.

02:36:41: Leckerer Kaffee, leckere Schokolade oder halt Elektrogeräte.

02:36:45: Und was mir bei der Recherche begegnet ist, davon wusste ich nichts.

02:36:50: Es gibt sogar einen ganz offiziellen Weg, Geschenke dieser Art in den Osten zu schicken.

02:36:56: Hattest du mal vom Genex-Katalog gehört?

02:36:59: Nee, ist mir völlig neu.

02:37:00: Ja, faszinierend. Also 1956 wird ja schon eingerichtet ein ganz offizieller

02:37:08: Service, ein Geschenkedienst namens Genex mit einem eigenen Katalog,

02:37:13: über den man als Westbürger Waren in den Osten bestellen kann.

02:37:19: Also wohlmeinende BRD-Menschen können ihren Verwandten und Freunden in der DDR

02:37:25: für ihre harte D-Mark begehrte Dinge schicken.

02:37:29: Also Lebensmittel zum Beispiel, sowas wie Jakobskaffee, aber auch Luxusgüter.

02:37:35: Da gibt es Blaupunktfernseher, da gibt es ein ganzes Fertighaus,

02:37:38: was man bestellen und in den Osten liefern lassen kann. Da gibt es Autos,

02:37:42: den Trabant aus dem Osten, aber auch VW zum Beispiel.

02:37:47: Man kann Reisen bestellen in diesem Katalog. Natürlich nur in Ostblockländer,

02:37:52: weil zu dieser Zeit ja noch die Grenze abgeriegelt ist und die Menschen aus

02:37:56: der DDR nicht einfach so in den Westen reisen können.

02:37:58: Oder man kann eben in diesem Katalog ganz offiziell einen C64 bestellen für

02:38:03: seine Verwandten im Osten.

02:38:04: Also das heißt, du schickst Geld mit der Katalognummer an eine staatliche Institution

02:38:10: in der DDR, die kauft dafür einen C64 und schickt es dann an den entsprechenden

02:38:16: DDR-Bürger oder die Bürgerin.

02:38:17: Ja, ganz genau. Und auf diesen Wegen, also über private Pakete,

02:38:21: ob nun über GeneXus-Katalog oder privat organisiert, kommen halt sehr viele

02:38:25: Rechner westlicher Produktion in die DDR.

02:38:30: Wie viele genau, das ist natürlich nirgendwo erfasst, aber es gibt Schätzungen,

02:38:34: die sagen, je nachdem wen man fragt, zwischen 150.000 und 250.000 westliche

02:38:40: Computer, die so in die DDR gelangen, die meisten davon in private Hand.

02:38:44: Und das ist ja, wir haben ja die Zahlen vorhin, die Produktionszahlen der DDR-Heimcomputer

02:38:49: gehört, viel mehr als die Gesamtmenge der Heimcomputer aus heimischer Produktion.

02:38:54: Die Bürorechner sind da nicht mitgerechnet. Die erreichen in der DDR auch sechsstellige

02:38:59: Zahlen, aber das ist mehr als

02:39:01: die Heimcomputer, die in der DDR produziert werden, also diese KC-Systeme.

02:39:05: Das merkt dann auch die Stasi, also das Ministerium für Staatssicherheit.

02:39:10: 1988, da gibt es einen Vermerk von der Stasi,

02:39:13: da heißt es, die Computertechnik aus dem nicht sozialistischen Wirtschaftsgebiet,

02:39:18: also das ist die BRD oder alles im Westen, was nicht sozialistisch ist,

02:39:22: hat mittlerweile eine führende Stellung eingenommen bei privaten Computern.

02:39:27: Welche von diesen Geräten aus dem Westen jetzt führend sind,

02:39:30: was die meistverbreiteten Westcomputer in der DDR sind, das ist umstritten.

02:39:35: Ich fand einige Quellen, die sagten, Commodore habe einen Anteil von 85 Prozent.

02:39:40: René Maier, mit dem ich ja gesprochen habe, der meint, nee, nee, es sei viel mehr Atari.

02:39:45: Und andere Quellen wiederum sagen, nein, nein, der ZX Spectrum ist der meistverbreitete

02:39:50: Westcomputer in der DDR.

02:39:51: Keine Ahnung, was jetzt stimmt. Aber Tatsache ist, all diese Fabrikate,

02:39:56: Commodore, Atari, Amstrad, Schneider, die finden sich alle viel tausendfach

02:40:01: in privater Hand in der DDR.

02:40:04: Ja, aber unabhängig davon, ob es jetzt ein westlicher Computer ist oder ein

02:40:07: KC-Computer, den man bei sich zu Hause hat, das ist trotzdem die Ausnahme,

02:40:12: dass ein Computer irgendwo zu Hause steht und dort benutzt wird.

02:40:16: Der viel größere Teil von insbesondere Kindern und Jugendlichen in der DDR kommt

02:40:22: auf andere Weise mit Computern in Kontakt.

02:40:25: Und zwar über das, was in Westdeutschland ein Verein gewesen wäre,

02:40:29: das sind in der DDR die Clubs. Die sind in dem Gefüge der DDR immer einer staatlichen

02:40:35: Massenorganisation untergeordnet, also zum Beispiel der FDJ,

02:40:38: der Freien Deutschen Jugend.

02:40:40: Dementsprechend ist da also irgendeine Form von politischer Aktivität sowieso

02:40:43: ausgeschlossen, viel zu riskant.

02:40:45: Aber die Beschäftigung mit Computern wird durchaus gefördert in diesen Organisationen.

02:40:51: Und so bilden sich also Clubs, in denen man zum Beispiel dann mit Computern

02:40:55: interagieren kann, an Computern arbeiten kann und dort auch programmieren kann.

02:40:59: Diese Clubs werden von der Stasi überwacht, da werden also Informanten eingeschleust.

02:41:04: Vor allen Dingen soll verhindert werden durch die Stasi, dass da politische

02:41:08: Gegner diese Szene unterwandern. Aber da sind andere Club-Bereiche viel stärker davon betroffen.

02:41:14: Das ist jetzt in der Computer- und Spieleszene nicht so, dass da große Repression

02:41:19: zu spüren ist durch die Stasi.

02:41:21: Und so verbreiten sich so ungefähr 1000 solcher Clubs in der DDR.

02:41:25: Aber das sind auch nicht die einzigen öffentlichen Einrichtungen,

02:41:29: wo man Zugang zur Rechentechnik bekommt.

02:41:32: Das passiert zum Beispiel auch an Schulen. Ende der 80er Jahre entstehen dann

02:41:36: an Oberschulen, Berufsschulen und Universitäten sogenannte Computerkabinette,

02:41:41: die mit KC-Rechnern oder auch dem BIC, dem Bildungskomputer, ausgestattet werden.

02:41:45: Der eigentliche Zweck ist, ganz ähnlich wie in den westlichen Schulen auch,

02:41:50: Ausbildung in Informatik als Schulfach.

02:41:53: Aber da gibt es auch Kurse in bestimmter Software, in CAD-Software zum Beispiel,

02:41:57: also Computer Assisted Design.

02:41:59: Aber eine der Besonderheiten von diesen Kabinetten ist, dass die offen sind

02:42:03: auch für Menschen, die keine Schüler sind oder keinen Lehrgang besuchen.

02:42:07: Also außerhalb der Unterrichtszeiten sind die trotzdem in der Regel zugänglich

02:42:11: und dann ist es da auch möglich, als interessierter Mensch reinzugehen und mit

02:42:15: dem Computer zu arbeiten.

02:42:16: Und dann gibt es auch noch Einrichtungen, die sich speziell an Jugendliche richten,

02:42:21: zum Beispiel die Station junger Naturforscher und Techniker.

02:42:25: Die hat fast 200 Standorte in der DDR und deren Zweck ist es,

02:42:29: Kinder in den Wissenschaften zu schulen und dazu gehört also oft auch die Informatik.

02:42:33: Über so eine Station junger Naturforscher und Techniker findet zum Beispiel

02:42:38: Thomas Langhanky zum Computer.

02:42:40: Das ist auch einer der Entwickler, die noch in der DDR erste Erfahrungen sammeln

02:42:45: mit den Computern und dann später im Westen eine eigene Firma gründen.

02:42:49: In diesem Fall ist es das SEK, das Spieleentwicklungskombinat,

02:42:52: das Langhanky mitgründet. und diesen Clubs und Kabinetten kriegt man nicht nur

02:42:56: Zugang zu Computern, sondern vor allen Dingen zu Gleichgesinnten.

02:42:59: Also man trifft sich da mit anderen Menschen, die das gleiche Interesse für

02:43:02: Computer haben, die vielleicht auch schon unterschiedliche Erfahrungen haben,

02:43:06: von denen man was lernen kann oder die auch was zum Tauschen haben,

02:43:10: die Hardware oder Software tauschen möchten.

02:43:12: Da wird gebastelt, da wird gespielt, da wird gemeinsam programmiert,

02:43:16: da wird auch gecrackt, also Spiele aus dem Westen werden da auch gecrackt und

02:43:20: kopiert und wir haben es vorher ja schon schon häufiger gesagt.

02:43:23: Da gibt es kein Unrechtsbewusstsein, denn so etwas wie Urheberrecht existiert

02:43:27: in der DDR im Fall von Computerspielen nicht.

02:43:30: Deswegen muss man da also auch keine Konsequenzen fürchten und kann das in aller Offenheit machen.

02:43:34: Ganz im Gegensatz zum Westen, da wird das ja in den 80er Jahren zunehmend kriminalisiert und verfolgt.

02:43:39: Da haben wir zum Beispiel hier in der BRD den berüchtigten Abmahnanwalt Günther

02:43:44: Freiherr von Grafenreuth, der da in den 80ern Jugendliche verfolgt.

02:43:48: Diese Einbindung in staatliche Strukturen und in die Schulen führt dazu,

02:43:53: dass die auch quasi einen öffentlichen Charakter haben, diese Einrichtungen.

02:43:57: Viel öffentlicher als Computerclubs in der BRD, die es da auch gibt,

02:44:00: aber die dann halt eher Teil einer Subkultur sind und vielleicht sich sogar

02:44:04: als Hacker-Kollektive begreifen.

02:44:06: Und diese grundsätzliche Offenheit und Öffentlichkeit erleichtert gerade jungen

02:44:11: Menschen den Zugang zu Computern, selbst dann, wenn sie zu Hause keinen bekommen können.

02:44:17: Und deswegen machen dann doch relativ viele Menschen ihre ersten Erfahrungen

02:44:21: am Computer in der DDR, dann halt in Clubs und Kabinetten und dort dann auch

02:44:26: mit Ost- und Westfabrikaten gleichermaßen.

02:44:29: Deswegen ist es unterm Strich auch gar nicht so entscheidend,

02:44:31: wie viele DDR-Computer am Ende ihren Weg in den Markt finden,

02:44:35: weil auf einen hergestellten DDR-Computer kommen nicht nur ein Nutzer wie im

02:44:39: Westen oder zwei, sondern im Zweifelsfall halt sehr viele.

02:44:43: Ja, das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zur Computerkultur der 80er Jahre

02:44:47: in der BRD, so wie wir sie erlebt haben.

02:44:49: Also in meiner Gegend gab es keinen Computerclub und kein Computerkabinett,

02:44:53: wo ich an einem C64 hätte spielen können oder so. Aber in der DDR,

02:44:57: zumindest in den größeren Städten, da gibt es ja auch durchaus große regionale

02:45:00: Unterschiede, ist das gang und gäbe.

02:45:03: Und sehr viele, die heute Karriere machen in der Computerindustrie oder als

02:45:08: Entwickler, die haben ihre ersten Erfahrungen gesammelt auf solchen Systemen,

02:45:12: auf die sie Zugriff hatten, nur in solchen Computerkabinetten oder Clubs.

02:45:17: Den Thomas Langhanke, den hast du ja gerade schon erwähnt, aber zum Beispiel

02:45:20: auch Jager, das Entwicklerstudio, das es heute noch gibt aus Berlin.

02:45:26: Die Entwickler haben sich ja auch zu DDR-Zeiten kennengelernt in einem Computerclub.

02:45:30: Also das sind Brutstätten der späteren ostdeutschen Computerentwicklerszene.

02:45:36: Dann gibt es natürlich noch einen weiteren Weg dahin,

02:45:39: über den sich Fachwissen über die Computertechnik und die Informatik in der

02:45:44: Öffentlichkeit verbreitet.

02:45:45: Also nicht nur über solche Institutionen und Schulen, sondern auch über die Medien.

02:45:50: Einige davon haben wir ja schon erwähnt. Diese Fachzeitschrift MP,

02:45:54: Mikroprozessortechnik zum Beispiel.

02:45:56: Es gibt aber noch weitere und auch viele eigentlich fachfremde Zeitschriften

02:46:01: wie Funkamateur oder Praktik oder Jugend und Technik befassen sich sehr viel mit Computertehmen.

02:46:06: Auch viel mehr, zumindest meiner

02:46:09: Wahrnehmung nach, als Jugendzeitschriften in der BRD das getan haben.

02:46:13: Also ich habe in den 80ern sehr viel Mickey Mouse gelesen, da habe ich aber

02:46:17: nie ein Basic-Programm drin gefunden.

02:46:19: Aber in der DDR findet man sowas sogar in der Tageszeitung im Neuen Deutschland zum Beispiel.

02:46:26: Da werden in den späten 80er Jahren irgendwo ganz hinten auf der letzten Seite

02:46:30: kleine Basic-Programme zum Abtippen angeboten für die KC-Rechner.

02:46:35: Das allerletzte, das ich finden konnte, ist ein Labyrinth-Spiel aus dem Dezember 89.

02:46:42: Das ist sehr passend zur Grenzöffnung, dass sie da ein Spiel veröffentlichen,

02:46:46: in dem man aus einem eingemauerten Areal entkommen muss.

02:46:50: Ich weiß nicht, ob das Absicht war.

02:46:52: Historisch.

02:46:53: Ja, aber es gibt nicht nur Zeitschriften und Zeitungen, die sich mit diesem

02:46:58: Informatik- und Computerthema befassen, sondern auch im Radio und Fernsehen.

02:47:03: Es gibt eine DDR-Fernsehsendung ab 87, die Computerstunde, die sich mit Hard- und Software befasst.

02:47:10: Und im DDR-Radio gibt es ab 1986 ein Computermagazin namens REM geschrieben

02:47:18: und das wartet noch mit einer Besonderheit auf,

02:47:23: die befassen da allgemeine IT-Themen,

02:47:26: aber es werden über diese Radiosendungen auch Programme übermittelt.

02:47:31: Also über kryptische Piepstöne werden hier durch Radiofunkwellen Programmcodes

02:47:38: übermittelt, die man dann als Hörer zu Hause auf Kassette aufnehmen und dann

02:47:42: anschließend in den Computer laden kann.

02:47:44: Das ist ganz abgefahren. Das können wir uns auch mal kurz anhören.

02:47:47: Es gibt diese Sendung übrigens nirgendwo im Netz. Das ist die allererste Ausgabe

02:47:52: dieses Magazins REM mit einigen Basic-Programmen, die dabei verbreitet werden.

02:47:57: Aber im Deutschen Rundfunkarchiv habe ich sie gefunden. Leider dürfen wir nur

02:48:01: ein ganz kurzes Zitat daraus einspielen.

02:48:04: Sonst würden wir natürlich hier an dieser Stelle sehr gerne die ganze Sendung

02:48:07: wiedergeben, weil das so kurios ist.

02:48:25: Ja, viele Piepstöne. Wenn ihr das jetzt mitgeschnitten habt,

02:48:28: dann habt ihr ein fertiges Basic-Programm auf der Festplatte.

02:48:30: Das ist also so eine Art Proto-Steam, nur analog und über Radiowellen statt

02:48:36: Glasfaser. Ganz schön fortschrittlich.

02:48:37: Sehr gut. Ja, fortschrittlich ist ein gutes Stichwort.

02:48:41: Nun haben wir eigentlich die Szene, die Hardware, die Spiele der DDR-Heimcomputer beschrieben.

02:48:50: Aber wir haben ja am Anfang schon gesagt, es gab in der DDR mehrere Wellen,

02:48:55: mehrere Anläufe, um den Weltstandard zu erreichen in der Mikroelektronik.

02:49:01: Und die KC-Heimcomputer und alles drumherum sind ein Ergebnis dieses dritten

02:49:06: Anstoßes, dieser dritten Welle.

02:49:09: Aber uns fehlt noch eine. Es gibt noch einen Versuch, die Zukunft zu formen

02:49:15: der DDR-Halbleiterindustrie und der Mikroelektronik.

02:49:18: Einer, der letztendlich dann von der Geschichte überrollt wird,

02:49:21: weil die DDR vorher aufhört zu existieren. Aber man versucht es nochmal.

02:49:26: Dem voraus geht, dass es der DDR in den 80er Jahren erstmal immer schlechter

02:49:31: geht. Zu Beginn der 80er Jahre rutscht der Staat in eine Rezession.

02:49:36: 1981 beginnt mal wieder ein weiterer Fünfjahresplan, der muss schon nach unten korrigiert werden.

02:49:42: Denn Honecker hat ja versprochen, dass der Lebensstandard besser werden soll

02:49:47: in der DDR und der Preis dafür ist, dass Investitionen schrumpfen im Land und

02:49:53: dass die Verschuldung ständig steigt.

02:49:55: Die Außenwirtschaft leidet, also es kommt nicht mehr so viele Devisen über Exporte rein.

02:50:00: Die Rohstoffkosten steigen auch in dieser Zeit. Die Exportwaren sind nicht mehr

02:50:04: so attraktiv, weil die Qualität sinkt.

02:50:07: Und das führt dann letztendlich dazu, dass die Tilgung und die Zinskosten der

02:50:11: Schulden nur noch dadurch zu finanzieren sind, dass neue Kredite aufgenommen

02:50:14: werden. Also die DDR steckt in der Schuldenfalle.

02:50:17: 1982 steht das Land sogar kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, da muss dann aus

02:50:22: dem Westen nochmal ein Milliardenkredit aufgenommen werden, um das abzuwenden.

02:50:26: Und diese Lage verschärft sich noch weiter.

02:50:28: 1985 wird in der Sowjetunion, dem großen Bruderstaat, Gorbatschow,

02:50:34: der Generalsekretär der KPDSU,

02:50:37: der herrschenden Partei, und der leitet dann in der Folge nicht nur innenpolitische

02:50:42: Reformen ein, sondern mit ihm beginnt auch eine Phase geopolitischer Entspannung.

02:50:46: Das ist insofern ein Problem, als die DDR stark ist im Export von Rüstungsgütern

02:50:52: und dann ihren größten Abnehmer verliert. Die Sowjetunion ist da weniger daran interessiert.

02:50:58: Und dann sieht die SED-Führung mal wieder nur einen Ausweg.

02:51:04: Es muss wieder in die Mikroelektronik investiert werden.

02:51:07: Das hier ist ja kein Politik-Podcast, aber...

02:51:11: Es geht nicht anders. Wir müssen darüber sprechen, denn das ist ein wesentlicher Faktor.

02:51:16: Es gibt dieses wachsende außenwirtschaftliche Ungleichgewicht.

02:51:20: Also die DDR muss sehr viel importieren, kann aber sehr wenig exportieren, um Devisen zu bekommen.

02:51:25: Und so muss die DDR unbedingt den Export stärken.

02:51:30: Und da kommt eben die Mikroelektronik wieder ins Spiel. Die ist hier die Schlüsselindustrie

02:51:34: aus Sicht der DDR, die alle Wirtschaftsbereiche durchdringt.

02:51:38: Es geht ja nicht nur darum, Computer oder Bauteile zu exportieren,

02:51:42: sondern es geht auch um den erwähnten Maschinenbau.

02:51:46: Beispiel dafür ist der Werkzeugmaschinenbau. In den 70er Jahren war die DDR

02:51:50: noch einer der führenden Lieferanten für Werkzeugmaschinen.

02:51:53: Aber dann kommt eine neue Technologie, die computergestützte Maschinensteuerung.

02:51:57: Und die DDR hängt in diesem Bereich zurück.

02:52:00: Diese computergestützte Steuerung, die hält da sehr spät erst Einzug in der

02:52:05: DDR-Industrie und dadurch enteilen die westlichen Konkurrenten auf diesem Markt,

02:52:10: die Werkzeugmaschinenbauer und die Exporte in den Westen aus der DDR brechen

02:52:17: ein. Nein, und das ist ein Problem.

02:52:19: Dieses Problem zeigt sich in sehr vielen Industrien. Die Industrie der DDR fällt

02:52:24: immer weiter zurück wegen dieses großen Rückstands in der Mikroelektronik und

02:52:28: so gibt es einen weiteren Anlauf, jetzt den vierten im Jahr 1986.

02:52:34: Wieder einmal wird beschlossen, die Mikroelektronik muss weiterentwickelt werden.

02:52:39: Das wird jetzt die neue Maxime ihrer Wirtschaftspolitik wieder einmal.

02:52:42: Das ist, auch das haben wir vorhin schon mal gehört, die einzige Hoffnung der

02:52:46: DDR auf eine Zukunft als Industrienation.

02:52:50: Die Rhetorik ist halt die gleiche wie im Jahr 1977.

02:52:54: Und die Investitionen in die Mikroelektronik, die sind schon gewaltig,

02:52:57: aber jetzt sollen sie noch weiter steigen.

02:53:00: Deswegen die führenden Mikroelektronik-Kombinate Robotron, Carl Zeiss und Mikroelektronik,

02:53:07: so heißt ja das dritte, die gehören schon zu den größten Arbeitgebern und Kombinaten des Landes.

02:53:12: Die sollen jetzt aber noch weiter wachsen und die Halbleiterfertigung,

02:53:16: die ja längst den Weltstand eigentlich haben sollte, wie Ulbricht das mal befohlen

02:53:21: hat, jetzt soll es aber wirklich mal klappen im vierten Anlauf.

02:53:25: Jetzt wird es Zeit. Jetzt sprudelt euch mal.

02:53:29: Ja, beeilt euch mal, strengt euch mal ein bisschen an.

02:53:32: Jetzt soll endlich der Westen eingeholt werden auf diesem Gebiet.

02:53:36: Und so investiert die DDR zwischen 86 und 1990, wo es ja mit ihr zu Ende geht,

02:53:43: fast 30 Milliarden Mark in den Aufbau dieser Industrie.

02:53:47: Diese Milliarden fehlen natürlich an anderer Stelle. Die Infrastruktur des Landes ist marode.

02:53:53: Es fehlt immer noch an Alltagsgütern. Aber Honecker...

02:53:58: Ist ziemlich weit entrückt von der Realität. Er scheint all das nicht zu sehen.

02:54:04: Es gibt einen Staatsratsmitglied, also einen führenden Politiker damals namens Werner Krolikowski.

02:54:10: Der hat damals zur Zeit der Wende 89, 90 einige Notizen gemacht über den Zustand der Regierung.

02:54:17: Und der schrieb darin, noch im Jahre 1989 ließ Honecker im neuen Deutschland

02:54:22: auf Seite 1 ganz groß die DDR als eine Mikrochip-Weltmacht feiern.

02:54:27: Aber es unterblieb das Eingeständnis, dass es in der DDR kaum Damenschlüpfer

02:54:32: zu kaufen gibt. Zitat Ende.

02:54:35: Ja, das sind vielleicht die falschen Prioritäten, aber es geht ja ums Überleben

02:54:40: der DDR als Industrienation.

02:54:42: Also vielleicht sind diese Investitionen in die Mikroelektronik unverzichtbar,

02:54:46: vielleicht sind sie alternativlos.

02:54:49: Und diese Investitionen in das Thema Microchips und Mikroelektronik,

02:54:54: die zeigen sich vor allem in zwei großen Projekten, die die späte DDR in den

02:55:00: 80er Jahren noch startet.

02:55:02: Zwei Prestigeprojekte, die jetzt hier durch Honecker und die SED-Führung vorangetrieben

02:55:08: werden und die den Anschluss an den Westen auf dem Gebiet der Computertechnik

02:55:13: und der Elektronik endlich schaffen sollen.

02:55:15: Das eine davon ist das sogenannte Projekt Mikron. Da geht es darum,

02:55:20: hochintegrierte Schaltkreise zu schaffen mit Strukturmaßen von einem Mikrometer.

02:55:24: Und das konkrete Projekt ist hier, einen Speicherchip mit einem Megabit Kapazität

02:55:29: herzustellen. Das ist ein Projekt, in das jetzt Milliarden reinfließen nach 1986.

02:55:35: Dafür ist technologische Spezialausrüstung nötig, die noch überhaupt nicht existiert in der DDR.

02:55:41: Also da muss mal wieder ungefähr die Hälfte konspirativ aus dem Westen importiert werden.

02:55:46: Die andere Hälfte muss man selbst entwickeln mit großem Aufwand. Und am 12.

02:55:50: September 1988 wird das Ergebnis dann mit großem Brimborium präsentiert,

02:55:55: also flankiert von Medien und sogar ein eigener Imagefilm wird dafür produziert.

02:56:00: Der heißt Das Megaprojekt oder Hemmungslose Optimisten.

02:56:05: Das Ergebnis ist der Megabit-Speicherchip U61000, der kommt aus dem Kombinat Carl Zeiss Jena.

02:56:11: Da wird dem Staatsrat-Vorsitzenden Honecker feierlich das erste Exemplar überreicht

02:56:16: bei dieser Veranstaltung. Und er nennt den Chip einen Beweis dafür,

02:56:20: dass die DDR auch künftig ihre Position als entwickeltes Industrieland behauptet.

02:56:25: Also die Gefahr, als Industrieland absolviert zu sein, ist abgewendet für Honecker mit der Existenz.

02:56:31: Dieses Chip zerpreist die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie den

02:56:35: Sozialismus, wie er das ja zeitlebens gemacht hat. Das sind also die alten Phrasen

02:56:40: eines alten Mannes, der nicht mehr recht in die neue Realität passt.

02:56:43: Denn dieses Megabit-Chip-Projekt, ja, das ist natürlich schon eine Leistung für die DDR.

02:56:50: Das ist ein großer Sprung für dieses Land.

02:56:52: Aber gleichzeitig ist es trotzdem noch rückständig. Denn während auf dieser

02:56:57: Versuchsstrecke, die da aufgebaut wird in den Jahren 88 und 89,

02:57:01: immerhin einige Zehntausend dieser Chips entstehen.

02:57:05: Die ersten Exemplare davon, so hat dir der Werner Domschke berichtet,

02:57:09: werden auch tatsächlich in KC-85-3-Computern eingesetzt, ist die Serienfertigung

02:57:14: in großen Mengen trotzdem noch weit entfernt.

02:57:17: Also der Plan ist, dass erst ab 1990 dann im Kombinat Mikroelektronik jährlich

02:57:22: 100.000 Chips vom Band laufen sollen.

02:57:24: Aber das ist eine illusorische Stückzahl, also die nötigen Produktionsanlagen

02:57:28: gibt es in der DDR dafür gar nicht, die gibt es nur im Westen.

02:57:31: Und im Westen sind Megabit-Chips, das was jetzt hier mit großem Aufwand erreicht

02:57:35: wurde, schon lange Auslaufmodelle.

02:57:37: Also es ist da nichts Besonderes. In Japan stellt Toshiba bereits die ersten

02:57:41: vier Megabit-Chips her.

02:57:42: Ein-Megabit-Chips werden in

02:57:44: japanischen Fabriken sogar schon seit 1985 hergestellt und zwar in Serie.

02:57:49: Im Juli 89 verkündet Toshiba zum Beispiel, dass sie 300.000 Stück von diesen

02:57:54: ein-Megabit-Chips herstellen und zwar am Tag.

02:57:59: 300.000 am Tag gegen geplante 100.000 im Jahr.

02:58:05: Damit sind die Chips aus der DDR natürlich nicht mehr konkurrenzfähig.

02:58:10: Das kann Herr Domschke vielleicht besser noch einordnen.

02:58:13: Wir hatten ja in der Halbleiterproduktion schon eine Menge nachzuholen.

02:58:18: Die Ausbeuten waren grottenschlecht, will ich mal sagen.

02:58:21: Gegenüber dem, was in Japan oder anderswo produziert worden ist,

02:58:24: hatten wir ja nicht die entsprechenden Maschinen, um solche filigranen Chips

02:58:27: herzustellen zu können oder sowas. Deswegen waren die Ausschussrate ziemlich hoch.

02:58:31: Und das hat uns natürlich überall eingeschränkt. Und in dem Sinn hat die Exporteinschränkung

02:58:36: vom Westen doch sehr durchgegriffen bei uns.

02:58:39: Dieser technische Rückstand in der Chipfertigung auf dem Weltmarkt ist gleich

02:58:43: ein doppeltes Problem, dass die Chips langsamer und im Falle der Speicherchips

02:58:48: kleiner sind als die im Westen, also rückständiger.

02:58:52: Das ist das eine Problem, aber das allein wäre noch nicht so schlimm,

02:58:55: denn es gibt ja auch durchaus einen Markt in der Welt für langsamere und für

02:58:58: kleinere und für billigere Chips.

02:59:01: Aber das zweite Problem ist, die Japaner wie Toshiba, die sind auch bei der

02:59:06: Herstellung dieser langsameren Chips viel besser.

02:59:09: Die können sie viel schneller in viel größeren Stückzahlen und viel billiger

02:59:13: herstellen, weil ihre Fertigungsverfahren einfach effizienter sind und der Ausschuss geringer ist.

02:59:19: Das heißt, jeder einzelne Chip aus der DDR-Produktion kostet viel mehr als ein

02:59:24: Chip auf dem Weltmarkt, zum Beispiel von einem japanischen Hersteller.

02:59:27: Und das hat man auch in der DDR erkannt.

02:59:30: Honecker selbst vielleicht nicht, aber einer seiner Kollegen, Werner Jarowinski,

02:59:34: der war Vorsitzender des Handelsausschusses, der hat 1989 das einmal eindrucksvoll

02:59:40: vorgerechnet und in Zahlen ausgedrückt, wie weit die DDR von diesem angestrebten

02:59:45: Weltniveau entfernt war.

02:59:48: Aber der 256-Kilo-Bit-Chip, der da schon in Serie gefertigt wurde,

02:59:52: denn du hast es ja gerade erzählt, der Megabit-Chip, der lief noch nicht in

02:59:56: Serie vom Band, sondern das war noch eine Vorproduktion.

02:59:58: Aber dieser 256-Kilo-Bit-Chip, der kostet das Kombinat, das ihn herstellt,

03:00:03: in der Herstellung 534 Mark.

03:00:07: Pro Chip? Pro Stück.

03:00:10: Das ist nicht der Verkaufspreis, das ist der Herstellungspreis.

03:00:13: Aber der Weltmarktpreis, zu dem man so einen Chip kaufen kann,

03:00:16: unter anderem bei Toshiba oder bei anderen Herstellern, beträgt 4 bis 5 Mark. Ein Hundertstel davon.

03:00:24: Das heißt, von Konkurrenzfähigkeit ist die Chipindustrie der DDR weit entfernt oder vom Weltniveau.

03:00:30: Die hat überhaupt keine Chance mehr.

03:00:33: Und so geht diese ganze Industrie, die ja die Schlüsselindustrie sein soll,

03:00:37: die das ganze Land retten soll, ihrem Ende entgegen.

03:00:42: Ja, und das passiert dann ja auch bald mit dem Land. Aber es gibt ja noch ein

03:00:45: zweites Prestigeprojekt. Vielleicht schafft das die Rettung.

03:00:49: Tja, das wird sie auch nicht schaffen, das können wir schon vorwegnehmen.

03:00:52: Es gibt noch dieses zweite Ding, das ist ein 32-Bit-Prozessor,

03:00:55: also ein neuer DDR-gefertigter Prozessor.

03:00:58: Wir erinnern uns, der U-880 war ja ein 8-Bit-Prozessor. Jetzt wird gleich eine

03:01:02: Generation übersprungen und das sollen 32-Bit sein.

03:01:05: Auch das ist ein Nachbau eines westlichen Chips von DEC. Da wird das erste,

03:01:11: just fertiggestellte Chipmuster dann am 14.

03:01:14: August 1989 Honecker überreicht. Und der sagt anlässlich dieser Überreichung

03:01:20: dann den berühmten Satz, den du gerade ganz am Anfang unserer Folge schon genannt hast,

03:01:24: nämlich Sozialismus in seinem Lauf halten wir auch noch ehrt auf.

03:01:29: Und das ist nachgerade ironisch, denn wie wir wissen, gibt es den Sozialismus

03:01:34: in der DDR ja dann nicht mehr lange und auch dieser 32-Bit-Prozessor ändert

03:01:38: da überhaupt nichts daran, denn auch der ist zu dem Zeitpunkt,

03:01:42: an dem er erscheint, technisch veraltet bzw.

03:01:44: Nicht auf dem Weltmarktniveau und er wird auch nie mehr produktiv zum Einsatz

03:01:48: kommen, geschweige denn in Serie produziert werden. Ja, und Honecker ist zu

03:01:53: dem Zeitpunkt auch schon schwer angeschlagen, sowohl gesundheitlich als auch politisch.

03:01:57: Vier Tage später, nach dieser Überreichung dieses ersten Chipmusters,

03:02:02: wird er operiert und zwei Monate später dann von allen Ämtern abgerufen und dann passiert das hier.

03:02:24: Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind. Die Tore in der Mauer stehen weit offen.

03:02:29: Am 9. November 1989 wird die Grenze geöffnet, mehr oder weniger absichtlich.

03:02:35: Die Mauer fällt, das ist das Ende der Teilung Deutschlands und die friedliche

03:02:41: Revolution beginnt und sie mündet im Oktober 1990 dann in der Wiedervereinigung.

03:02:47: Das heißt aber auch, neben der historischen Dimension, die das Ganze natürlich

03:02:50: hat, der ganze westliche Computermarkt und auch Spielemarkt,

03:02:55: der steht jetzt auch den Bürgern im Osten offen.

03:02:58: Und dadurch werden die ganzen DDR-Computer der Bausatz Z1013 oder die ganzen KC-Rechner, die PCs,

03:03:07: die Bürorechner, die werden alle nach und nach ersetzt durch modernere,

03:03:10: billigere Systeme aus dem Westen.

03:03:13: Die ganze KC-Reihe gerät sehr schnell in Vergessenheit.

03:03:17: Es gibt noch einige Clubs natürlich, die weiterhin bestehen in der DDR oder

03:03:21: in der ehemaligen DDR und es gibt weiterhin Hobbyentwickler,

03:03:24: die auch noch Spiele rausbringen, klar, oder Hardwareerweiterungen, aber nicht lange,

03:03:30: also bald schon interessieren sich nur noch Sammler für diese kleinen Computer oder Computermuseen.

03:03:37: Damit endet unsere Geschichte über die DDR und die Computer,

03:03:41: die sie hervorgebracht hat.

03:03:42: In einer Hinsicht entsprach diese Geschichte unserer Erwartung.

03:03:46: Ja, die DDR-Computertechnik lag viele Jahre hinter der des Westens. Keine Überraschung.

03:03:51: Etwas anderes hat mich aber überrascht, denn in einer anderen Hinsicht war die

03:03:56: DDR vielen westlichen Ländern und insbesondere der BRD weit voraus.

03:04:01: Bei der gesellschaftlichen Akzeptanz des Computers als Massenmedium.

03:04:05: Es gibt diese frühe Informatikförderung über verschiedenste Einrichtungen,

03:04:09: quasi staatliche Computerclubs, die Code-Verbreitung per Radio.

03:04:14: Heimcomputer und Spiele von staatseigenen Betrieben.

03:04:17: Von all dem war Westdeutschland damals weit entfernt.

03:04:21: Hier fand sehr vieles im Privaten und im Verborgenen statt, was in der DDR einer

03:04:26: sehr breiten Öffentlichkeit zugänglich war.

03:04:29: Klar, all das folgte jetzt nicht der großen Vision von der Informationsgesellschaft,

03:04:34: sondern rein wirtschaftspolitischem Kalkül und es diente letztlich dem Machterhalt

03:04:40: eines totalitären Regimes, da gibt es nichts zu beschönigen.

03:04:43: Aber im Ergebnis stand eine Offenheit und Akzeptanz für die neue Technik,

03:04:47: die sich bei uns im Westen erst später entwickelt hat. Veraltete Computer hin oder her.

03:04:53: Ja und was bleibt heute von dieser ganzen Industrie und von dieser Szene und den Geräten?

03:04:58: Nun, Teile der DDR-Halbleiterindustrie haben überlebt.

03:05:02: Aus den Ruinen der VEBs entstand im Großraum Dresden das heutige Zentrum der

03:05:08: deutschen Halbleiterindustrie mit Werken von Global Foundries oder Infineon.

03:05:12: Die Szene hat Entwicklerstudios hervorgebracht, Radon Labs von André Weiß flog

03:05:17: natürlich, aber auch Jager und SEK Ost.

03:05:19: Vor allem aber öffneten die Geräte dieser Kombinate Robotron und Mikroelektronik

03:05:25: in Schulen, in Clubs und Kabinetten einer ganzen Generation von Spielern die

03:05:29: Wunderwelt des Computerspiels und damit auch einen Eskapismus,

03:05:34: der in der DDR vielleicht noch wichtiger war als anderswo.

03:05:39: Und wir leben ja zum Glück heutzutage in einer Welt, wo es dieses Ost und West

03:05:43: nicht mehr gibt und wo wir alle gemeinsam spielen können.

03:05:46: Und damit ist unsere Erzählung über DDR-Computer, Heimcomputer abgeschlossen.

03:05:52: Und wir bedanken uns bei allen Gesprächspartnern für diese Folge.

03:05:56: Und ich, Henna, bedanke mich wie immer speziell bei dir für deine Recherche und Aufbereitung.

03:06:01: Ich habe so viel gelernt wie noch nie und einen blinden Fleck schließen können

03:06:06: durch diese ganze Geschichte. Vielen Dank dafür.

03:06:38: Ist das dein Verdienst oder hat er das eh schon geplant gehabt?

03:06:43: Hättest du nicht gefragt. Er hat das sowieso schon geplant.

03:06:47: Wir streichen das wieder aus.

03:06:49: Nein, alles gut. Und so erfahren diese DDR-Computer vielleicht endlich die Würdigung, die sie verdienen.

03:06:55: Auch im Westen, auch bei uns.

03:06:58: Sehr gut. Dann nochmal herzlichen Dank in die Runde und vor allen Dingen auch

03:07:02: an euch fürs Zuhören. und wir hören uns in ein paar Monaten wieder bei der nächsten

03:07:08: Folge von Stay Forever Technik.

03:07:09: Bis dahin.